Quelle: E&M / Harmsen
Auf einer Industriekonferenz in Berlin suchen Wirtschaftsminister und Unternehmen Wege aus der Krise. Eine Lösung wäre gesenkte Stromkosten, für die auch Oppositionsstimmen nötig wären.
In Berlin findet am 26. November die Industriekonferenz 2024 statt. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) begrüßte in Kooperation mit dem Bündnis „Zukunft der Industrie“ mehr als 300 Gäste. Thema ist die europäische Zusammenarbeit für die Zukunft der deutschen und europäischen Industrie. Dabei sollen zentrale industrierelevante Themen − von der Wettbewerbsfähigkeit über die Dekarbonisierung und Resilienz bis hin zur Digitalisierung und Fachkräftesicherung gemeinsam diskutiert werden.
Habeck nannte geopolitische Veränderungen, die klimaneutrale Erneuerung und die digitale Transformation als herausfordernd für die Industrie. „Zentrales Ziel muss es sein, die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu stärken und zugleich die Transformation hin zur Klimaneutralität weiter voranzubringen“, sagte der Minister. Er verwies auf seine Initiativen, Wachstum durch steuerliche Anreize anzukurbeln und die Strompreise durch Senkung der Netzentgelte zu entlasten. Allerdings benötigt er dafür im Bundestag Stimmen der Opposition.
Industrie und Gewerkschaften drängen auf Hilfen
Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, sagte: „Wir bieten auch der nächsten Bundesregierung die Fortsetzung der Arbeit in dem Bündnis Zukunft der Industrie an und damit den gemeinsamen Dialog mit Industrieverbänden und Gewerkschaften.“ Zu den Prioritäten der neuen Bundesregierung müsse gehören, eine entschlossene Wachstumsagenda aufzusetzen, forderte er.
Auch die jetzige Bundesregierung sei weiterhin gefordert, kurzfristige Maßnahmen für Wachstum und Investitionen zu veranlassen, mahnte Rußwurm. Vorschläge des BDI seien die Senkung der massiv angestiegenen Netzentgelte, die Verlängerung und Erhöhung der degressiven Abschreibungsmöglichkeit sowie eine Ausweitung der Forschungszulage. „Auf EU-Ebene muss sie sich für Durchbrüche bei Freihandelsabkommen und eine Stärkung der globalen Wettbewerbsfähigkeit einsetzen, die Voraussetzung für eine erfolgreiche grüne Transformation ist“, forderte der BDI-Präsident.
„Durch den im internationalen Vergleich nach wie vor sehr hohen Industriestrompreis geraten die energieintensiven Unternehmen hierzulande und die Arbeitsplätze dort immer stärker unter Druck“, kritisierte Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall. Es sei notwendig, die Kfz-Branche zu stabilisieren. „Das muss jetzt, noch im laufenden Jahr, passieren“, forderte Kerner. Auch CDU/CSU dürften sich nicht länger aus der Verantwortung stehlen. „Die Beschäftigten können nicht darauf warten, bis sich Mitte 2025 eine neue Regierung aufgestellt hat“, so der Gewerkschafter. Deutschland brauche jetzt eine Allianz der Verantwortung im Bundestag, die die notwendigen Dinge jetzt beschließt.
Mittel für Netzentgeltsenkung vorhanden
Habeck nannte eine Senkung der Netzentgelte durch einen staatlichen Zuschuss sowie das Kraftwerkssicherungsgesetz (KWSG) als Maßnahmen, die noch in dieser Legislatur kommen müssten. Die rot-grüne Regierung hat nach dem Scheitern der Ampelkoalition mit der FDP aber keine Mehrheit mehr im Bundestag. Eigentlich war für dieses Jahr ein Bundeszuschuss zur anteiligen Finanzierung der Übertragungsnetzkosten von bis zu 5,5 Milliarden Euro geplant. Als Folge eines Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts nach einer Klage der CDU/CSU fehlen im Haushalt aber die Mittel dafür.
Der Wirtschaftsminister sagte, der beste Weg zur Senkung der Netzentgelte wäre eine Einigung auf einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr. Um einen Bundeszuschuss zu finanzieren, könnten durch die Verschiebung beim Intel-Chipwerk in Magdeburg frei werdende Fördermittel in Höhe von 10 Milliarden Euro genutzt werden. Ein anderer Weg seien gesetzliche Anpassungen. Die Bundesregierung werde das Gespräch mit der demokratischen Opposition suchen, sagte der Minister mit Blick auf Union und FDP.
Habeck sagte, der industrielle Kern Deutschlands stehe unter dem Druck des Wandels. Er mache keinen Hehl daraus, dass größere Antworten nötig seien, als dies in den vergangenen Jahren möglich gewesen sei. Deutschland hätte nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar 2022 mit einem großen Konjunkturpaket antworten müssen. Die Strompreise für die Industrie hätten verlässlich abgesenkt werden sollen.
Dienstag, 26.11.2024, 13:24 Uhr
Susanne Harmsen
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