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Die Industrie erwartet von der neuen EU-Kommission eine Ãœberprüfung der europäischen Energie- und Klimapolitik − und massive Unterstützung, um die Klimaziele zu erreichen.
Der Dachverband der Industrie, Business Europe, kommt in einer Studie zu dem Ergebnis, dass die erneuerbaren Energien und andere emissionsarme Technologien schnell und massiv ausgebaut werden müssen, um die Klimaziele zu erreichen und die Energiepreise in der EU zu senken. Letztere könnten dauerhaft nur höher als in Drittstaaten bleiben, wenn die Wirtschaft an anderer Stelle entlastet werde.
Die
Studie vergleicht zwei mögliche Wege um die Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen: Im „Managed-Transition-Szenario“ (MT) gelingt es der Politik Widerstände zum Aufbau kritischer Infrastruktur der emissionsarmen Technologien schnell zu überwinden: die erneuerbaren Energien werden ebenso schnell und planmäßig ausgebaut wie Speicher, Leitungen und flexible Kapazitäten.
Im „Frustrated-Transition-Szenario“ (FT) werden die Klimaziele zwar ebenfalls erreicht, es gelingt aber nicht, die aktuellen Probleme vollständig zu überwinden: Der Ausbau von Stromspeichern und Leitungen wird weiter verzögert, die Elektrifizierung des Verkehrs und im Heizungsbereich kommt nur langsam voran, für die Elektrifizierung der Industrie gibt es kaum Geschäftsmodelle und der Aufbau kompletter Wertschöpfungsketten für die Wind- und Solarenergie stößt weiter auf Widerstand.
Grüner Wasserstoff auf absehbare Zeit nicht wettbewerbsfähigDie Elektrifizierung spielt in beiden Szenarien eine wichtige Rolle, um die fossilen Energien zu ersetzen. Aber sie kommt im Szenario MT schneller voran. Bis 2050 würden in diesem Szenario rund 4.100 TWh Strom pro Jahr benötigt, im FT nur 3.700 TWh (2019: 2.700 TWh). Die Elektrifizierung sei auch mit erheblichen Effizienzgewinnen verbunden, heißt es in der Studie. In der Industrie, vor allem jedoch im Gebäudesektor und im Verkehr führe das zu Energieeinsparungen bis 2050 um 33 Prozent im FT und um 37 im MT.
Im „Frustrated-Transition-Szenario“ würde ein größerer Teil der Energienachfrage durch grünen Wasserstoff und Derivate gedeckt. Während es im „Managed-Transition-Szenario“ gelingt, 60 Prozent des benötigten Wasserstoffs in der EU zu produzieren und den Rest zu importieren, würde der Bedarf im FT nur zu 45 Prozent aus heimischer Produktion gedeckt und neben dem Import über Pipelines wären auch H2-Flüssiggas-Importe notwendig.
Grüner Wasserstoff wäre auch ohne die Gratiszuteilung von Emissionsrechten und bei steigenden CO2-Preisen auf absehbare Zeit nicht wettbewerbsfähig im Vergleich zu blauem oder grauem H2. Die Autoren gehen davon aus, dass grüner Wasserstoff 2030 mindestens 5 Euro/kg kostet, grauer oder blauer aber weniger als 2 Euro/kg. Damit Wasserstoff den erwarteten Beitrag zur Dekarbonsierung leisten könne, müsse die Infrastruktur zügig ausgebaut werden. Beihilfen könnten diese Entwicklung beschleunigen.
Der Anteil der Elektrizität am Endverbrauch von Energie würde 2050 im MT 56 Prozent erreichen, im FT nur 48 Prozent. Die Umstellung in der Industrie würde im MT aktiv gefördert, so dass sie 46 Prozent ihres Energiebedarfs mit Strom decken könnte, im FT wären es nur 37 Prozent. In vielen Branchen seien emissionsfreie Verfahren jedoch nicht wirtschaftlich. Finanziellen Anreizen seien damit erforderlich.
Eine langsamere Elektrifizierung würde den Einsatz von fossilen Brennstoffen verlängern und höhere Kosten für die Entsorgung des entstehenden CO2 über CCS nach sich ziehen. In beiden Szenarios müssten die CO2-Emissionen etwa drei Mal so schnell zurückgehen wie in den vergangenen 30 Jahren.
Systemkosten pro Megawattstunde könnten sinkenIm „Managed-Transition-Szenario“ sinken die Systemkosten pro Megawattstunde, wenn auch langsam, und erreichen 2050 gut 100 Euro/MWh. Im „Frustrated-Transition-Szenario“ steigen sie um etwa 30 Prozent und liegen 2050 bei etwa 150 Euro/MWh. Die Großhandelspreise veranschlagen die Autoren der Studie auf über 70 Euro/MWh im MT und auf 110 Euro/MWh im FT. Die europäische Industrie müsste damit auch im günstigsten Szenario noch deutlich mehr für Strom bezahlen als ihre Konkurrenten in den USA und China (45 Euro) oder in Indien (40 Euro). Dies könnte die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie beeinträchtigen und erfordere Maßnahmen auf EU-Ebene, um diesen Nachteil zu mindern.
Die Industrielobby erwartet daher, dass die EU einen Beitrag dazu leistet, die Investitionslücke beim Ausbau der Energiewirtschaft zu schließen, die durch die höheren, klimapolitischen Ambitionen entsteht. Dafür komme entweder eine Aufstockung der bestehenden Fonds in Frage oder die Schaffung neuer Fördertöpfe, aus denen Investitionen und/oder die laufenden Kosten privater Projekte unterstützt würden, solange sie nicht zu marktüblichen Bedingungen finanziert werden könnten. Die Wasserstoffbank der EU, die ihre Fördergelder öffentlich ausschreibt, sei dafür ein gutes Vorbild.
Die
Studie „Energy and climate transition“ ist auf der Seite von Business Europe als PDF verfügbar.
Montag, 8.07.2024, 15:37 Uhr
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