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Die Elektrizitätswirtschaft hat ihre CO2-Emissionen kräftig reduziert. Aber die Elektrifizierung der europäischen Wirtschaft kommt kaum voran.
Das ergibt sich aus dem jüngsten Bericht („Power Barometer 2024“) des Dachverbandes der Branche, Eurelectric, über die Entwicklungen auf dem europäischen Strommarkt.
Seit 2008 sind die CO2-Emissionen der europäischen Kraftwerke um 50 Prozent gesunken, im Durchschnitt aller Sektoren in der EU waren es nur 31 Prozent. In den ersten drei Quartalen dieses Jahres wurde die Hälfte des erzeugten Stroms aus erneuerbaren Energien und fast ein Viertel aus Kernkraft erzeugt. Nur noch 26 Prozent waren fossilen Ursprungs.
Die Elektrifizierung verharre allerdings seit fast zehn Jahren bei rund 23 Prozent und sei auch im letzten Jahr nicht vorangekommen, sagt Eurelectric-General-Sekretär, Kristian Ruby: „Die Elektrifizierung ist das fehlende Bindeglied zwischen Umweltfreundlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit. Die Industrie verfügt auf der Grundlage der verfügbaren Technologien über ein enormes Potential zur Elektrifizierung.“ Elektroboiler, Lichtbogenöfen, Wärmepumpen, Induktionsheizungen und andere Technologien könnten wesentlich mehr genutzt werden, um fossile Energie zu ersetzen.
Auch im Gebäudesektor verläuft die Elektrifizierung schleppend. 2023 wurden 5 Prozent weniger Wärmepumpen eingebaut als im Jahr davor. Die Zahl der Elektrofahrzeuge stieg in diesem Jahr zwar auf 9 Millionen, von dem für 2030 anvisierten Ziel von 30-44 Millionen sei man aber noch weit entfernt, heißt es in einer Mitteilung des Verbandes. Das gelte auch für die Ladesäulen: im letzten Jahr standen 630 000 (+200 000) zur Verfügung, 2030 sollen es mehr als 3,5 Millionen sein.
Mindestens 50 Prozent Elektrifizierungsrate bis 2040
Bei Eurelectric geht man davon aus, dass die Elektrifizierungsrate bis 2040 auf mindestens 50 Prozent ansteigen muss, um die europäischen Klimaziele zu erreichen. Statt dessen sei die Stromnachfrage 2023 um 7,5 Prozent zurückgegangen, einerseits weil Strom effizienter eingesetzt werde aber „hauptsächlich aufgrund von Industrieabschaltungen und Verlagerungen ins Ausland“.
Sorgen macht sich die europäische Stromlobby auch um die Stabilität der Preise. In den ersten acht Monaten dieses Jahres gab es nach dem Power-Barometer 1031 Stunden, in denen die Strompreise in mindestens einer Gebotszone der EU negativ waren. Vor allem in den Mittagsstunden mussten die Stromerzeuger nicht selten Geld mitbringen, um ihren Strom ins Netz einzuspeisen. Andere Teil Europas verzeichneten gleichzeitig sehr hohe Preise, ohne dass grenzüberschreitende Unterschiede ausgeglichen werden konnten.
Solche Vorkommnisse in Kombination mit der sinkenden Nachfrage nach Strom behinderten Investitionen, insbesondere in erneuerbare Energien. Negative Preise stellten zwar einen Anreiz für Investitionen in Speicher und Flexibilität dar, entscheidend bleibe aber eine Erhöhung der Stromnachfrage.
Klare Elektrifizierungsstrategie gefordert
Das Preisniveau ist noch nicht zu den Notierungen vor der Energiekrise zurückgekehrt. In den ersten acht Monaten dieses Jahres zahlte man im Durchschnitt der EU knapp 75 Euro pro MWh (Day-ahead), fast zwei Drittel mehr 2019, also vor der Corona-Pandemie.
In den meisten EU-Staaten sei der Einsatz von Gas auch für die Industrie billiger als Strom, nicht zuletzt wegen der höheren Belastung durch Steuern und Abgaben. Eurelectric erwarte von der Politik jetzt die Entwicklung einer klaren Elektrifizierungsstrategie. Der Klimapakt müsse in einem „marktkonformem Investitionsrahmen“ umgesetzt werden mit dem Ziel einer wettbewerbsfähigen, dekarbonisierten, europäischen Industrie.
Montag, 7.10.2024, 16:18 Uhr
Tom Weingärtner
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