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Der jüngste Bericht der EU-Kommission über die Energieunion kommt zu dem überraschenden Ergebnis: In der Energiepolitik hat die EU alles richtig gemacht.
Energiekommissarin Kadri Simson zog am Mittag eine positive Bilanz der letzten vier Jahre. So sei der Anteil von russischem Gas an den Gas-Importen der EU in den letzten zwei Jahren von 45 auf 18 Prozent zurückgegangen. Den Mitgliedsstaaten sei es gleichzeitig gelungen, das russische Gas durch Lieferungen von vertrauenswürdigen Partnern wie Norwegen oder den USA zu ersetzen.
Ziel der Kommission sei es, auch die verbleibenden 50 Milliarden Kubikmeter (bcm) russisches Gas zu ersetzen, die Länder wie Österreich oder die Slowakei weiter über die Ukraine oder die Türkei beziehen. Simson warnte in diesem Zusammenhang ausdrücklich davor, neue Lieferverträge mit Gasprom abzuschließen. Die Kommission setze sich auch nicht dafür ein, den Ende des Jahres auslaufenden Transitvertrag der Ukraine für russisches Gas zu verlängern: „Die EU ist in der Lage und darauf vorbereitet, ohne das Gas auszukommen, das bislang über die Ukraine geliefert wird.“
Die EU sei auch erfolgreich dabei gewesen, ihren Gasverbrauch nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine zu senken und die Gaspreise zu stabilisieren. Die Ziele für die Gasbevorratung (90 Prozent zum 1. November) seien bereits im August erreicht worden. Davon gehe ebenfalls eine stabilisierende Wirkung auf den Gasmarkt aus.
Mitgliedstaaten bummeln bei Energie- und Klimaplänen
Bei der Erzeugung erneuerbarer Energien habe die EU ihre Kapazitäten kontinuierlich ausgebaut: Im ersten Semester dieses Jahres stammte mehr als die Hälfte des Stroms in der EU aus erneuerbaren Quellen. Windstrom ist nach der Kernkraft jetzt die zweitwichtigste Stromquelle.
Der Primärenergieverbrauch sei weiter rückläufig, stellt die Kommission fest. Das Tempo reiche aber nicht aus, um das für 2030 anvisierte Ziel von minus 11,7 Prozent zu erreichen. Auch bei der Elektrifizierung der Heizungsanlagen und der Renovierung von Gebäuden liege man deutlich hinter dem Plan.
Die Kommissarin appellierte in diesem Zusammenhang an die Mitgliedsstaaten, ihre Energie- und Klimapläne (NECP) nachzubessern und in Brüssel einzureichen. Obwohl die dafür vorgesehene Frist bereits Mitte des Jahres verstrichen sei, hätten bislang nur zehn Regierungen einen aktualisierten NECP vorgelegt.
Die bisherigen Pläne der Mitgliedsstaaten reichten jedenfalls nicht, um die für 2030 anvisierten Klimaziele zu erreichen. Das gelte insbesondere für erneuerbaren Energien, aber auch für die Senkung der Treibhausgase um 55 Prozent. „Die Pläne sind entscheidend, um Investoren mehr Sicherheit zu geben und Verpflichtungen in die Tat umzusetzen.“ In jedem Fall könnten die Mitgliedsstaaten die Klimaziele nur gemeinsam erreichen, und die Kommission könne ihrer Rolle dabei nur gerecht werden, wenn sie die NECP kenne.
Schlummerndes Potenzial im Energiebinnenmarkt
Der Bericht räumt ein, dass die Energiepreise in der EU weiter zu hoch sind. Das beeinträchtige die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie, insbesondere gegenüber ihren wichtigsten Konkurrenten in den USA und China. Die EU habe seit der Krise von 2022 viel unternommen, um die Preise zu senken, müsse jetzt aber „die strukturellen Probleme“ in Angriff nehmen. So müssten die erneuerbaren Energien schneller ausgebaut werden, um fossile Importe zu ersetzen. Ein wichtiges Potenzial liege auch in einer weitergehenden Integration des Energiebinnenmarktes. Davon erhofft man sich in Brüssel auch mehr Investitionen in die Infrastruktur.
Bei den sauberen Technologien stehe die europäische Industrie unter einem zunehmenden Wettbewerbsdruck, stellt die Kommission fest. Eine wichtige Rolle bei der Stärkung der europäischen Fertigung müssen ihrer Ansicht nach „Industrieallianzen“ spielen, wie es sie zum Beispiel für den Bau von Batterien, die Photovoltaik oder sauberen Wasserstoff schon gibt. Auch für „erneuerbare und kohlenstoffarme Kraftstoffe“ oder „kleine, modulare Reaktoren“ sollen Wertschöpfungsketten systematisch aufgebaut werden. Die Kommission will die Umsetzung ihrer Industriepolitik durch „Energiewende-Dialoge“ mit der Industrie und den Sozialpartnern erleichtern.
Finanzspritzen aus dem Innovationsfonds
Natürlich soll es auch Geld dafür geben. Im Innovationsfonds, der aus den Einnahmen aus dem Emissionshandel gebildet wird, stehen rund 40 Milliarden Euro zur Verfügung. Hinzu kommen für den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft günstige Kredite der „Europäischen Wasserstoffbank“, die bislang 720 Millionen Euro für sieben grüne Wasserstoffprojekte vergeben hat.
Allerdings machte die Energiekommissarin deutlich, dass die ursprünglich von der Kommission ins Auge gefassten Ziele wohl nicht erreicht werden. Danach sollte die EU bis 2030 zehn Millionen Tonnen grünen Wasserstoff erzeugen und noch einmal die gleiche Menge einführen.
In den letzten Jahren seien die Grundlagen für mehr Zusammenarbeit und Solidarität der Mitgliedsstaaten in der Energiepolitik gestärkt worden, heißt es im Bericht der Kommission abschließend. Das sei eine gute Voraussetzung, um das, was man in den letzten Jahren beschlossen habe, in den nächsten Jahren umzusetzen.
Mittwoch, 11.09.2024, 15:22 Uhr
Tom Weingärtner
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