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Der Weg für die Ruhrstadt Essen vom Energie-Fossil zum Erneuerbaren-Vorbild ist weit. Die Kommune will ihn trotzdem gehen, ein Solarprogramm für Privatleute steht für den Aufbruch.
Mit einer halben Million Euro unterstützt die Stadt Essen die Solarwende auf den Dächern der Kommune. In den ersten beiden Monaten seit Start des städtischen Förderprogramms ist bereits mehr als die Hälfte des Topfes vergeben.
Mitten im alten Kohlerevier verdienen seriöse Anstrengungen für die Energiewende besondere Aufmerksamkeit. Und Essen, Sitz solcher Energieriesen wie RWE und Eon, meint es ernst, wenn man den Vertretern der schwarz-grünen Rathauskoalition Glauben schenkt. „Wir müssen Essen zur Hauptstadt der Erneuerbaren Energien machen“, sagt etwa Yannick Lubisch, umweltpolitischer Sprecher in der CDU-Ratsfraktion. Dafür brauche es eine engagierte Bürgerschaft und eine unterstützende Politik.
Mehr als die Hälfte der 500.000 Euro schon nach zwei Monaten vergeben
Der grüne Bürgermeister Rolf Fliß verweist auf die starke konventionelle Ausrichtung der Vergangenheit. Der inoffizielle Titel der Energie-Hautpstadt „basiert allein auf fossilen und atomaren Energien. Das ist nicht zuletzt wegen des Krieges in der Ukraine völlig aus der Zeit gefallen.“ Um aus der Abhängigkeit von Energieimporten aus Russland zu gelangen, brauche es den schnellen Ausbau der Erneuerbaren, wozu das Essener Solarprogramm beitrage.
Nach aktuellem Bewilligungsstand sind bei inzwischen 420 eingegangenen Anträgen mehr als 270.000 Euro Zuschüsse vergeben. 325 bereits bewilligte Anlagen kommen auf eine Kapazität von 3.000 kWp, so Bürgermeister Fliß. Die Stadt gibt pro installierter kWp 100 Euro dazu. Für die auf mehrere Dächer verteilte 17-kWp-Anlage des Privatiers Christoph Fleischer im südlichen Stadtteil Werden kommen so 1.700 Euro zusammen, bei reinen Modulkosten von 9.000 Euro. Investitionen für den Aufbau und einen angestrebten Batteriespeicher sind noch nicht eingerechnet.
Bei einem Ortstermin an besagter Privatanlage forderte Fliß gemeinsam mit seinem CDU-Pendant Lubisch, angesichts des erwartbaren Auslaufens des Programms nicht Halt zu machen. „Wir sind gut beraten, mehr Geld in den Haushalt einzustellen“, so Fliß. Dass die Rathausmehrheit das Solarprogramm nicht als einmaliges Vorhaben betrachtet, zeigen auch weitere Ausgaben: Die Mittel für zwei zusätzliche Personalstellen in der Verwaltung sind bereitgestellt, sie sollen Privathaushalten sowie Gewerbetreibenden in die solare Zukunft helfen.
Stadtwerke Essen modernisieren und auf Energiewendekurs bringen
Grünen-Politiker Fliß sieht die Kommune in der Pflicht, ihre Stadtwerke ebenfalls auf die Transformation der Energieversorgung einzuschwören. „Wenn die Stadtwerke in zehn Jahren noch existieren wollen, müssen wir sie reformieren und zukunftsfest aufstellen“, so Fliß. Der Essener Versorger, zu 51 % im Besitz der Kommune, hat über Jahrzehnte im Schatten der großen Energiekonzerne keine wesentliche Rolle gespielt und seine Geschäfte mit Gas und Wasser gemacht. Die Stromsparte läuft aktuell mit überschaubarer Erzeugung aus eigenen regenerativen Anlagen.
Der Vorsitzende des Landesverbands Erneuerbare Energien (LEE NRW), Reiner Priggen, sieht im Essener Solarprogramm, das sich in die Initiativen solcher Städte wie Aachen, Bottrop, Köln, Münster oder Ratingen einreiht, ein „wichtiges Signal“, das die Motivation von Bürgerinnen und Bürgern unterstütze. Die Solar-Offensive sei für den Klimaschutz und die Energie-Unabhängigkeit unverzichtbar. Die Stadtwerke Essen könnten als Energiedienstleister tätig werden und so größeren Unternehmen den Einstieg in die Solarenergie erleichtern.
„Um auf jedes Dach eine Solaranlage möglichst mit einer landesweiten Solarpflicht zu installieren, sehen wir die Kommunen und auch ihre Stadtwerke gefordert, ihren Bürgern und Betrieben mit Rat und Tat, aber auch mit finanzieller Unterstützung zur Seite zu stehen“, so Priggen. Deutschland will laut Ampelkoalition bis 2030 auf 200.000 MW installierter Solarkapazität kommen, das Dreifache des aktuellen Ausbaustands. Nordrhein-Westfalens CDU/FDP-Regierung will die installierte Leistung bis dahin vervierfachen, auf dann 24.000 MW.
Priggen betrachtet die Entwicklung mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Die Solarkraft hat in NRW 2021 der Windenergie erstmals den Rang abgelaufen. Ende des Jahres kam die Solaranlagen auf 6.600 MW installierter Leistung gegenüber 6.300 MW bei der Windenergie, wenngleich der Stromertrag der Windturbinen natürlich höher liegt. Dies liegt auch am stagnierenden Ausbau von Windturbinen, der erheblich schneller erfolgen müsse, um die ausgegebenen Klimaziele zu halten. „Wir müssen die Windenergie in Nordrhein-Westfalen endlich von den politisch gewollten Fesseln befreien“, so Priggen.
Dienstag, 8.03.2022, 15:56 Uhr
Volker Stephan
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