Quelle: Shutterstock / Blue Planet Studio
Ein Windkraftentwickler aus dem Münsterland schlägt Alarm. BBWind bangt um 130 neue Standorte, weil der zuständige Regionalrat Vorgaben der NRW-Landesregierung eigenwillig auslegt.
Nordrhein-Westfalen wollte gegenüber der Bundesregierung den Musterschüler geben. Schon 2025 − und damit sieben Jahre vor der von Berlin gesetzten Frist − soll im bevölkerungsreichsten Bundesland klar sein, wo künftig die Rotoren von Windenergieanlagen ihre Kreise ziehen können. Die ersten der insgesamt sechs Planungsregionen zeigen sich aber bockig.
So hat der zuständige Regionalrat bei der Bezirksregierung Münster eine eigenwillige Interpretation öffentlich gemacht, welche Flächen für künftige Windturbinen zur Verfügung stehen sollen. Dazu zählen auch Gebiete in unmittelbarer Nähe von Wohngebäuden, die gemäß Immissionsschutzrecht wegen optisch bedrängender Wirkung faktisch ausfallen (wir berichteten).
Projektentwickler aus Münster fürchtet um 130 Turbinenstandorte
Dadurch kommt der Zusammenschluss der Erneuerbaren-Branche, der Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW), durch eine eigens in Auftrag gegebene Studie auf nur noch 0,75 Prozent der Fläche des Münsterlands, die für Windkraft entwickelbar ist. Die Vorstellung der schwarz-grünen Landesregierung ist allerdings, dass die Region um die Domstadt Münster 2,13 Prozent ausweisen muss. „70 Prozent der ausgewiesenen Flächen sind für moderne Windenergieanlagen völlig ungeeignet“, sagt LEE-Geschäftsführer Christian Mildenberger.
Was Düsseldorf erwartet und was die Bezirksregierungen für den Landesentwicklungsplan rückmelden, passt offenbar nicht oder noch nicht übereinander. Das hat konkrete Auswirkungen: BBWind, ein traditionsreicher Windparkentwickler und Dienstleister für Projekte auf landwirtschaftlichen Flächen, sieht 130 geplante Anlagen mit einer Gesamtkapazität von 900 MW als „gefährdet“ an. Zur Verdeutlichung: Allein die 130 Turbinen von BBWind im Münsterland wären mehr als ein Zehntel des Ausbauziels, das Schwarz-Grün insgesamt für die laufende Legislaturperiode ausgegeben hat (1.000 Windenergieanlagen bis 2027).
Die ins Auge gefassten und teils in Planung befindlichen Standorte, schreibt das Münsteraner Unternehmen in seiner Stellungnahme zum Regionalplan-Entwurf (RPE) der Bezirksregierung, „finden im RPE keine ausreichende Berücksichtigung“. BBWind erkennt einen groben Fehler im Zusammenspiel von Landesebene und Regierungsbezirken bei der Ausweisung von Windkraftflächen: Die Regionalräte hätten ihre Flächenvorstellungen festgelegt, bevor das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) im Mai 2023 seine eigene Flächenanalyse vorgelegt hat.
Diese Kritik teilt auch der LEE NRW, dessen Vorsitzender Hans-Josef Vogel jüngst die Bezirksregierungen Münster und Arnsberg ermahnte, es zählten „einzig und allein geeignete Flächen, auf den moderne Windenergieanlagen geplant und errichtet werden können“. BBWind fordert entsprechend, dass die "landeseigene Potenzialflächenanalyse in den Regionalplanungen berücksichtigt werden sollte“. Das LANUV komme mit seinen Kriterien, die sich an der Genehmigungswirklichkeit „objektiv und fachlich sehr gut nachvollziehbar“ orientiert, sogar auf 3,13 Prozent der Münsterlandfläche, die für Windkraft zur Verfügung steht.
FDP-Regierungspräsident kritisiert Forderungen der Branche
Zu dem offenkundigen Widerspruch und der Kritik hat Münsters Regierungspräsident sich deutlich positioniert. Es sei „nicht Aufgabe der Regionalplanung, die Goldgräberstimmung unter Investoren zu bedienen“, sagte Andreas Bothe (FDP) auf der Sitzung des Regionalrats Münsterlands am 25. September. Wer jetzt den Bogen überspanne und den großen Konsens mit den Bürgerinnen und Bürgern gefährde, erweise dem guten Anliegen einen Bärendienst, den Kommunen und den Menschen gute Möglichkeiten zur Wertschöpfung in der Region zu erhalten.
BBWind sieht das fundamental anders. Mit den 130 durch die Regionalplanung gefährdeten Standorten stünden mögliche Gesamtinvestitionen von 1,3 Milliarden Euro und eine regionale Wertschöpfung von 4 Milliarden Euro auf der Kippe.
Der LEE NRW hofft derweil auf Kurskorrekturen in den abschließenden Beratungen zum Regionalplan-Entwurf. Ob es noch möglich ist, die laut Verband „ungeeigneten Scheinflächen“ durch taugliche zu ersetzen, ist offen. Druck aus Düsseldorf wäre eine Möglichkeit. Allerdings stellt sich gerade die Frage, ob der lange Arm von Schwarz-Grün überhaupt bis in die Regionen durchreicht.
In den Regionalräten haben Mitglieder Stimmrecht, die gemäß der jüngsten Kommunalwahl von 2020 in die Gremien eingerückt sind. CDU und Grüne verfügen in den Regionalräten von Münster und Arnsberg über eine rechnerische Mehrheit, sie könnten also die Vorstellungen der identischen Farbkonstellation aus Düsseldorf relativ einfach in die Regionalplanung übernehmen. Dass sie es aktuell nicht tun, spricht Bände. Regionalpläne werden in der Regel alle fünf Jahre überarbeitet. Haben die aktuellen Planungen Bestand, wäre der nächste Termin 2028. Dann kann Schwarz-Grün am Rhein bereits Geschichte sein.
Freitag, 29.09.2023, 09:30 Uhr
Volker Stephan
© 2024 Energie & Management GmbH