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Zum Ende des begonnenen Jahrzehnts muss auch die Industriewende gewaltige Fortschritte gemacht haben. Anders seien die Pariser Klimaziele nicht einzuhalten, mahnt das Fraunhofer ISI.
Die Mammutaufgabe der Energiewende wird immer transparenter. Mit dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (Fraunhofer ISI) hat eine an der jüngst veröffentlichten Ariadne-Studie beteiligte Einrichtung nun die Wege für eine klimafreundliche Industrieproduktion konkretisiert.
Ziel sei es, so die Forschenden des Fraunhofer ISI um Andrea Herbst, CO2-neutrale Verfahren aus dem Erprobungsstadium auf industrielles Niveau zu heben und dabei Wirtschaftlichkeit zu erreichen. Dabei sei der Zeithorizont bis 2030 entscheidend, so das Institut. Herbst, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Competence Center Energietechnologien und Energiesysteme am Fraunhofer ISI, hält einen nahezu klimaneutralen Industriesektor im Jahr 2045 für möglich. Dies sei aber mit sehr hohen Anstrengungen verbunden.
Ein Fünftel des Rohstahls klimaneutral erzeugen
Die Rohstahlproduktion zum Beispiel erfordert neben Zementklinkern, Olefinen, Ammoniak und Methanol besonders großen Energieeinsatz bei entsprechend hohen Emissionen. Gegenüber 1990 sind die Klimagase im gesamten Industriesektor um 57 % zu senken, um den angepeilten Wert von absolut 118 Mio. Tonnen zu erreichen (2018: 190 Mio. Tonnen).
Die Wasserstoff-Direktreduktion verspricht bei Rohstahl die Wende zur Klimaneutralität. Der Hochlauf mit entsprechenden Anlagen wird für die Jahre 2025 bis 2030 erwartet. Dann könnte ein Fünftel der heute produzierten Stahlmenge nahezu CO2-neutral erfolgen. Parallel solle die Direktreduktion über Erdgas den Transformationsprozess flankieren, so das Karlsruher Institut.
Auch die Prozesswärme in der Industrie müsse sich von Kohle und Erdgas lösen, wodurch 2018 immerhin zwei Drittel der industriellen CO2-Freisetzung entstanden. Gemäß Ariadne-Studie lassen sich bis 2030 bis zu 30 Mio. Tonnen Treibhausgas-Äquivalente einsparen. Anzustreben seien eine bessere Energie- und Materialeffizienz, eine stärkere Kreislaufwirtschaft sowie der Einsatz und das Speichern von CO2 beim Herstellen von Zement und Kalk.
Politik muss "deutlich" über die bisherige Maßnahmen hinausgehen
Andrea Herbst lenkt den Blick ferner auf die Modernisierung vieler Anlagen der Chemie- und Primärstahlindustrie in der Zeit zwischen 2030 und 2035. Der Wechsel auf CO2-neutrale Sekundärenergieträger wie Strom, Wasserstoff und synthetisches Methan sei teuer. Die Wissenschaftlerin fordert "eine klare Perspektive für den wirtschaftlichen Betrieb von CO2-neutralen Verfahren. Dies muss begleitet werden von einer Erweiterung des regulatorischen Rahmens, welche deutlich über die derzeit implementierten und beschlossenen Maßnahmen hinausgeht."
Nicht zuletzt sind laut Ariadne-Szenario große Mengen erneuerbaren Stroms und Wasserstoff Grundlage für die Industriewende. Die Industrie benötige je nach Technologie-Schwerpunkt mit 413 TWh im Jahr 2045 fast doppelt so viel Ökostrom wie aktuell (226 TWh). Beim Umbau zur Wasserstoff-Versorgung seien 2045 bis zu 342 TWh grüner Wasserstoff nötig. Synthetisches Methan müsse mit einer Menge von bis zu 347 TWh verfügbar sein. Laut Studie sei beim Aufbau von Infrastruktur für Transport und Erzeugung zu berücksichtigen, dass die Industrie bereits bis 2030 signifikante Mengen dieser klimaneutralen Sekundärenergieträger benötige.
Dienstag, 26.10.2021, 16:13 Uhr
Volker Stephan
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