Quelle: E&M / Harmsen
Das Bundeswirtschaftsministerium hat ein neues Strommarktsystem entworfen, das besser auf die volatile Erzeugung aus erneuerbaren Anlagen reagiert. Die Branche reagiert gemischt.
Am 2. August hatte das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) seinen Entwurf für ein neues Strommarktsystem vorgestellt. Es basiert auf Vorschlägen aus der Plattform Klimaneutrales Stromsystem (PKNS), in der 2023 Unternehmen und Wissenschaft ihre Expertise einbrachten. Inzwischen hatten die Verbände Zeit für erste Reaktionen, die teilweise kritisch ausfallen und zugleich eine schnelle Umsetzung anmahnen.
Um künftig besser auf die schwankende Stromerzeugung aus Erneuerbaren-Anlagen zu reagieren, schlägt das BMWK-Papier vier Maßnahmen vor:
- einen Kapazitätsmarkt für Speicher und flexible Backup-Kraftwerke
- Netzentgeltrabatte, um den flexiblen Verbrauch passend zur Erzeugung anzureizen
- der Bau von Erneuerbaren-Anlagen soll durch Investitionszuschüsse statt Einspeisevergütung gefördert werden
- das Stromnetz muss weiter ausgebaut und digitalisiert werden
Kapazitäten für Speicher und neue Kraftwerke vernetzenDer Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) befürchtet zu große Komplexität, weil der Kapazitätsmarkt sowohl zentral wie lokal organisiert werden soll. „Der Aufwand als auch die Komplexität müssen in überschaubarem Rahmen gehalten werden“, forderte Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae. Ein Kapazitätsmarkt aus zentralen und dezentralen Elementen müsse nun schnell in die Umsetzung gehen, und der vom BMWK anvisierte Zeitplan eingehalten werden, damit Energieunternehmen die nötigen Investitionsentscheidungen treffen können.
Da Kraftwerksstrategie und Kapazitätsmechanismus eng zusammenspielen, solle das BMWK konkrete Vorschläge für die Ausgestaltung eines Kapazitätsmarkts mit dem Beginn der Ausschreibungen im Rahmen des Kraftwerkssicherheitsgesetzes vorlegen, mahnte Andreae: „Diese müssen die vielfältige Erzeugungslandschaft, die insbesondere auch KWK-Anlagen umfasst, berücksichtigen und aufzeigen, wie Bestandsanlagen in den neuen Markt integriert werden sollen.“
Positiv sei, dass das BMWK den Netzausbau nach wie vor als zentrales Instrument als Lösung für die strukturellen Herausforderungen im deutschen Stromsystem sieht. „Eine angedachte Umstellung des Fördermechanismus für erneuerbare Energien erfordert einen intensiven und ausführlichen Dialog seitens des BMWK mit der Branche“, forderte Andreae. Unsichere Rahmenbedingungen würden zu einem Einbruch des Ausbaus Erneuerbarer-Energien-Anlagen führen, warnte sie.
VKU gegen SpitzenpreishedgingVKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing begrüßte das klare Bekenntnis des BMWK zur Beibehaltung der einheitlichen deutsch-luxemburgischen Stromgebotszone. Eine große, einheitliche Gebotszone mit vielen Marktteilnehmern sorgt für hohe Liquidität im Stromhandel, die jeweils die kostengünstigsten Erzeugungstechnologien zum Zuge kommen lasse. Der VKU unterstützt auch die Kombination zentraler und dezentraler Elemente zur Kapazitätssicherung.
„Die Option eines Kapazitätsabsicherungsmechanismus durch Spitzenpreishedging – Modell eines ‚Strommarkt Plus‘ – bleibt aus unserer Sicht ungeeignet, um diese Ziele zu erreichen“, kritisierte Liebing zugleich. Positiv sei, dass das Ministerium Anreize entwickeln will, um die regionalen Netzengpässe stärker zu berücksichtigen. Auch eine flexibilitätsfördernde Netzentgeltsystematik und die Reform individueller Netzentgelte für die Industrie finde die Unterstützung des VKU. Allerdings müssten die hohen Investitionen am Strommarkt zurückzuverdienen sein, mahnte der Verband.
Übertragungsnetzbetreiber favorisiert zentralen KapazitätsmarktAuch der Übertragungsnetzbetreiber Transnet BW unterstützt die Vorschläge des BMWK, fordert aber eine zentrale Verantwortung. Werner Götz, Vorsitzender der Geschäftsführung, sagte: „Von den vorgestellten Optionen favorisiere ich ganz klar den zentralen Kapazitätsmarkt, der unbedingt um eine lokale Komponente ergänzt werden muss.“ Die lokale Komponente stelle sicher, dass Investitionsanreize dort entstehen, wo sie sinnvoll im Netz verortet sind. „Ein anzustrebendes allgemeines Sicherheitsniveau muss zentral festgelegt werden“, forderte Götz.
Energieanlagenbau sieht noch viele FragezeichenDennis Rendschmidt, Geschäftsführer von VDMA Power Systems, kritisiert, dass das Optionenpapier an vielen Stellen keine klare Weichenstellung vornimmt. Er nennt das vom BMWK favorisierte Modell für gesicherte Leistung zu kompliziert. „Benötigt wird ein pragmatischer Ansatz, der nicht jeden Eventualfall abzudecken versucht, sondern vor allem das wichtige Ziel – die Versorgungssicherheit – in den Mittelpunkt rückt“, sagte Rendschmidt.
Auch er fordert, das Kraftwerkssicherheitsgesetz (KWSG) schnellstmöglich auf den Tisch zu legen, um die erforderliche Kompatibilität zum Kapazitätsmechanismus sicherzustellen und Investitionen anzureizen. „Der zukünftige Investitionsrahmen für erneuerbare Energien muss so ausgestaltet sein, dass der Zubau endlich auf den politischen Zielpfad einschwenken kann und nicht abreißt“, mahnte der Vertreter des Energieanlagenbaus.
Die Vorschläge des
BMWK zum neuen Strommarktdesign stehen im Internet bereit.
Montag, 5.08.2024, 11:34 Uhr
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