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Soll Wasserstoff zunächst wenigen Sektoren zur Verfügung stehen, die schwer zu elektrifizieren sind? Die Diskussion dazu läuft – und sie wird durch einen neuen Branchen-Dialog befeuert.
Seit mehr als einem Jahr diskutieren Interessenträger auf Einladung von Deutscher Akademie der Technikwissenschaften ("acatech") und Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie ("DECHEMA") die Rahmenbedingungen für den Wasserstoff-Hochlauf. Jetzt zeichnet ein Synthese-Papier die aktuellen Erkenntnisse nach.
Die Wünsche und Erwartungen an die Wasserstoff-Roadmap, die die Bundesregierung mit den Beteiligten etablieren will, sind ebenso vielfältig wie die Diskutierenden selbst. Am "Stakeholder-Dialog" beteiligen sich seit Herbst 2021 Fachleute aus Wirtschaft, Wissenschaft, organisierter Zivilgesellschaft und öffentlicher Verwaltung in Umfragen, Workshops oder Konferenzen. "Grundlegende Fragen des Markthochlaufs sind noch offen", sagt Jasper Eitze, Co-Projektleiter auf Seiten von Acatech.
Zuerst der Stahlsektor und dann lange nichts?Es gibt zum Beispiel sehr unterschiedliche Ansichten darüber, ob Wasserstoff in der ersten Phase des Hochlaufs nur in bestimmten Bereichen zur Anwendung kommen soll. Etwa im Stahlsektor, dessen vollumfängliche Elektrifizierung kaum denkbar erscheint. Entsprechend diskutierten die Teilnehmenden sehr kontrovers, ob die Verteilung von Wasserstoff und seinen Derivaten dem freien Markt überlassen oder staatlich gelenkt werden solle.
Auseinander gingen die Meinungen auch darüber, ob der zu setzende regulatorische Rahmen auch die CO2-arme Herstellung von Wasserstoff und seiner Derivate unterstützen solle. Viele sehen dies nur im Zusammenhang mit grünem, also erneuerbarem Wasserstoff. Die Tendenz, so fassen die Acatech und Dechema ihr Papier zusammen, gehe hier zu einer befristeten Unterstützung auch der CO2-armen Wasserstofferzeugung.
Weitgehend einig zeigten die Stakeholder sich in der Frage der Planungs- und Investitionssicherheit. Hier sollten Regeln für Klarheit sorgen und dazu führen, dass die Kosten auf Angebots- und Nachfrageseite perspektivisch sinken. Ein weiterer Punkt, der unstrittig war, betrifft die Beteiligung der Öffentlichkeit. Die Bundesregierung solle "sofort, fundiert und umfänglich" über den Hochlauf informieren, die Bevölkerung an der Planung beteiligen und damit für die erforderliche Akzeptanz der Projekte sorgen.
Wasserstoff taugt als knappes Gut zum MachtinstrumentAuch rückte der Dialog den Blick von der praktischen auf die abstrakte Ebene der internationalen Politik. In Fragen des Imports und der Nachhaltigkeit zeichnete der Diskurs ein einheitliches Bild: Wasserstoffimporte seien unabdingbar, darüber hinaus seien ökologische und partizipatorische Prinzipien in den jeweiligen Exportländern Beachtung finden.
Die Fachleute gehen davon aus, dass die Ausgestaltung des globalen Wasserstoffmarkts ähnlichen Logiken wie in anderen Bereichen der internationalen Energiepolitik folgen werde. So sei davon auszugehen, dass Wasserstoff als knappes Gut als politisches (Macht-) Instrument eingesetzt werde. Darauf gelte es, sich vorzubereiten. Kein Konsens war allerdings darüber herzustellen, wie und unter welchen Voraussetzungen Importe im internationalen Umfeld überhaupt realisiert werden sollten und könnten.
Der "Wasserstoff-Kompass" erhält Unterstützung aus den Bundesministerien für Bildung und Forschung sowie für Wirtschaft und Klimaschutz. Alle Ergebnisse sollen im Herbst 2023 gebündelt vorliegen und in einem Online-Tool zur Verfügung stehen. Die beiden Akademien hoffen, dass ihre Ergebnisse – wie die anderer Akteure – Eingang in die Wasserstoff-Roadmap der Bundesregierung finden.
Das Synthese-Papier
"Wasserstoff-Kompass – Ergebnisse des Stakeholder-Dialogs" haben Acatech und Dechema als PDF ins Internet gestellt.
Dienstag, 2.05.2023, 16:44 Uhr
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