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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - RechtEck: Ein Emissionshandel kommt selten allein
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung

RechtEck: Ein Emissionshandel kommt selten allein

Was der Liedermacher Reinhard Mey und der Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten gemeinsam haben, dazu hat sich Ines Zenke* ihre Gedanken gemacht.
Kennen Sie das auch, dieses Lied von Reinhard Mey? „Der Wecker fiept, halb sieben, Unheil nimm deinen Lauf …“, das mit dieser eingängigen Zeile im Refrain: „Aller guten Dinge sind drei“.

Mir ist gerade beim friedlichen Schreiben einer juristischen Kommentierung zum Emissionshandel eines klar geworden. Das ist ganz universelles Liedgut, das Reinhard Mey hier komponiert hat. Wegweisend auch für den Emissionshandel, den − Sie erinnern sich vielleicht an einen meiner früheren Beiträge − sowieso keiner in Gänze versteht, der nicht bereits tot oder verrückt ist. Na ja. Jedenfalls haben wir bald drei davon. Ja wirklich. Drei ganz eigene Emissionshandelssysteme, mit unterschiedlichen Verfassern, unterschiedlichen Adressaten, Regeln und Reichweiten. Wenn das der Reinhard Mey mal nicht vorhergesehen hat, dass es so kommt.

System Nummer 1

Das erste System, das europäische EU-ETS, kennen wir ja schon seit dem Jahr 2005. Es hat uns bislang gut beschäftigt, insbesondere auch deswegen, weil sich die Spielregeln der Zuteilung in jeder der bisher vier Handelsperioden ziemlich grundlegend änderten. Der Mensch soll sich ja lebenslang weiterbilden und das kann er selbst für die jetzt laufende vierte Handelsperiode tun, die mit einer Laufzeit von immerhin zehn Jahren bis 2030 doch eine gewisse Konstanz versprach. Ist zu lang, entschied die Europäische Kommission und legte uns (nach Green Deal und Fit-for-55-Paket eigentlich erwartbar) zur Periodenmitte neue Regeln und ein neues Antragsverfahren hin. Das kommt im Frühling auf Sie zu − ein Grund für Sie, sich schnellstens einen Verifizierer zu sichern.

System Nummer 2

Nicht neu ist auch das zweite System des Emissionshandels, das Deutschland als den nationalen Emissionshandel (nEHS) unter dem Stichwort Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) eingeführt hatte. Durchaus spielerisch, finde ich, denn das gerade erwähnte EU-ETS wurde in Deutschland ja mit dem Treibhausgasemissionshandelsgesetz (TEHG) etabliert. Anders jedenfalls als das TEHG, das sich an große ortsfeste Verbrenner wendet und bestimmte Industrieanlagen erfasst, hat das BEHG die Inverkehrbringer von Brennstoffen im Visier. Es geht um die Sektoren Gebäude und Straßenverkehr.

​System Nummer 3

Ähnlich geht auch das dritte System vor, das sogenannte EU-ETS II, das wiederum Europa für uns vorbereitet hat. Auch dieses erfasst Inverkehrbringer von Brennstoffen und die Sektoren Gebäude und Straßenverkehr. Die vorbereitenden Berichtspflichten beginnen ab 2025, die Datenerhebung dafür schon 2024. 2027 beginnen im EU-ETS II auch die Abgabepflichten. Und weil die Mey’sche „Aller guten Dinge sind drei“-Formel unbedingte Gültigkeit beansprucht, wird das EU-ETS II den nationalen Emissionshandel nEHS auch nicht komplett ersetzen. Die Anwendungsbereiche überschneiden sich am Ende nur teilweise. Für die thermische Abfallverwertung zum Beispiel lese ich das so, dass diese zwar im nEHS, nicht aber im EU-ETS I oder im EU-ETS II ist. Jedenfalls grundsätzlich nicht …

Steuerrecht, Auswandern oder Frühstrente keine Alternative

Eine gewisse Gefahr für den soeben beschriebenen Dreiklang scheint vom Artikel 30i der das EU-ETS II etablierenden Richtlinie auszugehen. Nach diesem prüft die Europäische Kommission bis zum 31. Oktober 2031, ob eine Integration des EU-ETS II in das EU-ETS I möglich ist. Aber wer glaubt denn schon ernsthaft daran, dass Regeln oder gleich ganze Systeme wieder abgeschafft werden? Reinhard Mey jedenfalls nicht, wenn man auf die weiteren Titel des genialen Musikers schaut: „Der Mörder ist immer der Gärtner“, „Gute Nacht, Freunde“, „Wie vor Jahr und Tag“ und „Über den Wolken“. Das sagt doch nun wirklich alles!

EU-ETS I, EU-ETS II, nEHS. Nach dem Lesen vieler Hundert Seiten diverser angezettelter Gerichtsverfahren und verschiedener eigener Texte zum Emissionshandel fühle ich die Liedzeile „Ich schlepp’ mich ins Bett, die Füße schwer wie Blei“. Aber da Steuerrecht, Auswandern oder Frühstrente auch keine Alternative sind − vielleicht stimmt’s ja am Ende doch, was der Mey da sagt: „Nein, es bleibt dabei. Aller guten Dinge sind drei.“ Denn, ja, es könnten auch vier sein.

* Ines Zenke, Rechtsanwältin, Becker Büttner Held, Berlin

Mittwoch, 24.04.2024, 08:50 Uhr
Stefan Sagmeister
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RechtEck: Ein Emissionshandel kommt selten allein
Was der Liedermacher Reinhard Mey und der Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten gemeinsam haben, dazu hat sich Ines Zenke* ihre Gedanken gemacht.
Kennen Sie das auch, dieses Lied von Reinhard Mey? „Der Wecker fiept, halb sieben, Unheil nimm deinen Lauf …“, das mit dieser eingängigen Zeile im Refrain: „Aller guten Dinge sind drei“.

Mir ist gerade beim friedlichen Schreiben einer juristischen Kommentierung zum Emissionshandel eines klar geworden. Das ist ganz universelles Liedgut, das Reinhard Mey hier komponiert hat. Wegweisend auch für den Emissionshandel, den − Sie erinnern sich vielleicht an einen meiner früheren Beiträge − sowieso keiner in Gänze versteht, der nicht bereits tot oder verrückt ist. Na ja. Jedenfalls haben wir bald drei davon. Ja wirklich. Drei ganz eigene Emissionshandelssysteme, mit unterschiedlichen Verfassern, unterschiedlichen Adressaten, Regeln und Reichweiten. Wenn das der Reinhard Mey mal nicht vorhergesehen hat, dass es so kommt.

System Nummer 1

Das erste System, das europäische EU-ETS, kennen wir ja schon seit dem Jahr 2005. Es hat uns bislang gut beschäftigt, insbesondere auch deswegen, weil sich die Spielregeln der Zuteilung in jeder der bisher vier Handelsperioden ziemlich grundlegend änderten. Der Mensch soll sich ja lebenslang weiterbilden und das kann er selbst für die jetzt laufende vierte Handelsperiode tun, die mit einer Laufzeit von immerhin zehn Jahren bis 2030 doch eine gewisse Konstanz versprach. Ist zu lang, entschied die Europäische Kommission und legte uns (nach Green Deal und Fit-for-55-Paket eigentlich erwartbar) zur Periodenmitte neue Regeln und ein neues Antragsverfahren hin. Das kommt im Frühling auf Sie zu − ein Grund für Sie, sich schnellstens einen Verifizierer zu sichern.

System Nummer 2

Nicht neu ist auch das zweite System des Emissionshandels, das Deutschland als den nationalen Emissionshandel (nEHS) unter dem Stichwort Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) eingeführt hatte. Durchaus spielerisch, finde ich, denn das gerade erwähnte EU-ETS wurde in Deutschland ja mit dem Treibhausgasemissionshandelsgesetz (TEHG) etabliert. Anders jedenfalls als das TEHG, das sich an große ortsfeste Verbrenner wendet und bestimmte Industrieanlagen erfasst, hat das BEHG die Inverkehrbringer von Brennstoffen im Visier. Es geht um die Sektoren Gebäude und Straßenverkehr.

​System Nummer 3

Ähnlich geht auch das dritte System vor, das sogenannte EU-ETS II, das wiederum Europa für uns vorbereitet hat. Auch dieses erfasst Inverkehrbringer von Brennstoffen und die Sektoren Gebäude und Straßenverkehr. Die vorbereitenden Berichtspflichten beginnen ab 2025, die Datenerhebung dafür schon 2024. 2027 beginnen im EU-ETS II auch die Abgabepflichten. Und weil die Mey’sche „Aller guten Dinge sind drei“-Formel unbedingte Gültigkeit beansprucht, wird das EU-ETS II den nationalen Emissionshandel nEHS auch nicht komplett ersetzen. Die Anwendungsbereiche überschneiden sich am Ende nur teilweise. Für die thermische Abfallverwertung zum Beispiel lese ich das so, dass diese zwar im nEHS, nicht aber im EU-ETS I oder im EU-ETS II ist. Jedenfalls grundsätzlich nicht …

Steuerrecht, Auswandern oder Frühstrente keine Alternative

Eine gewisse Gefahr für den soeben beschriebenen Dreiklang scheint vom Artikel 30i der das EU-ETS II etablierenden Richtlinie auszugehen. Nach diesem prüft die Europäische Kommission bis zum 31. Oktober 2031, ob eine Integration des EU-ETS II in das EU-ETS I möglich ist. Aber wer glaubt denn schon ernsthaft daran, dass Regeln oder gleich ganze Systeme wieder abgeschafft werden? Reinhard Mey jedenfalls nicht, wenn man auf die weiteren Titel des genialen Musikers schaut: „Der Mörder ist immer der Gärtner“, „Gute Nacht, Freunde“, „Wie vor Jahr und Tag“ und „Über den Wolken“. Das sagt doch nun wirklich alles!

EU-ETS I, EU-ETS II, nEHS. Nach dem Lesen vieler Hundert Seiten diverser angezettelter Gerichtsverfahren und verschiedener eigener Texte zum Emissionshandel fühle ich die Liedzeile „Ich schlepp’ mich ins Bett, die Füße schwer wie Blei“. Aber da Steuerrecht, Auswandern oder Frühstrente auch keine Alternative sind − vielleicht stimmt’s ja am Ende doch, was der Mey da sagt: „Nein, es bleibt dabei. Aller guten Dinge sind drei.“ Denn, ja, es könnten auch vier sein.

* Ines Zenke, Rechtsanwältin, Becker Büttner Held, Berlin

Mittwoch, 24.04.2024, 08:50 Uhr
Stefan Sagmeister

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