Quelle: E&M
Wärmenetzbetreiber sehen sich mit dem Wärmeplanungsgesetz großen Herausforderungen ausgesetzt, über die Ulf Jacobshagen und Barbara von Gayling-Westphal* berichten.
Die in ihre Wärmenetze gespeiste Nettowärmeerzeugung muss in sechs Jahren zu mindestens 30 Prozent und in weiteren zehn Jahren zu mindestens 80 Prozent aus erneuerbaren Energien, unvermeidbarer Abwärme oder einer Kombination bestehen. Diese Pflichten werden von den Vorschriften zur verbindlichen Wärmeplanung für die Länder flankiert.
In Baden-Württemberg, wo die kommunale Wärmeplanung schon früher eingeführt wurde, zeigt sich in bereits abgeschlossenen Wärmeplänen: Viel Potenzial steckt insbesondere in der Solarthermie sowie in der tiefen und oberflächennahen Geothermie, also in Technologien, deren Realisierung im bebauten Innenbereich von Städten und Gemeinden mitunter schwierig werden kann. Das Wärmeplanungsgesetz, das zum 1. Januar in Kraft getreten ist, enthält dabei aber nicht nur Herausforderungen für Wärmenetzbetreiber, Länder und Kommunen, sondern auch eine entscheidende Erleichterung. Aber Schritt für Schritt.
Der Außenbereich kommt zum Zug
Zur Realisierung der Wärmewende wird es unvermeidbar sein, Randgebiete von Städten und Gemeinden für die notwendige Wärmeerzeugung aus Erneuerbaren vermehrt zu nutzen. Denn einerseits wird es im Stadtgebiet häufig an Flächen und der rechtlichen wie technischen Umsetzbarkeit von Anlagen fehlen, andererseits ist es zwingend, die Wärme verbrauchsnah zu erzeugen, um Wärmeverluste zu vermeiden. Unbebaute und meist der landwirtschaftlichen Nutzung dienende Flächen im Randgebiet stellen bauplanungsrechtlich in der Regel den Außenbereich dar. Der Grundsatz heißt hier jedoch: Der Außenbereich ist zu schonen und kann erst dann bebaut werden, wenn hierfür ein Bebauungsplan vorliegt. Vorher werden Baugenehmigungen für Vorhaben im Außenbereich in der Regel nicht erteilt.
Für Wärmeerzeugungsanlagen aus erneuerbaren Energien kann dies jedoch anders aussehen. Sofern für ihre Realisierung im Außenbereich eine zwingende Ortsgebundenheit besteht, kann mitunter auf den zeitaufwendigen Erlass eines Bebauungsplans verzichtet werden. Denn dann handelt es sich um ein privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB, das im Außenbereich auch ohne Bebauungsplan zulässig sein kann.
Eine Ortsgebundenheit besteht in der Regel dann, wenn sich das Vorhaben nicht beliebig anderswo im Außenbereich herstellen lässt. Die Rechtsprechung ist hierzu bisher noch sehr übersichtlich; das Verwaltungsgericht Karlsruhe hatte die Ortsgebundenheit einer Geothermieanlage aber aufgrund seiner „besonderen geologischen und tektonischen Anforderungen, die die Standortwahl begrenzen“, anerkannt mit der Folge, dass das Vorhaben mitsamt Betriebsgebäude, Pumpenhalle und Trafostation im Außenbereich ohne Bebauungsplan genehmigt werden konnte.
Für Mobilfunksendeanlagen ist die Rechtsprechung sogar noch einen Schritt weiter gegangen und hält eine bloße „Raum- oder Gebietsgebundenheit“ für ausreichend. Dies wird damit begründet, dass Mobilfunksendeanlagen keiner Bindung an einen konkreten Standort unterliegen, in einem bestimmten Gebiet aber zur Verbesserung des Telekommunikationsangebots etwa durch Schließung einer Versorgungslücke notwendig sein können. Dasselbe dürfte für die Wärmeversorgung gelten; auch hier besteht die Bindung an ein Wärmenetzgebiet und das Erfordernis, in räumlicher Nähe hierzu zu erzeugen und einzuspeisen. Sofern eine Wärmeerzeugungsanlage also aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen im Innenbereich nicht realisiert und nur an bestimmten Standorten im Außenbereich errichtet werden kann, ist von einer Orts- beziehungsweise Gebietsgebundenheit auszugehen.
Vorrang der Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien
Damit ein grundsätzlich privilegiertes Vorhaben bauplanungsrechtlich auch zulässig ist, dürfen ihm darüber hinaus keine öffentlichen Belange entgegenstehen. Ob dies der Fall ist, hängt davon ab, ob öffentliche Belange durch das Vorhaben beeinträchtigt werden und ihre Beeinträchtigung schwerer zu gewichten ist als die mit dem Bauvorhaben verfolgten Ziele.
So standen der Realisierung von Vorhaben zur Wärmeerzeugung im Außenbereich in der Vergangenheit oft die Verunstaltung des Landschaftsbilds oder von ihnen ausgehende schädliche Umwelteinwirkungen (etwa durch Reflexionen) entgegen. Dies dürfte seit Inkrafttreten des Wärmeplanungsgesetzes aber nunmehr Geschichte sein.
Denn der Gesetzgeber hat grundlegend bestimmt: Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen zur Erzeugung von Wärme aus erneuerbaren Energien, die in ein Wärmenetz gespeist wird, liegen im überragenden öffentlichen Interesse (§ 2 Abs. 3 WPG). Entsprechende Anlagen sollen als vorrangiger Belang in Schutzgüterabwägungen eingebracht werden. Dies bedeutet, dass einem Wärmeerzeugungsvorhaben im Außenbereich nur dann öffentliche Belange entgegenstehen, wenn besondere, atypische Umstände vorliegen.
Die Darlegungs- und Begründungslast für Behörden und Gerichte ist insoweit hoch. Im Regelfall überwiegen Wärmeerzeugungsanlagen somit beeinträchtigenden Belangen des Landschaftsbilds, Denkmalschutzes oder im Forst-, Immissionsschutz-, Naturschutz-, Bau- oder Straßenrecht. Wärmeerzeugungsanlagen aus erneuerbaren Energien haben damit grundsätzlich Vorrang.
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit einer Wärmeerzeugungsanlage im Außenbereich ohne Bebauungsplan heißt jedoch nicht zwingend, dass dieser Weg vom Vorhabenträger auch beschritten werden sollte. Je nach Größe und Bedeutung der Anlage können die von der Baubehörde vorzunehmenden Abstimmungen mit anderen Fachbehörden mitunter ebenso zeitaufwendig sein wie der Erlass eines (vorhabenbezogenen) Bebauungsplans. Auch sollte das öffentliche Meinungsbild berücksichtigt werden. Ein Bebauungsplanverfahren kann größere Akzeptanz für ein Bauvorhaben schaffen als eine bloße Baugenehmigung, die ohne Beteiligung der Öffentlichkeit ergeht. Zudem vermittelt ein Bebauungsplan als Satzung einen größeren Rechtsschutz.
Ist jedoch von der Kooperationsbereitschaft der Behörden, vom politischen Willen und von wenig Konfliktpotenzial auszugehen, so sollte der Weg ohne einen Bebauungsplan mit den zuständigen Stellen besprochen werden. Im Rahmen eines Bauvorbescheids kann die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit dann geprüft und rechtssicher geklärt werden.
* Barbara von Gayling-Westphal und Ulf Jacobshagen, Rechtsanwälte, Becker Büttner Held, Berlin
Freitag, 22.03.2024, 08:49 Uhr
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