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98 Prozent der österreichischen Gasimporte kamen im Dezember 2023 aus Russland. Energieministerin Gewessler will das änderen – mit fraglichen Aussichten.
Drei Initiativen zur Verringerung der Importe von russischem Erdgas nach Österreich präsentierte Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) am 12.
Februar. Ihr zufolge erreichten diese Importe im Dezember 2023 einen „Rekordwert“ von rund 98
Prozent. Dies sei „untragbar.“
Erstens erarbeitet ihr Ministerium (BMK) daher in den kommenden Wochen eine Novelle zum Gaswirtschaftsgesetz (GWG). Diese soll die in Österreich tätigen Gaslieferanten verpflichten, Verträge über den Bezug von Gas aus anderen Ländern als Russland zu schließen, die ausreichen, um alle ihre Kunden zu versorgen. Nicht vorgesehen sind finanzielle Absicherungen der notwendigen, mutmaßlich milliardenteuren, Maßnahmen durch den Staat, beschied Gewessler auf Nachfrage der Redaktion.
Der zu 31,5
Prozent im Besitz der Republik Österreich befindliche Öl-, Erdgas- und Chemiekonzern OMV sei in dieser Hinsicht bereits tätig geworden und könne seine Kunden nach eigenen Angaben notfalls ohne russisches Gas vollständig versorgen. Nun würden auch die anderen Lieferanten in die Pflicht genommen: Sie seien ebenfalls zumindest teilweise im Besitz der öffentlichen Hand müssten ihre „unternehmerische Verantwortung“ wahrnehmen. Überdies werden die Versorger mit der GWG-Novelle gezwungen, den Anteil an „nicht-russischem“ Erdgas an ihren Liefermengen sukzessive zu erhöhen. Welcher Anteil bis wann zu erreichen ist, steht laut Gewessler noch nicht fest.
Gewesslers zweite Initiative ist eine Beauftragung des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) mit der Prüfung volkswirtschaftlicher Risiken eines allfälligen Ausstiegs der OMV aus ihren bis 2040 laufenden Lieferverträgen der OMV mit dem russischen Gaskonzern Gazprom. Prüfen soll das Wifo ferner die „Gefahren einer längeren Abhängigkeit“ von diesen Verträgen. Die Frage der Redaktion, ob sie, Gewessler, willens sei, einen Bruch der Verträge mit Gazprom zu riskieren, beantwortete Gewessler nicht. Mehrfach sprach die Ministerin in diesem Zusammenhang von „Knebelverträgen“, deren Verlängerung im Jahr 2018 durch den damaligen OMV-Generaldirektor Rainer Seele „ein Fehler“ gewesen sei.
Die dritte Initiative Gewesslers besteht im Anstreben eines raschen Beschlusses der geplanten österreichischen Sicherheitsstrategie. Diese müsse „die Sicherheitspolitik auf stabile Beine stellen – von militärischen Aspekten bis zur Energieversorgung.“ Einmal mehr unterstellte Gewessler Russland, „seine Energieexporte gezielt als Waffe“ einzusetzen.
Etliche FragezeichenAllerdings sind die Initiativen mit etlichen Fragezeichen behaftet. Muss die Novelle zum Gaswirtschaftsgesetz erst ausgearbeitet werden, ist ihr Beschluss vor der Parlamentswahl im September alles andere als sicher. Dies gilt umso mehr, als die Bundesregierung aus Konservativen (Österreichische Volkspartei, ÖVP) und Grünen eine Zweidrittelmehrheit und daher die Zustimmung der Sozialdemokraten benötigt.
Hinsichtlich der Gasbezugsverträge zwischen der Gazprom und der OMV hatte der österreichische Konzern immer wieder betont, es handle sich um seit Jahrzehnten übliche Take-or-Pay-Verträge (TOP-Verträge), die Österreich keinerlei Nachteile brächten.
Wie OMV-Generaldirektor Alfred Stern bei der Bilanzpressekonferenz seines Unternehmens am 1. Februar mitteilte, wäre ein rechtlich einwandfreier Ausstieg aus den Verträgen alles andere als einfach. Zeitweilige Liefereinschränkungen im Jahr 2022 rechtfertigten ihn zweifellos nicht.
Zur Sicherheitsstrategie schließlich erfuhr die Redaktion aus dem Umfeld des diesbezüglich federführenden Verteidigungsministeriums, die Diskussionen befänden sich erst am Anfang. Mit einem Beschluss der Strategie sei sicher nicht mehr in der zu Ende gehenden Legislaturperiode zu rechnen.
Neue BaustellenFraglich ist somit, ob Gewessler mit ihren Initiativen mehr erreicht, als neue „Baustellen“ zu eröffnen, ohne Möglichkeiten zum Schließen der bestehenden zu haben. Auf Anfrage der Redaktion räumte die Ministerin beispielsweise ein, dass es weiterhin keine Fortschritte beim seit rund anderthalb Jahren in Verhandlung befindlichen Erneuerbare-Gase-Gesetz (EGG) gibt.
Nach wie vor streitet die Regierung auch über die Finanzierung des WAG-Loops, einer 40 Kilometer langen Pipeline, die Gasimporte aus Nordwesteuropa erleichtern würde. Gewessler betonte am 12. Februar neuerlich, zuständig sei das ÖVP-geführte Finanzministerium. Von ihr werde es kein Geld für die Leitung geben. Der Betreiber des Projekts, die Gas Connect Austria, hält dieses ohne staatliche Garantien mangels Kapazitätsbedarfs der Martktteilnehmer für unfinanzierbar.
Montag, 12.02.2024, 16:10 Uhr
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