Quelle: Stadtwerke Flensburg
Die Stadtwerke Flensburg nutzen E-Sport bei der Suche nach Auszubildenen. Im Betriebssport haben Computerspiele bereits Einzug gehalten.
Die Stadtwerke Flensburg gehen neue Wege bei der Auswahl der Kandidaten für eine Azubi-Stelle. Das entsprechende Assessment Center wird nämlich durch Computerspiele ergänzt. „Dies ist Teil eines wissenschaftlich fundierten Programms“, betont Timo Schöber. Dem Leiter für HR-Projekte und E-Sport-Verantwortlichen bei den Stadtwerken Flensburg ist wichtig, dies zu betonen, denn er kennt die Vorbehalte nur zu gut.
Im vergangenen Jahr haben die Stadtwerke zum ersten Mal die Bewerber auf Azubi-Stellen am Rechner spielen lassen. E-Sport ist neben Gruppenarbeiten und Einzelgesprächen einer von mehreren Bausteinen im Azubi-Auswahlverfahren der Stadtwerke. Letztlich geht es aber nicht um Resultate im Spiel, sondern um Kompetenzen der Akteure, die sich während eines Spiels beobachten lassen.
Kommunikation/Informationsfähigkeit, Eigenständigkeit und Resilienz − das sind die drei Kompetenzen, die im Fokus stehen. In Workshops mit dem Flensburger Start-up „lvlup!HR“ (sprich: Level Up HR), das sich auf gamifizierte Assessment Center spezialisiert hat, haben sich die Stadtwerke auf diese Kompetenzen festgelegt und jeweils zehn positive und zehn negative sogenannte Verhaltensanker definiert, an denen sich eine Bewertung festmachen lässt. Natürlich sei auch Teamfähigkeit in der Ausbildung und im Berufsleben wichtig. „Diese beobachten wir nicht explizit, aber sie lässt sich aus der Kommunikation im Team während des Spiels ableiten“, sagt Schöber.
Für das Spielen im Assessment Center haben sich die Flensburger vor allem aus zwei Gründen entschieden. Man kann sich damit als moderner Arbeitgeber auf der Höhe der Zeit präsentieren und Eigenwerbung betreiben. „Und man kann Menschen in eine Situation bringen, in der sie sich natürlicher verhalten als in einem klassischen Assessment Center“, betont Schöber, der nach einem Studium der Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Human Resources und Gesundheitsmanagement über Gaming und E-Sport im ökonomischen und sportwissenschaftlichen Kontext an der Europa-Universität Viadrina promoviert hat.
Einsatz von Spielen bei der TalentförderungSpielen ist keine Spielerei. Diesen Schluss legen wissenschaftliche Untersuchungen nahe, auf die Schöber verweist und die die anfangs durchaus vorhandenen Vorbehalte im eigenen Unternehmen weitgehend ausgeräumt haben. „Die Kognition des Menschen funktioniert anders in Spielsituationen als in einem üblichen Auswahlverfahren“, erläutert er. Letztendlich spiele auch der Spaß am und beim Spielen eine wesentliche Rolle, sodass sich die Bewerber nach einer gewissen Zeit von der Außenwelt abkoppeln, obwohl ihnen weiterhin klar sei, dass sie sich in einem Auswahlverfahren befinden. Dass sie unter Beobachtung stehen, sei ihnen aber dann stellenweise gar nicht mehr bewusst. Genauso seien die Kandidaten dann nicht mehr darauf fixiert, bestimmten Erwartungen zu entsprechen, die ihrer Meinung nach an sie gerichtet werden. „Alles in allem bekommen wir so ein ziemlich authentisches Bild der Bewerber“, freut sich der HR-Spezialist.
Von Anfang an habe Stadtwerkechef Dirk Thole, der „immer für innovative Ansätze zu haben“ sei, das E-Sport-Projekt unterstützt, berichtet Schöber. Auch Skeptiker hätte man von dem Verfahren zur Personalrekrutierung überzeugen können: Zum einen arbeiten die Stadtwerke mit Esportionary zusammen, einer Denkfabrik, die sich wissenschaftlich mit E-Sportthemen beschäftigt. Zum anderen haben sie mit dem Institut für Ludologie der SRH Hochschule einen Partner für die spielwissenschaftliche Analyse. Und schließlich deckt das Institut für Personalmanagement der Fachhochschule Westküste die personalwirtschaftliche Komponente ab.
Neben dem Auswahlverfahren für Azubis hat E-Sport bei den Flensburger Stadtwerken derzeit noch im Betriebssport seinen festen Platz. Zwar sei die E-Sportgruppe kein Assessment Center und alle Akteure „auf Augenhöhe“, wie Schöber versichert. Sie betreibe aber mehr als bloßes Gaming, also das rein spaßorientierte Freizeitspiel. Die Abgrenzung zum E-Sport ist ihm wichtig. Denn schließlich gehe es beim Betriebssport darum, sich im sportlichen Wettstreit zu behaupten und sich mit den eigenen Fähigkeiten weiterzuentwickeln, im besten Fall auch Skills zu entwickeln, die auf die Arbeitswelt ableitbar sind − alles in lockerer Atmosphäre mit viel Spaß.
In der Verschmelzung von Personalentwicklung und E-Sport sieht Schöber einen logischen Schritt. Schließlich gehe es auch im spielerischen Wettbewerb um die persönliche Weiterentwicklung. Und wie bei den Auszubildenen lassen sich bei den Talenten über die Analyse des Spielverhaltens Stärken und Schwächen identifizieren und analysieren, beispielsweise in der Kommunikation oder im Projektmanagement.
In der gedruckten Januar-Ausgabe von E&M, die am 8. Januar erscheint, können Sie zum E-Sport bei den Stadtwerken Flensburg einen ausführlichen Bericht lesen, etwa wie genau das Auswahlverfahren mit welchen Spielen abläuft.
Freitag, 29.12.2023, 13:09 Uhr
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