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Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung

"Wir befinden uns in einer absurden Situation"

Stefan Liesner vom BHKW-Hersteller 2G Energy erklärt im Gespräch mit E&M, welche Erwartungen er an ein neues Strommarktdesign hat und warum er auf mehr Mut seitens der Politik hofft. 

Zur Person

Stefan Liesner ist Head of Public Affairs and Public Relations bei der 2G Energy AG mit Sitz in Heek. Er wurde außerdem im September 2021 in das Präsidium des Bundesverbands Kraft-Wärme-Kopplung (B.KWK) gewählt.
 
Stefan Liesner: „Jede Investition in dezentrale KWK schafft einen volkswirtschaftlichen Mehrwert“
Quelle: 2G Energy

Das Thesenpapier von 2G Energy „KWK ermöglicht eine effiziente Energiewende vor Ort“ ist online verfügbar auf der Homepage von 2G. 
 


E&M: Herr Liesner, es braucht dringend ein neues Strommarktdesign. Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft erarbeiten im Rahmen der ‚Plattform klimaneutrales Strommarktdesign‘ (PKNS) Vorschläge. Inwieweit arbeitet 2G Energy mit?

Liesner: 2G konnte in den vergangenen Jahren ein hervorragendes Netzwerk innerhalb der Energiebranche und den großen energiewirtschaftlichen Verbänden aufbauen. Dezentrale KWK schafft es wie keine zweite Technologie, das Zieldreieck aus Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit miteinander zu verknüpfen. Diese Botschaft sollte auch bei den nun anstehenden Diskussionen eine Berücksichtigung finden. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) macht sich im Rahmen der PKNS beispielsweise für die dezentrale KWK als regeneratives Rückgrat der Energiewende stark. 

E&M: Die Erwartungen der Politik sind klar: Bis 2030 soll der Anteil der Erneuerbaren an der Stromversorgung auf 80 Prozent steigen und danach weiter wachsen. Zum Start der PKNS hat 2G Energy ein Thesenpapier veröffentlicht, um auf die Rolle der KWK zur Abdeckung gesicherter Leistung hinzuweisen. Werden die Potenziale der KWK unterschätzt? 

Liesner: Ob die Potenziale der KWK unterschätzt werden, hängt wohl am ehesten vom Adressaten der Frage ab. Planer, Industrie und Stadtwerke wissen ihre Rolle bei der Transformation des Energiesystems stark zu schätzen und betonen darüber hinaus ihre Notwendigkeit. Ob vermiedener Netzausbau, Schaffung von Netzstabilität oder die schon heute uneingeschränkte Wasserstoffnutzung: Die Vorteile der KWK könnten offensichtlicher nicht sein. Das Thesenpapier dient daher als Hilfestellung für alle, denen der Mehrwert offenbar noch nicht bekannt ist. 

E&M: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck betonte beim Start, dass er sehr wohl wisse, dass es ohne ‚molekülbasierte Back-up-Kapazitäten‘ nicht gehen wird. Stimmt Sie das zuversichtlich?

Liesner: Das Bekenntnis für ein molekülbasiertes Back-up-System sowie die angekündigte Kraftwerksstrategie mit 17 bis 21 Gigawatt Zubau bis 2031 stimmt uns zunächst einmal positiv. Allerdings hatte man zwischen den Zeilen zuletzt eher den Eindruck, dass eben diese Kraftwerksstrategie die Wahrung zentraler Versorgungsstrukturen manifestieren wird und eben nicht die oftmals zielführendere Dezentralität forciert. Hier könnte das BMWK eine Menge Mut beweisen, indem es sich auch bei der Absicherung der Energieversorgung zukünftig zu innovativen, regionalen Strukturen bekennt.

E&M: Die PKNS befasst sich unter anderem mit der Refinanzierung von Spitzenlastkapazitäten. In welche Richtung muss es gehen, damit die benötigte Residuallast auch den europäischen Anforderungen nach ‚Efficiency First‘ künftig genügt?

Liesner: Die logische Konsequenz aus benötigter Residuallast und ‚Efficiency First‘ liegt in der Dezentralität − und damit bei der KWK als natürlicher Partner der PV. Grundsätzlich sollten wir uns davon lösen, dass die Herausforderung der Residuallastdeckung in Top-down-Manier organisiert wird, die die Umsetzung zudem sehr träge macht. Die Schaffung von regionalen Flexibilitäten muss stets die oberste Prämisse sein. Die Biogasbranche hat es in der vergangenen Dekade gut vorgemacht, dass sich Residuallast vor Ort wunderbar decken lässt und Betreiber gleichzeitig wirtschaftlich agieren können. Warum sollte dies nicht auch für klassische KWK-Anwendungsfälle in der Industrie oder bei der Quartiersversorgung möglich sein? 

E&M: Ziel muss es sein, ein System zu schaffen, das ausreichend Anreize setzt, dem Strommarkt zu jeder Zeit Leistung zur Verfügung zu stellen. Muss es da nicht Richtung Kapazitätsmarkt gehen? 

Liesner: Ein klassischer Kapazitätsmarkt birgt stets die Gefahr, dass Innovationen unnötigerweise ausgebremst werden. Denn gerade hier bestehen ja die großen Potenziale der dezentralen KWK in Sachen Sektorenkopplung, Temperaturniveaus oder Brennstoffflexibilität. Die Frage sollte daher lauten: Wie kann es gelingen, die massiven Vorteile der dezentralen KWK in ein Marktmodell zu überführen, sodass Industrie, kommunale Versorger und Wohnungsbaugesellschaften in dezentrale, innovative Kraftwerkskapazitäten investieren? Denkbar wäre eine Kombination aus Kapazitäts- und Energy-only-Market, bei dem ein Teil der Erlöse der klassischen Erneuerbaren stets in ein Back-up-System vor Ort reinvestiert werden müsste. 

E&M: In dem Thesenpapier von 2G wird auch darauf hingewiesen, dass KWK-Anlagen keine Dauerläufer sind. In der Praxis spiegelt sich das (noch) nicht überall wider. Liegt es an den fehlenden Anreizen? 

Liesner: In der Tat wurde die klassische KWK in der Vergangenheit oftmals als ‚stromerzeugende Heizung‘ wahrgenommen. Die politische Gemengelage, gepaart mit den immer stärker werdenden Preisschwankungen am Strommarkt, haben diese Sichtweise jedoch aufgeweicht. Abseits der ohnehin auf Flexibilität ausgerichteten Stadtwerke erkennt zum Beispiel auch die Industrie zunehmend den Charme der stromdienlichen Fahrweise. Und genau daraus entstehen enorme Potenziale. Zusätzlich zum ohnehin installierten Kraftwerkspark mit seinen Flexibilisierungspotenzialen könnte die deutsche KWK-Branche jährlich sechs Gigawatt an flexiblen Kraftwerkskapazitäten hinzubauen, die sich marktwirtschaftlich tragen würden. Neben dem reduzierten Bedarf an neuen Großkraftwerken könnten auch die Kosten für den notwendigen Netzausbau in hoher zweistelliger Milliardenhöhe signifikant gesenkt werden. Jede Investition in dezentrale KWK schafft einen volkswirtschaftlichen Mehrwert. Abhilfe würde bereits dadurch geleistet werden, wenn sich die Politik offen zur Notwendigkeit dezentraler, stromgeführter KWK bekennt. 

E&M: In der Stellungnahme steht außerdem, dass das zu novellierende Gebäudeenergiegesetz (GEG) eine gute Gelegenheit böte, die systemische Rolle der KWK zu stärken. Warum? 

Liesner: Das GEG ist einer der Schlüssel bei der Dekarbonisierung des Gebäudesektors. Durch die Berücksichtigung der KWK als Erfüllungsoption können sich die Potenziale in Sachen Flexibilisierung, Sektorenkopplung und CO2-Reduzierung überhaupt erst entfalten. Bei allen Vorteilen, die die Wärmepumpe selbstredend mit sich bringt, darf deren Einsatz nicht isoliert und grundsätzlich ‚grün‘ betrachtet werden. Es erscheint leider realistisch, dass die durch eine Novellierung des GEG auf den ersten Blick wahrgenommenen Erfolge auf der Wärmeseite durch vermehrte Kohleverstromung ad absurdum geführt werden, da Wind und Sonne − auch bei stark gesteigertem Ausbautempo − während vieler Wochen de facto nicht ausreichend Grünstrom liefern können.

E&M: Wird ein zu großer Fokus auf die Wärmepumpe gelegt?

Liesner: Jede Technologie, die die Dekarbonisierung wirtschaftlich und versorgungssicher vorantreibt, gilt es in den Fokus zu rücken. Dass die Wärmepumpe hier eine Schlüsselrolle einnimmt, ist unbestritten. Richtig ist aber auch, dass der Strom für die Wärmepumpe nun mal irgendwo herkommen muss. Leider passt das Lastprofil der PV mit seinen hohen Erträgen im Sommer jedoch nur schwer zur Heizperiode, in der die Wärmepumpe überwiegend benötigt wird. Auch die Windkraft ist im Winter nicht so konstant, dass sie jederzeit verlässlich den steigenden Energiebedarf decken können wird − vom stockenden Ausbau einmal abgesehen. 

E&M: Wie können dezentrale KWK-Anlagen in der Praxis für eine erfolgreiche Wärmewende eingesetzt werden? 

Liesner: Wir merken im Tagesgeschäft immer mehr, dass die effizienteste Lösung in der Regel die Kombination aus PV, Wärmepumpe und KWK ist. Mal ein konkretes Beispiel: Eine erdgasbetriebene, stromgeführte KWK-Anlage mit 2.000 Betriebsstunden pro Jahr, die mit einer Wärmepumpe kombiniert ist, spart bereits heute während des Betriebs mehr als 60 Prozent Emissionen im Vergleich zum reinen Wärmepumpenbetrieb ein, da jederzeit Kohlestrom verdrängt wird. Mit dem weiteren Ausbau von Wind und Sonne und dem parallel wachsenden Angebot an grünen Gasen wird dadurch ein gradueller Umbau des Energiesystems ermöglicht, der parallel den Wirtschaftsstandort Deutschland auf dem Weg zu Net Zero stärkt. Auch in Sachen Wirtschaftlichkeit für den Betreiber sind genau diese Kombinationen hochattraktiv mit Amortisationszeiten von wenigen Jahren. 

E&M: Auf was hoffen Sie, wenn im Sommer die PKNS endet?

Liesner: Unabhängig von konkreten Gesetzesvorhaben ist in erster Linie das politische Bekenntnis zur dezentralen KWK von höchster Bedeutung. Wir befinden uns derzeit in einer vollkommen absurden Situation: Kunden wollen hochwirtschaftliche KWK-Projekte umsetzen, können damit konkrete Temperaturbedarfe bedienen, stützen das Stromnetz, reduzieren massiv die CO2-Emissionen und ebnen parallel den Weg in die Wasserstoffwirtschaft. Aus Angst, damit nicht dem politischen Willen zu entsprechen, werden Entscheidungen jedoch nach hinten geschoben. Es bleibt somit zu hoffen, dass die richtigen Konsequenzen gezogen werden und die dezentrale KWK politischen Rückenwind bekommt. 

Dienstag, 25.04.2023, 09:30 Uhr
Heidi Roider
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung -
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung
"Wir befinden uns in einer absurden Situation"
Stefan Liesner vom BHKW-Hersteller 2G Energy erklärt im Gespräch mit E&M, welche Erwartungen er an ein neues Strommarktdesign hat und warum er auf mehr Mut seitens der Politik hofft. 

Zur Person

Stefan Liesner ist Head of Public Affairs and Public Relations bei der 2G Energy AG mit Sitz in Heek. Er wurde außerdem im September 2021 in das Präsidium des Bundesverbands Kraft-Wärme-Kopplung (B.KWK) gewählt.
 
Stefan Liesner: „Jede Investition in dezentrale KWK schafft einen volkswirtschaftlichen Mehrwert“
Quelle: 2G Energy

Das Thesenpapier von 2G Energy „KWK ermöglicht eine effiziente Energiewende vor Ort“ ist online verfügbar auf der Homepage von 2G. 
 


E&M: Herr Liesner, es braucht dringend ein neues Strommarktdesign. Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft erarbeiten im Rahmen der ‚Plattform klimaneutrales Strommarktdesign‘ (PKNS) Vorschläge. Inwieweit arbeitet 2G Energy mit?

Liesner: 2G konnte in den vergangenen Jahren ein hervorragendes Netzwerk innerhalb der Energiebranche und den großen energiewirtschaftlichen Verbänden aufbauen. Dezentrale KWK schafft es wie keine zweite Technologie, das Zieldreieck aus Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit miteinander zu verknüpfen. Diese Botschaft sollte auch bei den nun anstehenden Diskussionen eine Berücksichtigung finden. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) macht sich im Rahmen der PKNS beispielsweise für die dezentrale KWK als regeneratives Rückgrat der Energiewende stark. 

E&M: Die Erwartungen der Politik sind klar: Bis 2030 soll der Anteil der Erneuerbaren an der Stromversorgung auf 80 Prozent steigen und danach weiter wachsen. Zum Start der PKNS hat 2G Energy ein Thesenpapier veröffentlicht, um auf die Rolle der KWK zur Abdeckung gesicherter Leistung hinzuweisen. Werden die Potenziale der KWK unterschätzt? 

Liesner: Ob die Potenziale der KWK unterschätzt werden, hängt wohl am ehesten vom Adressaten der Frage ab. Planer, Industrie und Stadtwerke wissen ihre Rolle bei der Transformation des Energiesystems stark zu schätzen und betonen darüber hinaus ihre Notwendigkeit. Ob vermiedener Netzausbau, Schaffung von Netzstabilität oder die schon heute uneingeschränkte Wasserstoffnutzung: Die Vorteile der KWK könnten offensichtlicher nicht sein. Das Thesenpapier dient daher als Hilfestellung für alle, denen der Mehrwert offenbar noch nicht bekannt ist. 

E&M: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck betonte beim Start, dass er sehr wohl wisse, dass es ohne ‚molekülbasierte Back-up-Kapazitäten‘ nicht gehen wird. Stimmt Sie das zuversichtlich?

Liesner: Das Bekenntnis für ein molekülbasiertes Back-up-System sowie die angekündigte Kraftwerksstrategie mit 17 bis 21 Gigawatt Zubau bis 2031 stimmt uns zunächst einmal positiv. Allerdings hatte man zwischen den Zeilen zuletzt eher den Eindruck, dass eben diese Kraftwerksstrategie die Wahrung zentraler Versorgungsstrukturen manifestieren wird und eben nicht die oftmals zielführendere Dezentralität forciert. Hier könnte das BMWK eine Menge Mut beweisen, indem es sich auch bei der Absicherung der Energieversorgung zukünftig zu innovativen, regionalen Strukturen bekennt.

E&M: Die PKNS befasst sich unter anderem mit der Refinanzierung von Spitzenlastkapazitäten. In welche Richtung muss es gehen, damit die benötigte Residuallast auch den europäischen Anforderungen nach ‚Efficiency First‘ künftig genügt?

Liesner: Die logische Konsequenz aus benötigter Residuallast und ‚Efficiency First‘ liegt in der Dezentralität − und damit bei der KWK als natürlicher Partner der PV. Grundsätzlich sollten wir uns davon lösen, dass die Herausforderung der Residuallastdeckung in Top-down-Manier organisiert wird, die die Umsetzung zudem sehr träge macht. Die Schaffung von regionalen Flexibilitäten muss stets die oberste Prämisse sein. Die Biogasbranche hat es in der vergangenen Dekade gut vorgemacht, dass sich Residuallast vor Ort wunderbar decken lässt und Betreiber gleichzeitig wirtschaftlich agieren können. Warum sollte dies nicht auch für klassische KWK-Anwendungsfälle in der Industrie oder bei der Quartiersversorgung möglich sein? 

E&M: Ziel muss es sein, ein System zu schaffen, das ausreichend Anreize setzt, dem Strommarkt zu jeder Zeit Leistung zur Verfügung zu stellen. Muss es da nicht Richtung Kapazitätsmarkt gehen? 

Liesner: Ein klassischer Kapazitätsmarkt birgt stets die Gefahr, dass Innovationen unnötigerweise ausgebremst werden. Denn gerade hier bestehen ja die großen Potenziale der dezentralen KWK in Sachen Sektorenkopplung, Temperaturniveaus oder Brennstoffflexibilität. Die Frage sollte daher lauten: Wie kann es gelingen, die massiven Vorteile der dezentralen KWK in ein Marktmodell zu überführen, sodass Industrie, kommunale Versorger und Wohnungsbaugesellschaften in dezentrale, innovative Kraftwerkskapazitäten investieren? Denkbar wäre eine Kombination aus Kapazitäts- und Energy-only-Market, bei dem ein Teil der Erlöse der klassischen Erneuerbaren stets in ein Back-up-System vor Ort reinvestiert werden müsste. 

E&M: In dem Thesenpapier von 2G wird auch darauf hingewiesen, dass KWK-Anlagen keine Dauerläufer sind. In der Praxis spiegelt sich das (noch) nicht überall wider. Liegt es an den fehlenden Anreizen? 

Liesner: In der Tat wurde die klassische KWK in der Vergangenheit oftmals als ‚stromerzeugende Heizung‘ wahrgenommen. Die politische Gemengelage, gepaart mit den immer stärker werdenden Preisschwankungen am Strommarkt, haben diese Sichtweise jedoch aufgeweicht. Abseits der ohnehin auf Flexibilität ausgerichteten Stadtwerke erkennt zum Beispiel auch die Industrie zunehmend den Charme der stromdienlichen Fahrweise. Und genau daraus entstehen enorme Potenziale. Zusätzlich zum ohnehin installierten Kraftwerkspark mit seinen Flexibilisierungspotenzialen könnte die deutsche KWK-Branche jährlich sechs Gigawatt an flexiblen Kraftwerkskapazitäten hinzubauen, die sich marktwirtschaftlich tragen würden. Neben dem reduzierten Bedarf an neuen Großkraftwerken könnten auch die Kosten für den notwendigen Netzausbau in hoher zweistelliger Milliardenhöhe signifikant gesenkt werden. Jede Investition in dezentrale KWK schafft einen volkswirtschaftlichen Mehrwert. Abhilfe würde bereits dadurch geleistet werden, wenn sich die Politik offen zur Notwendigkeit dezentraler, stromgeführter KWK bekennt. 

E&M: In der Stellungnahme steht außerdem, dass das zu novellierende Gebäudeenergiegesetz (GEG) eine gute Gelegenheit böte, die systemische Rolle der KWK zu stärken. Warum? 

Liesner: Das GEG ist einer der Schlüssel bei der Dekarbonisierung des Gebäudesektors. Durch die Berücksichtigung der KWK als Erfüllungsoption können sich die Potenziale in Sachen Flexibilisierung, Sektorenkopplung und CO2-Reduzierung überhaupt erst entfalten. Bei allen Vorteilen, die die Wärmepumpe selbstredend mit sich bringt, darf deren Einsatz nicht isoliert und grundsätzlich ‚grün‘ betrachtet werden. Es erscheint leider realistisch, dass die durch eine Novellierung des GEG auf den ersten Blick wahrgenommenen Erfolge auf der Wärmeseite durch vermehrte Kohleverstromung ad absurdum geführt werden, da Wind und Sonne − auch bei stark gesteigertem Ausbautempo − während vieler Wochen de facto nicht ausreichend Grünstrom liefern können.

E&M: Wird ein zu großer Fokus auf die Wärmepumpe gelegt?

Liesner: Jede Technologie, die die Dekarbonisierung wirtschaftlich und versorgungssicher vorantreibt, gilt es in den Fokus zu rücken. Dass die Wärmepumpe hier eine Schlüsselrolle einnimmt, ist unbestritten. Richtig ist aber auch, dass der Strom für die Wärmepumpe nun mal irgendwo herkommen muss. Leider passt das Lastprofil der PV mit seinen hohen Erträgen im Sommer jedoch nur schwer zur Heizperiode, in der die Wärmepumpe überwiegend benötigt wird. Auch die Windkraft ist im Winter nicht so konstant, dass sie jederzeit verlässlich den steigenden Energiebedarf decken können wird − vom stockenden Ausbau einmal abgesehen. 

E&M: Wie können dezentrale KWK-Anlagen in der Praxis für eine erfolgreiche Wärmewende eingesetzt werden? 

Liesner: Wir merken im Tagesgeschäft immer mehr, dass die effizienteste Lösung in der Regel die Kombination aus PV, Wärmepumpe und KWK ist. Mal ein konkretes Beispiel: Eine erdgasbetriebene, stromgeführte KWK-Anlage mit 2.000 Betriebsstunden pro Jahr, die mit einer Wärmepumpe kombiniert ist, spart bereits heute während des Betriebs mehr als 60 Prozent Emissionen im Vergleich zum reinen Wärmepumpenbetrieb ein, da jederzeit Kohlestrom verdrängt wird. Mit dem weiteren Ausbau von Wind und Sonne und dem parallel wachsenden Angebot an grünen Gasen wird dadurch ein gradueller Umbau des Energiesystems ermöglicht, der parallel den Wirtschaftsstandort Deutschland auf dem Weg zu Net Zero stärkt. Auch in Sachen Wirtschaftlichkeit für den Betreiber sind genau diese Kombinationen hochattraktiv mit Amortisationszeiten von wenigen Jahren. 

E&M: Auf was hoffen Sie, wenn im Sommer die PKNS endet?

Liesner: Unabhängig von konkreten Gesetzesvorhaben ist in erster Linie das politische Bekenntnis zur dezentralen KWK von höchster Bedeutung. Wir befinden uns derzeit in einer vollkommen absurden Situation: Kunden wollen hochwirtschaftliche KWK-Projekte umsetzen, können damit konkrete Temperaturbedarfe bedienen, stützen das Stromnetz, reduzieren massiv die CO2-Emissionen und ebnen parallel den Weg in die Wasserstoffwirtschaft. Aus Angst, damit nicht dem politischen Willen zu entsprechen, werden Entscheidungen jedoch nach hinten geschoben. Es bleibt somit zu hoffen, dass die richtigen Konsequenzen gezogen werden und die dezentrale KWK politischen Rückenwind bekommt. 

Dienstag, 25.04.2023, 09:30 Uhr
Heidi Roider

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