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Energie & Management > Regenerative - Stromerlösabschöpfung: Das kommt auf Anlagenbetreiber zu
Quelle: Fotolia / Jürgen Fälchle
Regenerative

Stromerlösabschöpfung: Das kommt auf Anlagenbetreiber zu

Die Strompreisbremse ist derzeit gerade im Bundestag. Auf der Einnahmenseite sind fast alle Anlagenbetreiber die Abgabe von „Übergewinnen“ schuldig. Eine Analyse des Kabinettsentwurfs.
Die deutsche Art der EU-Strompreisbremse 2023 zur Entlastung der Verbraucher soll 43 Milliarden Euro kosten. Zu "einem erheblichen Teil" sollen die dafür erforderlichen Mittel aus der deutschen Stromwirtschaft selbst generiert werden, heißt es in dem 138-seitigen Kabinettsentwurf zum Strompreisbremsengesetz, der nun im Bundestag beraten wird (wir berichteten)

Wahrscheinlich zum ersten Mal in der Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik sollen dabei Erlöse (Umsätze) aus bestimmten Kraftwerken abgeschöpft werden, und zwar solche, die weit über den Grenzkosten der jeweiligen Technologie liegen. Deutschland verfolgt damit einen grenzkostenspezifischen "Treppenansatz", den die EU in ihrer Notfallverordnung den Mitgliedsstaaten erlaubt hatte. Es hätte laut dieser aber auch genügt, vom 1. Dezember 2022 bis 30. Juni 2023 einheitlich oberhalb von 180 Euro/MWh Erlös abzuschöpfen. Dann fallen allerdings die Einnahmen aus der "Übergewinnabschöpfung" niedriger aus.

Für die Abschöpfbeträge haften nach den Vorstellungen der Ampelkoalitionäre die "Betreiber" bestimmter "Stromerzeugungsanlagen", aber auch dessen Gesellschafter oder Konzerne. Das heißt, bei einem Windpark haften alle Kommanditisten nach außen mit, nicht aber ihr Direktvermarkter, wenn er an diesem keine Anteile hat. Sie müssten ihn erst mit der Erlösabschöpfung beauftragen und im Binnenverhältnis dafür haftbar machen.

Die Erlösabschöpfung greift (im Unterschied zur Gewinn-Sondersteuer bei Öl und Gasunternehmen) vom 1. Dezember an. Das heißt, die ursprünglich geplante Rückwirkung ist zurückgenommen.

Bei folgenden Kraftwerken müssen 90 Prozent der stundenscharfen Markterlöse oberhalb einer technologiespezifischen Schwelle zuzüglich eines "Sicherheitsaufschlages" zur Vermeidung von Härtefällen von in der Regel 3 Cent/kWh an den Netzbetreiber gemeldet und abgeführt werden, an dessen Netz das Kraftwerk angeschlossen ist. Es gelten eine Bagatellgrenze von 1 MW und folgende Schwellenwerte für die Abschöpfung bis zum kalendermonatlichen Erlös oder dem Monatsmarktwert von Wind on-/offshore und Photovoltaik:
  • in der Marktprämie geförderte Erneuerbare ab 100 kW der "anzulegende Wert" (AW), also der Strompreis, der dem Betreiber einmal gesetzlich oder in einer Ausschreibung garantiert worden ist.
  • bei Erneuerbaren in der ungeförderten sonstigen Direktvermarktung ist es der AW, den die Anlage bekommen würde, wenn sie in die Marktprämie zurückkehren würde, bei nicht ermittelbarem AW 10 Cent/kWh. Bei ausgeförderten Anlagen wiederum fällt der Sicherheitsaufschlag weg.
  • Für Wind und Solar werden zum Sicherheitsaufschlag noch 6 Prozent des jeweiligen Monatsmarktwertes addiert. Bei Spotvermarktung kommen nochmal 0,4 Cent/kWh dazu.
  • Bei Offshore-Wind ist es der anlagenspezifische AW, mindestens aber 10 Cent/kWh.
  • Bei Biogas-Anlagen sind es ebenfalls der AW oder die 10 Cent, aber der Sicherheitszuschlag erhöht sich nur bei ihnen auf 7,5 Cent/kWh.
  • bei den drei verbleibenden Atomkraftwerken 4 Cent/kWh im Dezember 2022 und 10 Cent/kWh bis zum endgültigen Atomausstieg am 16. April 2023 oder nochmal 2 Cent/kWh, wenn durch den Streckbetrieb nachweislich Dekontaminationsarbeiten am Primärkreislauf verschoben werden mussten.
  • bei Müllverbrennungsanlagen und Torfkraftwerken 7 Cent/kWh
  • bei Braunkohle-Blöcken 3 Cent/kWh, bei jenen im Rheinischen Revier aber, die wegen der Einigung NRW / RWE zum vorzeitigen Kohleausstieg schon bis März 2030 vom Netz gehen, wegen höherer Abschreibungen 5,2 Cent/kWh. Zusätzlich zum Sicherheitsaufschlag dürfen braunkohlespezifische CO2-Zertifikatskosten den Erlösdeckel heraufschrauben.
  • bei Ölkraftwerken und Blöcken, die Mineralöl-Produkte verfeuern, 25 Cent/kWh
  • Bei grünen Innovationskraftwerken, die vor der Erlösabschöpfung den Zuschlag bekommen haben, berechnet sich der Erlösdeckel nochmal anders: Zu der an sie bezuschlagten fixen Marktprämie werden insgesamt 11 Cent/kWh addiert.

Berechnungsbeispiel

Angenommenes Beispiel: Ein Windrad auf See, das freiwillig nicht zur Marktprämie angemeldet ist, hat in einer Stunde 13,69 Cent/kWh am Spot erlöst − das war der Durchschnittswert im Oktober. Würde es in die Marktprämie zurückkehren, bekäme es 4,66 Cent/kWh. Bei Offshore-Wind gilt aber eine Schwelle von mindestens 10 Cent/kWh. Plus Sicherheitsaufschlag sind es 13 Cent. Plus 6 Prozent des Monatsmarktwertes sind es 13,82 Cent. Das wäre in jener Stunde also mehr, als das Windrad mit Strom umgesetzt hat. Ergo muss der Betreiber hierfür nichts an seinen Übertragungsnetzbetreiber abführen.
 

Jegliche Absicherungsgeschäfte (Hedging im Terminmarkt, Power Purchase Agreements) werden mit eventuellen Spotmarkt-Erlösen verrechnet. Bei anlagenscharfen Vermarktungsverträgen (PPA), die vor dem 1. November für den Abschöpfungszeitraum geschlossen wurden, gilt wegen des verringerten Risikos nur ein Sicherheitsaufschlag von 1 Cent/kWh. An jenem Tag hatte die Bundesregierung die Eckpunkte für die Abschöpfung veröffentlicht.

Donnerstag, 1.12.2022, 17:38 Uhr
Georg Eble
Energie & Management > Regenerative - Stromerlösabschöpfung: Das kommt auf Anlagenbetreiber zu
Quelle: Fotolia / Jürgen Fälchle
Regenerative
Stromerlösabschöpfung: Das kommt auf Anlagenbetreiber zu
Die Strompreisbremse ist derzeit gerade im Bundestag. Auf der Einnahmenseite sind fast alle Anlagenbetreiber die Abgabe von „Übergewinnen“ schuldig. Eine Analyse des Kabinettsentwurfs.
Die deutsche Art der EU-Strompreisbremse 2023 zur Entlastung der Verbraucher soll 43 Milliarden Euro kosten. Zu "einem erheblichen Teil" sollen die dafür erforderlichen Mittel aus der deutschen Stromwirtschaft selbst generiert werden, heißt es in dem 138-seitigen Kabinettsentwurf zum Strompreisbremsengesetz, der nun im Bundestag beraten wird (wir berichteten)

Wahrscheinlich zum ersten Mal in der Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik sollen dabei Erlöse (Umsätze) aus bestimmten Kraftwerken abgeschöpft werden, und zwar solche, die weit über den Grenzkosten der jeweiligen Technologie liegen. Deutschland verfolgt damit einen grenzkostenspezifischen "Treppenansatz", den die EU in ihrer Notfallverordnung den Mitgliedsstaaten erlaubt hatte. Es hätte laut dieser aber auch genügt, vom 1. Dezember 2022 bis 30. Juni 2023 einheitlich oberhalb von 180 Euro/MWh Erlös abzuschöpfen. Dann fallen allerdings die Einnahmen aus der "Übergewinnabschöpfung" niedriger aus.

Für die Abschöpfbeträge haften nach den Vorstellungen der Ampelkoalitionäre die "Betreiber" bestimmter "Stromerzeugungsanlagen", aber auch dessen Gesellschafter oder Konzerne. Das heißt, bei einem Windpark haften alle Kommanditisten nach außen mit, nicht aber ihr Direktvermarkter, wenn er an diesem keine Anteile hat. Sie müssten ihn erst mit der Erlösabschöpfung beauftragen und im Binnenverhältnis dafür haftbar machen.

Die Erlösabschöpfung greift (im Unterschied zur Gewinn-Sondersteuer bei Öl und Gasunternehmen) vom 1. Dezember an. Das heißt, die ursprünglich geplante Rückwirkung ist zurückgenommen.

Bei folgenden Kraftwerken müssen 90 Prozent der stundenscharfen Markterlöse oberhalb einer technologiespezifischen Schwelle zuzüglich eines "Sicherheitsaufschlages" zur Vermeidung von Härtefällen von in der Regel 3 Cent/kWh an den Netzbetreiber gemeldet und abgeführt werden, an dessen Netz das Kraftwerk angeschlossen ist. Es gelten eine Bagatellgrenze von 1 MW und folgende Schwellenwerte für die Abschöpfung bis zum kalendermonatlichen Erlös oder dem Monatsmarktwert von Wind on-/offshore und Photovoltaik:
  • in der Marktprämie geförderte Erneuerbare ab 100 kW der "anzulegende Wert" (AW), also der Strompreis, der dem Betreiber einmal gesetzlich oder in einer Ausschreibung garantiert worden ist.
  • bei Erneuerbaren in der ungeförderten sonstigen Direktvermarktung ist es der AW, den die Anlage bekommen würde, wenn sie in die Marktprämie zurückkehren würde, bei nicht ermittelbarem AW 10 Cent/kWh. Bei ausgeförderten Anlagen wiederum fällt der Sicherheitsaufschlag weg.
  • Für Wind und Solar werden zum Sicherheitsaufschlag noch 6 Prozent des jeweiligen Monatsmarktwertes addiert. Bei Spotvermarktung kommen nochmal 0,4 Cent/kWh dazu.
  • Bei Offshore-Wind ist es der anlagenspezifische AW, mindestens aber 10 Cent/kWh.
  • Bei Biogas-Anlagen sind es ebenfalls der AW oder die 10 Cent, aber der Sicherheitszuschlag erhöht sich nur bei ihnen auf 7,5 Cent/kWh.
  • bei den drei verbleibenden Atomkraftwerken 4 Cent/kWh im Dezember 2022 und 10 Cent/kWh bis zum endgültigen Atomausstieg am 16. April 2023 oder nochmal 2 Cent/kWh, wenn durch den Streckbetrieb nachweislich Dekontaminationsarbeiten am Primärkreislauf verschoben werden mussten.
  • bei Müllverbrennungsanlagen und Torfkraftwerken 7 Cent/kWh
  • bei Braunkohle-Blöcken 3 Cent/kWh, bei jenen im Rheinischen Revier aber, die wegen der Einigung NRW / RWE zum vorzeitigen Kohleausstieg schon bis März 2030 vom Netz gehen, wegen höherer Abschreibungen 5,2 Cent/kWh. Zusätzlich zum Sicherheitsaufschlag dürfen braunkohlespezifische CO2-Zertifikatskosten den Erlösdeckel heraufschrauben.
  • bei Ölkraftwerken und Blöcken, die Mineralöl-Produkte verfeuern, 25 Cent/kWh
  • Bei grünen Innovationskraftwerken, die vor der Erlösabschöpfung den Zuschlag bekommen haben, berechnet sich der Erlösdeckel nochmal anders: Zu der an sie bezuschlagten fixen Marktprämie werden insgesamt 11 Cent/kWh addiert.

Berechnungsbeispiel

Angenommenes Beispiel: Ein Windrad auf See, das freiwillig nicht zur Marktprämie angemeldet ist, hat in einer Stunde 13,69 Cent/kWh am Spot erlöst − das war der Durchschnittswert im Oktober. Würde es in die Marktprämie zurückkehren, bekäme es 4,66 Cent/kWh. Bei Offshore-Wind gilt aber eine Schwelle von mindestens 10 Cent/kWh. Plus Sicherheitsaufschlag sind es 13 Cent. Plus 6 Prozent des Monatsmarktwertes sind es 13,82 Cent. Das wäre in jener Stunde also mehr, als das Windrad mit Strom umgesetzt hat. Ergo muss der Betreiber hierfür nichts an seinen Übertragungsnetzbetreiber abführen.
 

Jegliche Absicherungsgeschäfte (Hedging im Terminmarkt, Power Purchase Agreements) werden mit eventuellen Spotmarkt-Erlösen verrechnet. Bei anlagenscharfen Vermarktungsverträgen (PPA), die vor dem 1. November für den Abschöpfungszeitraum geschlossen wurden, gilt wegen des verringerten Risikos nur ein Sicherheitsaufschlag von 1 Cent/kWh. An jenem Tag hatte die Bundesregierung die Eckpunkte für die Abschöpfung veröffentlicht.

Donnerstag, 1.12.2022, 17:38 Uhr
Georg Eble

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