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Energie & Management > Vertrieb - Ausschreibungen: Bund hält an 2 Wochen Beschwerdefrist fest
Quelle: Shutterstock / REDPIXELPL
Vertrieb

Ausschreibungen: Bund hält an 2 Wochen Beschwerdefrist fest

Trotz hohen und schwankenden Energiepreisen will die Regierung nur "prüfen", ob Strom- und Gasvergaben der öffentlichen Hand beschleunigt werden. Portalbetreiber kommentieren die Lage.
Die Preisrallye sowie beispiellose Schwankungen im Strom- und Gashandel haben auch die Ausschreibungsmärkte für jährliche oder mehrjährige Vollversorgungen der öffentlichen Hand und der Industrie durcheinandergewirbelt. Die förmlichen EU-weiten Ausschreibungen sind zum Erliegen gekommen, wenn die Gebietskörperschaften immer noch Festpreise ausschreiben. Das berichtet die am 1. August erscheinende Druckausgabe von Energie & Management unter Berufung auf mehrere Portalbetreiber.

Die Vergabeverordnung (VgV) fordert schon für die Zeit zwischen Aufruf und letztem Gebot mindestens 15 Tage. Der Auftraggeber darf sich nach dem Zuschlag nochmal 15 Tage mit der Information darüber Zeit lassen. Davon gibt es zwar Ausnahmen („äußerst dringliche Gründe, die der Auftraggeber nicht vorhersehen konnte“; „besondere Dringlichkeit“), nicht aber von der Option, nach weiteren zwei Wochen vor die Vergabekammer zu ziehen. Währenddessen können die Großhandelspreise, mit denen Bieter kalkulieren, drastisch gestiegen sein, bis sie sich nach einem unwidersprochenen Zuschlag spiegelbildlich eindecken können. Also bieten sie bei Festpreis-Ausschreibungen entweder überhaupt nicht mehr oder verlangen entsprechende Risikozuschläge.

Clemens Graf von Wedel vom Portalbetreiber Enportal fordert daher in E&M, öffentlich-rechtliche Ausschreibungen anzupassen, „um Kommunen die gleichen Chancen wie der Industrie zu geben, Energie zu bestmöglichen Preisen zu beschaffen“. Auch Andreas Seegers vom Wettbewerber Ispex hält die Zeiten zwischen Abgabetermin und Zuschlag für "problematisch".
 
Clemens Graf von Wedel
Quelle: Enportal
 
Andreas Seegers
Quelle: Ispex

Die Bundesregierung sieht dagegen nur einen Prüfauftrag, teilte das Bundeswirtschaftsministerium E&M mit: Die Exekutive "prüft allgemein die weitere Vereinfachung und Beschleunigung des Vergaberechts". Man sehe aber keinen Anlass, an den zwei Wochen zu rütteln, in denen Bieter vor der Vergabekammer Nachprüfungsanträge stellen können. Die Frist sei "ein sehr wichtiges Rechtsschutzelement, das bewährt sowie europarechtlich vorgegeben" sei. Die Vergabekammern müssten zudem innerhalb von fünf Wochen entscheiden - eine Frist, die das Ministerium für "sehr kurz" hält. Auch während Nachprüfungsverfahren sei obendrein eine "Vorabgestattung des Zuschlags" möglich.

2021 hatten die Stadtwerke Uelzen den Zuschlag in einer öffentlich-rechtlichen Strom-Ausschreibung an sich selbst verhindert, indem sie vor die Vergabekammer zogen. (Wir berichteten ausführlicher online; die Druckausgabe gibt ein Update.)

Aus Sicht BMWK ist gleichwohl bei Digitalisierung und Beschleunigung förmlicher Vergaben einiges erreicht:
  • Es gebe "die grundsätzliche Pflicht zur elektronischen Vergabe (E-Vergabe)".
  • Bei besonders eiligen (Energie-)Beschaffungen bestehe die Möglichkeit einer "verkürzten Dringlichkeitsvergabe, bei der dann darüber hinaus auch die zweiwöchige Wartefrist keine Anwendung findet".
 
Christian Otto
Quelle VEA / Tom Schulze

Im privatrechtlichen Bereich für den Energiebedarf der Industrie haben sich laut Christian Otto, Geschäftsführer beim Großverbraucherverband und Portalbetreiber VEA, die Bindefristen "auf allen Ebenen" reduziert: 
  • bei Festpreis-Ausschreibungen von drei bis vier Stunden auf 30 bis 60 Minuten, "in Ausnahmefällen" noch weniger,
  • bei Tranchenangeboten mit Preisformeln, bei denen das Preisrisiko vom Bieter auf den Ausschreiber übergeht, von früher "häufig" einer Woche auf denselben Tag
  • und bei Ökostrom-Aufschlägen von mehreren Tagen auf "nur noch" untertägige Fristen.
Graf Wedel von Enportal nennt in E&M kürzere Bindefristen, aber mit derselben Tendenz. Nach der Erfahrung von Ispex wiederum müssen „viele“ öffentlich-rechtliche Energieausschreibungen mangels Bietern in eine zweite Runde: „Einen nennenswerten Wettbewerb sehen wir derzeit gar nicht mehr."

Christian Otto vom VEA sieht die Lage bei Industrieausschreibungen so: "Insgesamt gibt es über alle Terminmarktverträge deutlich weniger Anbieter. Teilweise gibt es sogar keine Angebote von Alt- oder regionalen Lieferanten." Dennoch lohne es sich, sich aktiv über die Ausschreibungsmärkte zu informieren: "Auch in der jetzigen Situation gibt es immer wieder für bestimmte Kundengruppen temporäre Lieferangebote unterhalb der Großhandelsnotierungen.“

Die Digitalisierung hat nach Ottos Einschätzung bei Ausschreibungen kaum Fahrt aufgenommen: "Die meisten Unterschriften werden per Hand gesetzt, wobei Verträge häufiger per Mail ausreichen und nicht mehr in jedem Fall per Post verschickt werden."

In der E&M-Druckausgabe äußern sich Graf von Wedel und Andreas Seegers ausführlicher darüber, wie die öffentliche Hand und die Portale mit dem VgV-Korsett umgehen. 

Freitag, 29.07.2022, 15:12 Uhr
Georg Eble
Energie & Management > Vertrieb - Ausschreibungen: Bund hält an 2 Wochen Beschwerdefrist fest
Quelle: Shutterstock / REDPIXELPL
Vertrieb
Ausschreibungen: Bund hält an 2 Wochen Beschwerdefrist fest
Trotz hohen und schwankenden Energiepreisen will die Regierung nur "prüfen", ob Strom- und Gasvergaben der öffentlichen Hand beschleunigt werden. Portalbetreiber kommentieren die Lage.
Die Preisrallye sowie beispiellose Schwankungen im Strom- und Gashandel haben auch die Ausschreibungsmärkte für jährliche oder mehrjährige Vollversorgungen der öffentlichen Hand und der Industrie durcheinandergewirbelt. Die förmlichen EU-weiten Ausschreibungen sind zum Erliegen gekommen, wenn die Gebietskörperschaften immer noch Festpreise ausschreiben. Das berichtet die am 1. August erscheinende Druckausgabe von Energie & Management unter Berufung auf mehrere Portalbetreiber.

Die Vergabeverordnung (VgV) fordert schon für die Zeit zwischen Aufruf und letztem Gebot mindestens 15 Tage. Der Auftraggeber darf sich nach dem Zuschlag nochmal 15 Tage mit der Information darüber Zeit lassen. Davon gibt es zwar Ausnahmen („äußerst dringliche Gründe, die der Auftraggeber nicht vorhersehen konnte“; „besondere Dringlichkeit“), nicht aber von der Option, nach weiteren zwei Wochen vor die Vergabekammer zu ziehen. Währenddessen können die Großhandelspreise, mit denen Bieter kalkulieren, drastisch gestiegen sein, bis sie sich nach einem unwidersprochenen Zuschlag spiegelbildlich eindecken können. Also bieten sie bei Festpreis-Ausschreibungen entweder überhaupt nicht mehr oder verlangen entsprechende Risikozuschläge.

Clemens Graf von Wedel vom Portalbetreiber Enportal fordert daher in E&M, öffentlich-rechtliche Ausschreibungen anzupassen, „um Kommunen die gleichen Chancen wie der Industrie zu geben, Energie zu bestmöglichen Preisen zu beschaffen“. Auch Andreas Seegers vom Wettbewerber Ispex hält die Zeiten zwischen Abgabetermin und Zuschlag für "problematisch".
 
Clemens Graf von Wedel
Quelle: Enportal
 
Andreas Seegers
Quelle: Ispex

Die Bundesregierung sieht dagegen nur einen Prüfauftrag, teilte das Bundeswirtschaftsministerium E&M mit: Die Exekutive "prüft allgemein die weitere Vereinfachung und Beschleunigung des Vergaberechts". Man sehe aber keinen Anlass, an den zwei Wochen zu rütteln, in denen Bieter vor der Vergabekammer Nachprüfungsanträge stellen können. Die Frist sei "ein sehr wichtiges Rechtsschutzelement, das bewährt sowie europarechtlich vorgegeben" sei. Die Vergabekammern müssten zudem innerhalb von fünf Wochen entscheiden - eine Frist, die das Ministerium für "sehr kurz" hält. Auch während Nachprüfungsverfahren sei obendrein eine "Vorabgestattung des Zuschlags" möglich.

2021 hatten die Stadtwerke Uelzen den Zuschlag in einer öffentlich-rechtlichen Strom-Ausschreibung an sich selbst verhindert, indem sie vor die Vergabekammer zogen. (Wir berichteten ausführlicher online; die Druckausgabe gibt ein Update.)

Aus Sicht BMWK ist gleichwohl bei Digitalisierung und Beschleunigung förmlicher Vergaben einiges erreicht:
  • Es gebe "die grundsätzliche Pflicht zur elektronischen Vergabe (E-Vergabe)".
  • Bei besonders eiligen (Energie-)Beschaffungen bestehe die Möglichkeit einer "verkürzten Dringlichkeitsvergabe, bei der dann darüber hinaus auch die zweiwöchige Wartefrist keine Anwendung findet".
 
Christian Otto
Quelle VEA / Tom Schulze

Im privatrechtlichen Bereich für den Energiebedarf der Industrie haben sich laut Christian Otto, Geschäftsführer beim Großverbraucherverband und Portalbetreiber VEA, die Bindefristen "auf allen Ebenen" reduziert: 
  • bei Festpreis-Ausschreibungen von drei bis vier Stunden auf 30 bis 60 Minuten, "in Ausnahmefällen" noch weniger,
  • bei Tranchenangeboten mit Preisformeln, bei denen das Preisrisiko vom Bieter auf den Ausschreiber übergeht, von früher "häufig" einer Woche auf denselben Tag
  • und bei Ökostrom-Aufschlägen von mehreren Tagen auf "nur noch" untertägige Fristen.
Graf Wedel von Enportal nennt in E&M kürzere Bindefristen, aber mit derselben Tendenz. Nach der Erfahrung von Ispex wiederum müssen „viele“ öffentlich-rechtliche Energieausschreibungen mangels Bietern in eine zweite Runde: „Einen nennenswerten Wettbewerb sehen wir derzeit gar nicht mehr."

Christian Otto vom VEA sieht die Lage bei Industrieausschreibungen so: "Insgesamt gibt es über alle Terminmarktverträge deutlich weniger Anbieter. Teilweise gibt es sogar keine Angebote von Alt- oder regionalen Lieferanten." Dennoch lohne es sich, sich aktiv über die Ausschreibungsmärkte zu informieren: "Auch in der jetzigen Situation gibt es immer wieder für bestimmte Kundengruppen temporäre Lieferangebote unterhalb der Großhandelsnotierungen.“

Die Digitalisierung hat nach Ottos Einschätzung bei Ausschreibungen kaum Fahrt aufgenommen: "Die meisten Unterschriften werden per Hand gesetzt, wobei Verträge häufiger per Mail ausreichen und nicht mehr in jedem Fall per Post verschickt werden."

In der E&M-Druckausgabe äußern sich Graf von Wedel und Andreas Seegers ausführlicher darüber, wie die öffentliche Hand und die Portale mit dem VgV-Korsett umgehen. 

Freitag, 29.07.2022, 15:12 Uhr
Georg Eble

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