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Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Ausgabe

"Die KWK wird zum grünen Sprinter"

Sokratherm-Geschäftsführer Johannes Meinhold sieht die KWK als dezentrales Back-up-System, um mehr Erneuerbare zu integrieren. Dafür brauche es aber auch mehr Markt.
E&M: Herr Meinhold, Ihr Unternehmen existiert seit mehr als vier Jahrzehnten. In dem Namen ‚SOKRATHERM‘ steckt die Idee Ihres Vaters und Gründers, Hermann Meinhold, und die ist aktueller denn je. Wie genau setzt sich das Akronym zusammen?

Meinhold: Den Firmennamen hat mein Vater unter dem Eindruck der Ölkrisen in den 1970ern aus den Worten SOnne, KRAft und THERMie geformt. Ihm war vor allem durch sein Energietechnik-Studium klar geworden, dass die Verschwendung von Ressourcen so nicht weitergehen darf und dass den dominierenden Großkraftwerken ohne Wärmenutzung neue, dezentrale Ansätze entgegengesetzt werden müssen. Dass die Verbindung von unterschiedlichen Energiequellen, Erzeugern und Sektoren aktueller denn je ist, bestätigt die Vision, die mein Vater damals schon hatte und was letztendlich unser Unternehmensname heute noch zum Ausdruck bringt.

E&M: Ihr Vater gründete 1977 die Firma. Was wurde anfangs produziert?

Meinhold: Anfangs suchte mein Vater nach allen Möglichkeiten, ohne Öl zu heizen. Er arbeitete mit klassischen Gaskesseln, Kaminheizkesseln, Solarkollektoren und sehr früh auch schon mit Wärmepumpen. An denen hat ihn aber gestört, dass sie wertvollen Strom verbrauchen, der damals ja fast ausschließlich in Großkraftwerken mit immensen Wärmeverlusten erzeugt wurde. So kam er auf die Idee, den Strom für die Wärmepumpe selber zu erzeugen, und baute in unserer Garage aus einem Pkw-Motor und einem Generator ein ‚Motor-Heizaggregat‘, wie er es nannte. Weil man damals solche privaten Stromaggregate nicht mit dem öffentlichen Netz koppeln durfte, mussten diese Anlagen anfangs im sogenannten Inselbetrieb laufen. Erst ab Anfang 1980 durften die − inzwischen ‚Blockheizkraftwerk‘ genannten − Stromerzeuger mit dem Netz gekoppelt werden. Seitdem haben wir uns nur noch mit ‚BHKW-Kompaktmodulen‘ beschäftigt.
 
Sokratherm hat einen gläsernen BHKW-Container neben dem Büro aufgestellt, um das Produkt und die Anwendung für die Öffentlichkeit sichtbarer zu machen. Johannes Meinhold: „Wir zeigen das erfolgreiche Zusammenspiel aus effizienter Strom- und Wärmeerzeugung durch unser BHKW in Kombination mit einer PV-Anlage, einer Ladestation und einem Speicher“
Quelle: Sokratherm

E&M: Sie feiern nicht nur 45 Jahre Firmenjubiläum, sondern auch 30 Jahre Niederlassung Nordhausen. Wie kam es zu dieser Niederlassung und warum ist sie für die Firma wesentlich?

Meinhold: Mit den IFA Motorenwerke Nordhausen, die bis zur Wende ein bedeutender Hersteller von Lkw-Motoren waren, hatten wir 1990 einen Lizenzvertrag zum Bau von Blockheizkraftwerken auf Basis der IFA-Motoren geschlossen. Die Phase der Lizenzfertigung endete jedoch abrupt, als 1992 die ganze IFA von der Treuhand abgewickelt wurde. Daraufhin haben wir die dort gerade entstandene BHKW-Abteilung übernommen und 1996 unsere Fertigung von Hiddenhausen nach Nordhausen verlagert. Die nunmehr seit drei Jahrzehnten erfolgreiche Zusammenarbeit zeugt von einer einmaligen Erfolgsgeschichte nach der Wiedervereinigung. Was da zusammengewachsen ist, konnte man auch an unserer Firmenfeier spüren: eine große Wertschätzung unserer mittlerweile insgesamt fast 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die eher einem freundschaftlichen als nur einem kollegialen Miteinander entspricht.

„Diese Krise zeigt uns, dass wir sparsam und effizient mit fossilen Brennstoffen umgehen müssen“

E&M: Wenn man als Hersteller mehr als vier Jahrzehnte auf dem Markt ist, hat man Höhen und Tiefen hinter sich. Welche waren für das Unternehmen prägend?

Meinhold: Die Wiedervereinigung zählte definitiv zu den prägenden Ereignissen, ebenso wie ein Jahrzehnt später die Strommarktliberalisierung, die Gründung des Bundesverbands Kraft-Wärme-Kopplung und die Einführung des KWK-Gesetzes und auch die des EEG. Leider aber auch die vielen gesetzlichen und regulatorischen Änderungen seitdem. Aktuell stecken wir mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine wieder mitten in so einem prägenden Ereignis. Diese Krise zeigt uns wieder einmal, dass wir sparsam und effizient mit fossilen Brennstoffen umgehen und Alternativen aufbauen müssen. Denn sie zeigt auch, dass es ein Fehler ist, sich auf einen Lieferanten, Energieträger oder auch auf eine Erzeugungstechnologie festzulegen. Daraus wächst jetzt die Chance auf eine Energie- und Technologieoffenheit und die Abkehr von ideologischen Scheuklappen.

E&M: Sie sind 2014 mit in die Geschäftsführung eingestiegen. Setzen Sie andere Schwerpunkte als Ihr Vater?

Meinhold: Ich glaube, dass wir uns in der Unternehmensführung sehr ähnlich sind, vor allem weil wir den gleichen Wertekanon haben, den ich als Basis unseres Familienunternehmens sehe. Und da mich die Firma schon mein ganzes Leben begleitet, war es eigentlich gar kein richtiger Einstieg, sondern eher die Übernahme von unternehmerischer Verantwortung. Das bedeutet für mich vor allem, den Fokus auf die Herausforderungen und die Chancen in der Zukunft zu legen. Daher haben wir seit 2014 einen noch größeren Schwerpunkt auf die Digitalisierung gelegt. Neue Möglichkeiten zu erkennen und umzusetzen, war aber auch immer schon ein Schwerpunkt meines Vaters, der zum Beispiel die Steuerungen der ersten BHKW-Module noch selber programmiert hat. Wir haben mit unseren selbst entwickelten Systemen zur Fernsteuerung der BHKW-Anlagen per Modem schon sehr früh Maßstäbe gesetzt. Mit unserer heutigen Fernüberwachung per Internet und den dadurch kontinuierlich zur Verfügung stehenden Daten ergeben sich viele Optimierungsmöglichkeiten und Geschäftsmodelle, die ich vorantreiben möchte.

E&M: Wo liegen die Wachstumsstärken?

Meinhold: Ich sehe da drei Ebenen: Einmal wird die dezentrale KWK ganz einfach gebraucht, und zwar jetzt und langfristig als Backup für die wachsende volatile Stromerzeugung aus Wind und PV. Daher wollen und werden wir weiter wachsen, was wir auch bisher immer in Schritten nachhaltig und gesund getan haben. Eine unserer Stärken ist sicherlich aber auch, dass wir nicht um jeden Preis wachsen müssen, nur um irgendwelche Umsatz- und Gewinnziele zu erreichen oder Aktionäre zufriedenzustellen.

Zum andern treten wir seit über vier Jahrzehnten als konzernunabhängiges, mittelständisches Familienunternehmen aus Überzeugung für die Steigerung der Energieeffizienz ein und treiben deshalb den KWK-Ausbau aktiv voran.
Und letztlich trägt der Bereich Service und Wartung natürlich auch zu unserem Wachstum bei. Ein Teil der oben genannten Kapazitätserweiterungen ist der Material-, beziehungsweise Ersatzteilverfügbarkeit und der Umschlagshäufigkeit geschuldet. Es ist ja kein Geheimnis, dass die Kundenzufriedenheit aus dem Dreiklang Produkt, Projektabwicklung und über die Zeit vor allem Service erreicht wird. Darauf setzen wir auch bei der Digitalisierung einen Schwerpunkt, allen voran in den Bereichen Anlagenverfügbarkeit, vorausschauende Wartung und Instandhaltung und − gerade heute immer wichtiger − in der Teileverfügbarkeit.

E&M: Heute müssen BHKW mit verschiedenen Brennstoffen flexibel betrieben werden können und sollen zur Sektorenkopplung beitragen. Braucht es Ihrer Meinung nach neue Wirtschaftsmodelle oder Förderungen dafür?

Meinhold: In Ihrer Frage würde ich gerne ein ‚noch‘ ergänzen, denn oft wird gerade von der Politik unterschlagen, dass wir schon längst sehr flexibel sind. Sowohl bei der Betriebsweise als auch bezogen auf den Brennstoff. Das ist bei unseren BHKW Stand der Technik und wird zukünftig nur insofern eine Herausforderung sein, als die Frage sein wird, wann welches vor allem erneuerbare Gas in welchen Mengen zur Verfügung steht. Bei der Wirtschaftlichkeit sehe ich das Problem, dass der Energiemarkt noch nie wirklich marktwirtschaftlich geprägt war. Solange andere Erzeuger gefördert werden, direkt oder indirekt, wird auch die KWK eine Förderung brauchen. Insgesamt muss natürlich das Ziel sein, dass erstens der Staat weniger eingreift, und zweitens, dass sich ein Wettbewerbsumfeld etablieren kann, sodass die KWK ihre Wirtschaftlichkeit weiterhin durch Effizienz, Versorgungssicherheit und Verfügbarkeit erreicht. Der Wert der KWK liegt künftig weniger in der erzeugten Menge als vielmehr noch stärker in der Flexibilität und Verfügbarkeit der von ihr erzeugten Energie.

Das Problem ist nicht der Brennstoff, sondern der Lieferant

E&M: Welcher Herausforderung muss sich Ihrer Ansicht nach die KWK-Branche stellen? Insbesondere die Debatte ums teure Erdgas führt sogar dazu, dass KWK-Anlagen abgeschaltet werden.

Meinhold: Meine Überzeugung ist, dass das Problem nicht der Brennstoff ist, sondern der Lieferant und wir auch weiterhin mittelfristig Erdgas brauchen werden. Aber BHKW angesichts der turbulenten Energiepreise jetzt abzuschalten, halte ich für eine Kurzschlussentscheidung, denn die Physik ändert sich ja nicht. Wenn Gas eingesetzt wird, dann doch bitte unbedingt weiterhin hocheffizient. Und was die aktuelle Situation doch auch zeigt, ist, dass wir jede Kapazität im Strommarkt brauchen. Neben der weithin gegebenen Wirtschaftlichkeit von BHKW halte ich es deswegen nicht für sinnvoll, aus dem teuren Gas nur Wärme zu erzeugen und den Strom dann aus den knappen Kapazitäten im Markt zu hohen Preisen zu beziehen. Eine Chance sehe ich darin, dass die Branche zeigen kann, wie netzdienlich die KWK ist, und zudem erkannt wird, dass die bisher gefahrene ‚Elektronen-Strategie‘ − also der Plan, die Energieversorgung allein mit Strom sicherzustellen − riskant und letztlich gescheitert ist.

E&M: Wie kann die KWK künftig am besten eingesetzt werden, um die Energiewende zu meistern?

Meinhold: Für den Ausbau der Erneuerbaren in Form von Wind und PV wird auch der Ausbau der KWK notwendig sein. Die KWK wird damit vom ‚Dauerläufer‘ zum ‚grünen Sprinter‘ und als Backup-Kraftwerk langfristig der Partner der Erneuerbaren sein. Entscheidend wird sein, wie schnell eine Infrastruktur aufgebaut wird, die den Import, den Transport und die Speicherung und damit den Umstieg von fossilen Gasen auf erneuerbare umsetzt. Dazu gehört aber eben auch, Dogmen über Bord zu werfen und nicht weiterhin zu behaupten, die einzige Lösung sei vollständig im Inland erzeugter erneuerbarer Strom als Lösung für alle Sektoren. Wenn wir den Wohlstand und den Wirtschaftsstandort erhalten wollen, dann brauchen wir auch molekülbasierten Import, Transport und Speicherung von Energieträgern. Und die KWK steht bereit und ist dann noch flexibler, digitaler und komplett erneuerbar.

E&M: Um den Wasserstoff ist ein regelrechter Hype entstanden. Ist er das Allheilmittel oder sollte Deutschland seitens der Brennstoffe auf mehr Vielfalt setzen?

Meinhold: Ich bin sehr für Technologieoffenheit und daher auch dafür, eine Vielfalt bezüglich der Brennstoffe zuzulassen. Wasserstoff wird nicht die Lösung aller Probleme, aber wohl einer der wichtigsten Energieträger der Zukunft sein, um schnellstmöglich klimaneutral zu werden, gerade was die energieintensiven Industrien betrifft. Die Frage wird sein, wann, wo und wie viel grüner Wasserstoff zu welchem Preis zur Verfügung stehen wird. Viel spannender finde ich, dass wir als KWK-Branche doch gerade wieder eine Antwort auf den aktuell oder zukünftig möglichen Einsatz von unterschiedlichen Brennstoffen geben und zeigen, dass beispielsweise der Umstieg von Methan auf Propangas oder von anderen Gasen auf Biogas oder Wasserstoff jetzt schon problemlos möglich ist. Daher sehe ich die meisten Hersteller schon jetzt für die Zukunft gerüstet und den Rest entscheidet hoffentlich der Markt und die zukünftige Infrastruktur. Und wir haben das passende Produkt.

E&M: Wo wollen Sie mit dem Unternehmen stehen, wenn Sie das 50-jährige Jubiläum feiern?

Meinhold: Dafür habe ich drei Wünsche. Als erstes vor allem, dass wir spätestens dann wieder in einem friedlichen Europa leben, in dem der Osten mit Aussöhnung und Wiederaufbau befasst ist und verstanden wurde, dass Krieg kein Mittel der Wahl ist. Zweitens, dass wir alle bis dahin hoffentlich schon einen großen Schritt weiter auf dem Weg der Energiewende hin zur Klimaneutralität sind und unser Unternehmen dabei auch seinen Beitrag leisten konnte, auf einem erfolgreichen Pfad von Digitalisierung, Produktinnovationen, Verlässlichkeit und Internationalisierung.
Und zu guter Letzt würde ich mir wünschen, dass in der Politik ein Umdenken stattfindet, weg von einer Verbotspolitik hin zu geeigneten langfristigen Rahmenbedingungen, unter denen technische Lösungen entwickelt aber vor allem auch umgesetzt werden können. Denn die Energiewende passiert nicht in einer Denkfabrik.
 

Sokratherm GmbH

Das mittelständische Unternehmen Sokratherm wurde 1977 von Hermann Meinhold in Hiddenhausen (NRW) gegründet und ist seitdem auf dem Gebiet der Energie- und Wärmetechnik tätig. Die Firma stellt heute BHWK-Kompaktmodule her − also anschlussfertige Einheiten komplett mit Schalldämmgehäuse und darin integriertem Schaltschrank. Das Fertigungsprogramm wurde von der 50-kW-Klasse kontinuierlich zu immer höheren Leistungen erweitert: 1993 präsentierte der Hersteller ein 200-kW-BHKW-Kompaktmodul, führte 2007 eine 400-kW-Kompaktklasse ein und brachte 2013 den mit 532 kW leistungsstärksten BHKW-Typ in Kompaktbauweise auf den Markt. 2020 erfolgte mit der Inbetriebnahme eines eigenen 1.000-kW-Gensets der Sprung in die Megawattklasse.
Am Stammsitz in Hiddenhausen sind seit 2021 in einem neuen Bürogebäude die Abteilungen Verwaltung, Vertrieb und Projektabwicklung untergebracht. Sokratherm beschäftigt rund 150 Mitarbeitende und im Schnitt zehn Auszubildende.
 
 

 

Mittwoch, 7.12.2022, 09:15 Uhr
Heidi Roider
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe -
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Ausgabe
"Die KWK wird zum grünen Sprinter"
Sokratherm-Geschäftsführer Johannes Meinhold sieht die KWK als dezentrales Back-up-System, um mehr Erneuerbare zu integrieren. Dafür brauche es aber auch mehr Markt.
E&M: Herr Meinhold, Ihr Unternehmen existiert seit mehr als vier Jahrzehnten. In dem Namen ‚SOKRATHERM‘ steckt die Idee Ihres Vaters und Gründers, Hermann Meinhold, und die ist aktueller denn je. Wie genau setzt sich das Akronym zusammen?

Meinhold: Den Firmennamen hat mein Vater unter dem Eindruck der Ölkrisen in den 1970ern aus den Worten SOnne, KRAft und THERMie geformt. Ihm war vor allem durch sein Energietechnik-Studium klar geworden, dass die Verschwendung von Ressourcen so nicht weitergehen darf und dass den dominierenden Großkraftwerken ohne Wärmenutzung neue, dezentrale Ansätze entgegengesetzt werden müssen. Dass die Verbindung von unterschiedlichen Energiequellen, Erzeugern und Sektoren aktueller denn je ist, bestätigt die Vision, die mein Vater damals schon hatte und was letztendlich unser Unternehmensname heute noch zum Ausdruck bringt.

E&M: Ihr Vater gründete 1977 die Firma. Was wurde anfangs produziert?

Meinhold: Anfangs suchte mein Vater nach allen Möglichkeiten, ohne Öl zu heizen. Er arbeitete mit klassischen Gaskesseln, Kaminheizkesseln, Solarkollektoren und sehr früh auch schon mit Wärmepumpen. An denen hat ihn aber gestört, dass sie wertvollen Strom verbrauchen, der damals ja fast ausschließlich in Großkraftwerken mit immensen Wärmeverlusten erzeugt wurde. So kam er auf die Idee, den Strom für die Wärmepumpe selber zu erzeugen, und baute in unserer Garage aus einem Pkw-Motor und einem Generator ein ‚Motor-Heizaggregat‘, wie er es nannte. Weil man damals solche privaten Stromaggregate nicht mit dem öffentlichen Netz koppeln durfte, mussten diese Anlagen anfangs im sogenannten Inselbetrieb laufen. Erst ab Anfang 1980 durften die − inzwischen ‚Blockheizkraftwerk‘ genannten − Stromerzeuger mit dem Netz gekoppelt werden. Seitdem haben wir uns nur noch mit ‚BHKW-Kompaktmodulen‘ beschäftigt.
 
Sokratherm hat einen gläsernen BHKW-Container neben dem Büro aufgestellt, um das Produkt und die Anwendung für die Öffentlichkeit sichtbarer zu machen. Johannes Meinhold: „Wir zeigen das erfolgreiche Zusammenspiel aus effizienter Strom- und Wärmeerzeugung durch unser BHKW in Kombination mit einer PV-Anlage, einer Ladestation und einem Speicher“
Quelle: Sokratherm

E&M: Sie feiern nicht nur 45 Jahre Firmenjubiläum, sondern auch 30 Jahre Niederlassung Nordhausen. Wie kam es zu dieser Niederlassung und warum ist sie für die Firma wesentlich?

Meinhold: Mit den IFA Motorenwerke Nordhausen, die bis zur Wende ein bedeutender Hersteller von Lkw-Motoren waren, hatten wir 1990 einen Lizenzvertrag zum Bau von Blockheizkraftwerken auf Basis der IFA-Motoren geschlossen. Die Phase der Lizenzfertigung endete jedoch abrupt, als 1992 die ganze IFA von der Treuhand abgewickelt wurde. Daraufhin haben wir die dort gerade entstandene BHKW-Abteilung übernommen und 1996 unsere Fertigung von Hiddenhausen nach Nordhausen verlagert. Die nunmehr seit drei Jahrzehnten erfolgreiche Zusammenarbeit zeugt von einer einmaligen Erfolgsgeschichte nach der Wiedervereinigung. Was da zusammengewachsen ist, konnte man auch an unserer Firmenfeier spüren: eine große Wertschätzung unserer mittlerweile insgesamt fast 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die eher einem freundschaftlichen als nur einem kollegialen Miteinander entspricht.

„Diese Krise zeigt uns, dass wir sparsam und effizient mit fossilen Brennstoffen umgehen müssen“

E&M: Wenn man als Hersteller mehr als vier Jahrzehnte auf dem Markt ist, hat man Höhen und Tiefen hinter sich. Welche waren für das Unternehmen prägend?

Meinhold: Die Wiedervereinigung zählte definitiv zu den prägenden Ereignissen, ebenso wie ein Jahrzehnt später die Strommarktliberalisierung, die Gründung des Bundesverbands Kraft-Wärme-Kopplung und die Einführung des KWK-Gesetzes und auch die des EEG. Leider aber auch die vielen gesetzlichen und regulatorischen Änderungen seitdem. Aktuell stecken wir mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine wieder mitten in so einem prägenden Ereignis. Diese Krise zeigt uns wieder einmal, dass wir sparsam und effizient mit fossilen Brennstoffen umgehen und Alternativen aufbauen müssen. Denn sie zeigt auch, dass es ein Fehler ist, sich auf einen Lieferanten, Energieträger oder auch auf eine Erzeugungstechnologie festzulegen. Daraus wächst jetzt die Chance auf eine Energie- und Technologieoffenheit und die Abkehr von ideologischen Scheuklappen.

E&M: Sie sind 2014 mit in die Geschäftsführung eingestiegen. Setzen Sie andere Schwerpunkte als Ihr Vater?

Meinhold: Ich glaube, dass wir uns in der Unternehmensführung sehr ähnlich sind, vor allem weil wir den gleichen Wertekanon haben, den ich als Basis unseres Familienunternehmens sehe. Und da mich die Firma schon mein ganzes Leben begleitet, war es eigentlich gar kein richtiger Einstieg, sondern eher die Übernahme von unternehmerischer Verantwortung. Das bedeutet für mich vor allem, den Fokus auf die Herausforderungen und die Chancen in der Zukunft zu legen. Daher haben wir seit 2014 einen noch größeren Schwerpunkt auf die Digitalisierung gelegt. Neue Möglichkeiten zu erkennen und umzusetzen, war aber auch immer schon ein Schwerpunkt meines Vaters, der zum Beispiel die Steuerungen der ersten BHKW-Module noch selber programmiert hat. Wir haben mit unseren selbst entwickelten Systemen zur Fernsteuerung der BHKW-Anlagen per Modem schon sehr früh Maßstäbe gesetzt. Mit unserer heutigen Fernüberwachung per Internet und den dadurch kontinuierlich zur Verfügung stehenden Daten ergeben sich viele Optimierungsmöglichkeiten und Geschäftsmodelle, die ich vorantreiben möchte.

E&M: Wo liegen die Wachstumsstärken?

Meinhold: Ich sehe da drei Ebenen: Einmal wird die dezentrale KWK ganz einfach gebraucht, und zwar jetzt und langfristig als Backup für die wachsende volatile Stromerzeugung aus Wind und PV. Daher wollen und werden wir weiter wachsen, was wir auch bisher immer in Schritten nachhaltig und gesund getan haben. Eine unserer Stärken ist sicherlich aber auch, dass wir nicht um jeden Preis wachsen müssen, nur um irgendwelche Umsatz- und Gewinnziele zu erreichen oder Aktionäre zufriedenzustellen.

Zum andern treten wir seit über vier Jahrzehnten als konzernunabhängiges, mittelständisches Familienunternehmen aus Überzeugung für die Steigerung der Energieeffizienz ein und treiben deshalb den KWK-Ausbau aktiv voran.
Und letztlich trägt der Bereich Service und Wartung natürlich auch zu unserem Wachstum bei. Ein Teil der oben genannten Kapazitätserweiterungen ist der Material-, beziehungsweise Ersatzteilverfügbarkeit und der Umschlagshäufigkeit geschuldet. Es ist ja kein Geheimnis, dass die Kundenzufriedenheit aus dem Dreiklang Produkt, Projektabwicklung und über die Zeit vor allem Service erreicht wird. Darauf setzen wir auch bei der Digitalisierung einen Schwerpunkt, allen voran in den Bereichen Anlagenverfügbarkeit, vorausschauende Wartung und Instandhaltung und − gerade heute immer wichtiger − in der Teileverfügbarkeit.

E&M: Heute müssen BHKW mit verschiedenen Brennstoffen flexibel betrieben werden können und sollen zur Sektorenkopplung beitragen. Braucht es Ihrer Meinung nach neue Wirtschaftsmodelle oder Förderungen dafür?

Meinhold: In Ihrer Frage würde ich gerne ein ‚noch‘ ergänzen, denn oft wird gerade von der Politik unterschlagen, dass wir schon längst sehr flexibel sind. Sowohl bei der Betriebsweise als auch bezogen auf den Brennstoff. Das ist bei unseren BHKW Stand der Technik und wird zukünftig nur insofern eine Herausforderung sein, als die Frage sein wird, wann welches vor allem erneuerbare Gas in welchen Mengen zur Verfügung steht. Bei der Wirtschaftlichkeit sehe ich das Problem, dass der Energiemarkt noch nie wirklich marktwirtschaftlich geprägt war. Solange andere Erzeuger gefördert werden, direkt oder indirekt, wird auch die KWK eine Förderung brauchen. Insgesamt muss natürlich das Ziel sein, dass erstens der Staat weniger eingreift, und zweitens, dass sich ein Wettbewerbsumfeld etablieren kann, sodass die KWK ihre Wirtschaftlichkeit weiterhin durch Effizienz, Versorgungssicherheit und Verfügbarkeit erreicht. Der Wert der KWK liegt künftig weniger in der erzeugten Menge als vielmehr noch stärker in der Flexibilität und Verfügbarkeit der von ihr erzeugten Energie.

Das Problem ist nicht der Brennstoff, sondern der Lieferant

E&M: Welcher Herausforderung muss sich Ihrer Ansicht nach die KWK-Branche stellen? Insbesondere die Debatte ums teure Erdgas führt sogar dazu, dass KWK-Anlagen abgeschaltet werden.

Meinhold: Meine Überzeugung ist, dass das Problem nicht der Brennstoff ist, sondern der Lieferant und wir auch weiterhin mittelfristig Erdgas brauchen werden. Aber BHKW angesichts der turbulenten Energiepreise jetzt abzuschalten, halte ich für eine Kurzschlussentscheidung, denn die Physik ändert sich ja nicht. Wenn Gas eingesetzt wird, dann doch bitte unbedingt weiterhin hocheffizient. Und was die aktuelle Situation doch auch zeigt, ist, dass wir jede Kapazität im Strommarkt brauchen. Neben der weithin gegebenen Wirtschaftlichkeit von BHKW halte ich es deswegen nicht für sinnvoll, aus dem teuren Gas nur Wärme zu erzeugen und den Strom dann aus den knappen Kapazitäten im Markt zu hohen Preisen zu beziehen. Eine Chance sehe ich darin, dass die Branche zeigen kann, wie netzdienlich die KWK ist, und zudem erkannt wird, dass die bisher gefahrene ‚Elektronen-Strategie‘ − also der Plan, die Energieversorgung allein mit Strom sicherzustellen − riskant und letztlich gescheitert ist.

E&M: Wie kann die KWK künftig am besten eingesetzt werden, um die Energiewende zu meistern?

Meinhold: Für den Ausbau der Erneuerbaren in Form von Wind und PV wird auch der Ausbau der KWK notwendig sein. Die KWK wird damit vom ‚Dauerläufer‘ zum ‚grünen Sprinter‘ und als Backup-Kraftwerk langfristig der Partner der Erneuerbaren sein. Entscheidend wird sein, wie schnell eine Infrastruktur aufgebaut wird, die den Import, den Transport und die Speicherung und damit den Umstieg von fossilen Gasen auf erneuerbare umsetzt. Dazu gehört aber eben auch, Dogmen über Bord zu werfen und nicht weiterhin zu behaupten, die einzige Lösung sei vollständig im Inland erzeugter erneuerbarer Strom als Lösung für alle Sektoren. Wenn wir den Wohlstand und den Wirtschaftsstandort erhalten wollen, dann brauchen wir auch molekülbasierten Import, Transport und Speicherung von Energieträgern. Und die KWK steht bereit und ist dann noch flexibler, digitaler und komplett erneuerbar.

E&M: Um den Wasserstoff ist ein regelrechter Hype entstanden. Ist er das Allheilmittel oder sollte Deutschland seitens der Brennstoffe auf mehr Vielfalt setzen?

Meinhold: Ich bin sehr für Technologieoffenheit und daher auch dafür, eine Vielfalt bezüglich der Brennstoffe zuzulassen. Wasserstoff wird nicht die Lösung aller Probleme, aber wohl einer der wichtigsten Energieträger der Zukunft sein, um schnellstmöglich klimaneutral zu werden, gerade was die energieintensiven Industrien betrifft. Die Frage wird sein, wann, wo und wie viel grüner Wasserstoff zu welchem Preis zur Verfügung stehen wird. Viel spannender finde ich, dass wir als KWK-Branche doch gerade wieder eine Antwort auf den aktuell oder zukünftig möglichen Einsatz von unterschiedlichen Brennstoffen geben und zeigen, dass beispielsweise der Umstieg von Methan auf Propangas oder von anderen Gasen auf Biogas oder Wasserstoff jetzt schon problemlos möglich ist. Daher sehe ich die meisten Hersteller schon jetzt für die Zukunft gerüstet und den Rest entscheidet hoffentlich der Markt und die zukünftige Infrastruktur. Und wir haben das passende Produkt.

E&M: Wo wollen Sie mit dem Unternehmen stehen, wenn Sie das 50-jährige Jubiläum feiern?

Meinhold: Dafür habe ich drei Wünsche. Als erstes vor allem, dass wir spätestens dann wieder in einem friedlichen Europa leben, in dem der Osten mit Aussöhnung und Wiederaufbau befasst ist und verstanden wurde, dass Krieg kein Mittel der Wahl ist. Zweitens, dass wir alle bis dahin hoffentlich schon einen großen Schritt weiter auf dem Weg der Energiewende hin zur Klimaneutralität sind und unser Unternehmen dabei auch seinen Beitrag leisten konnte, auf einem erfolgreichen Pfad von Digitalisierung, Produktinnovationen, Verlässlichkeit und Internationalisierung.
Und zu guter Letzt würde ich mir wünschen, dass in der Politik ein Umdenken stattfindet, weg von einer Verbotspolitik hin zu geeigneten langfristigen Rahmenbedingungen, unter denen technische Lösungen entwickelt aber vor allem auch umgesetzt werden können. Denn die Energiewende passiert nicht in einer Denkfabrik.
 

Sokratherm GmbH

Das mittelständische Unternehmen Sokratherm wurde 1977 von Hermann Meinhold in Hiddenhausen (NRW) gegründet und ist seitdem auf dem Gebiet der Energie- und Wärmetechnik tätig. Die Firma stellt heute BHWK-Kompaktmodule her − also anschlussfertige Einheiten komplett mit Schalldämmgehäuse und darin integriertem Schaltschrank. Das Fertigungsprogramm wurde von der 50-kW-Klasse kontinuierlich zu immer höheren Leistungen erweitert: 1993 präsentierte der Hersteller ein 200-kW-BHKW-Kompaktmodul, führte 2007 eine 400-kW-Kompaktklasse ein und brachte 2013 den mit 532 kW leistungsstärksten BHKW-Typ in Kompaktbauweise auf den Markt. 2020 erfolgte mit der Inbetriebnahme eines eigenen 1.000-kW-Gensets der Sprung in die Megawattklasse.
Am Stammsitz in Hiddenhausen sind seit 2021 in einem neuen Bürogebäude die Abteilungen Verwaltung, Vertrieb und Projektabwicklung untergebracht. Sokratherm beschäftigt rund 150 Mitarbeitende und im Schnitt zehn Auszubildende.
 
 

 

Mittwoch, 7.12.2022, 09:15 Uhr
Heidi Roider

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