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Energie & Management > Wasserstoff - Puddingprobe für die Energiewende
Bild: iStock/Frank Harms
Wasserstoff

Puddingprobe für die Energiewende

In der Entwicklung von Wasserstofftechnologien hat Deutschland eine Spitzenposition. Doch bis zum „proof of the pudding“ (etwa: Probieren geht über Studieren) ist es wohl noch weit.
„Woher kommt der Wasserstoff, den wir in Deutschland brauchen?“ Diese Frage hat der Bundesverband der deutschen Industrie jetzt aufgeworfen. Der illustre Kreis, der sich auf dem „Tag der Industrie“ mit dem Hoffnungsträger in der Energiewende befasste, sann allerdings mehr über das „Wann“ als das „Woher“ nach. Tenor auf der Onlinerunde: Technologien müssen schneller in den Markt gebracht werden.

„Wir haben ein echtes Problem in der Umsetzungsgeschwindigkeit“, sagte Prof. Armin Schnettler von Siemens Energy. Industrie, Forschungseinrichtungen und Universitäten müssten aufs Tempo drücken, um Lösungen zur Marktreife zu bringen. „Wenn ich mir die Historie anschaue: Alle vier bis fünf Jahre hat sich die Leistungsklasse der Elektrolyseure verzehnfacht. Wir sind jetzt in der zweistelligen Megawattklasse“, schilderte Schnettler. Aktuelle Projekte zielten auf Werte über 100 MW. „Das reicht bei Weitem nicht aus.“ Ein Knackpunkt sind auch die Dimensionen. Ein Elektrolyseur mit einer Leistung von 150 MW brauche so viel Platz wie ein Fußballfeld.

Rund 100 Fußballfelder – 15.000 MW – bräuchte nach derzeitigem technischem Stand allein die deutsche Stahlindustrie, um die gesamte Produktion bis zum Jahr 2035 auf grünen Wasserstoff umzustellen, gab Katherina Reiche zu bedenken. Die Bedarfe liegen „weit über dem, was momentan die Bundesregierung prognostiziert oder auch plant“, sagte die Chefin der Eon-Tochter Westenergie und Vorsitzende des nationalen Wasserstoffrats. Hintergrund: Der Regierung schwebt bis 2030 eine Leistung von 5.000 MW vor.

Bis 2030 steige der Bedarf voraussichtlich auf 57 bis 80 Mrd. kWh, sagte Reiche. Für 2040 werde mit 300 Mrd. kWh gerechnet, für 2050 sogar mit einem Bedarf zwischen 400 und 800 Mrd. kWh. Bislang habe man die Energiewende häufig durch eine „Strombrille“ betrachtet, kritisierte Reiche. Wasserstoff sei ein „Muss, wenn man die Industrienationen mit Arbeitsplätzen und Wertschöpfungsketten erhalten will“. Deutschland habe auf jeden Fall weiteren „Zubaubedarf“. Dafür brauche es schnellere Genehmigungsverfahren.

Außer Frage stand in der Runde, dass Deutschland die Energieversorgung nicht allein stemmen kann. „Wir werden ein Importland für Energie bleiben und wir werden nicht hundert Prozent elektrifizieren“, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des BDI, Holger Lösch. Erkenne man diese beiden Fakten an, dann müsse man die Schlussfolgerung ziehen: „Wir brauchen Wasserstoff als zweite Säule.“

„Das ist fahrlässig“

Sehr schnell notwendig seien jetzt Demonstrationsobjekte, die in die Skalierung gehen. Man könne nicht sagen, wir gucken erst mal, wie weit wir mit dem Strom kommen, und nach 2030 schauen wir, ob wir dann noch Wasserstoff brauchen. „Das ist fahrlässig“, monierte Lösch. „Mein größtes Problem ist die Ehrlichkeit in der politischen Debatte.“ Für die deutsche Industrie sieht er in der globalen Wirtschaft „große Marktchancen“ zusammen mit Partnern.

Ähnliches erwartet sich der australische Botschafter. „Deutschland ist ein Leader in eine grüne Zukunft“, sagte Philip Green. „Wenn ich australische Unternehmer frage, wohin sie nach den Schlüsseltechnologien schauen, die sie benötigen, um grünen Wasserstoff zu liefern, dann ist klare Antwort: Wir informieren uns zuerst in Deutschland.“

Die ersten politischen Weichen dafür sind gestellt. Beide Länder haben im Juni eine „Wasserstoffvereinbarung“ unterzeichnet. „Wir haben das Land, den Wind, die Sonne“, sagte Green. Allein auf 3 % der australischen Landfläche könnten – nur solar betrachtet – jedes Jahr zehnmal so viel grüne Wasserstoffmoleküle produziert werden, wie Deutschland benötigt.
 

Montag, 21.06.2021, 16:53 Uhr
Manfred Fischer
Energie & Management > Wasserstoff - Puddingprobe für die Energiewende
Bild: iStock/Frank Harms
Wasserstoff
Puddingprobe für die Energiewende
In der Entwicklung von Wasserstofftechnologien hat Deutschland eine Spitzenposition. Doch bis zum „proof of the pudding“ (etwa: Probieren geht über Studieren) ist es wohl noch weit.
„Woher kommt der Wasserstoff, den wir in Deutschland brauchen?“ Diese Frage hat der Bundesverband der deutschen Industrie jetzt aufgeworfen. Der illustre Kreis, der sich auf dem „Tag der Industrie“ mit dem Hoffnungsträger in der Energiewende befasste, sann allerdings mehr über das „Wann“ als das „Woher“ nach. Tenor auf der Onlinerunde: Technologien müssen schneller in den Markt gebracht werden.

„Wir haben ein echtes Problem in der Umsetzungsgeschwindigkeit“, sagte Prof. Armin Schnettler von Siemens Energy. Industrie, Forschungseinrichtungen und Universitäten müssten aufs Tempo drücken, um Lösungen zur Marktreife zu bringen. „Wenn ich mir die Historie anschaue: Alle vier bis fünf Jahre hat sich die Leistungsklasse der Elektrolyseure verzehnfacht. Wir sind jetzt in der zweistelligen Megawattklasse“, schilderte Schnettler. Aktuelle Projekte zielten auf Werte über 100 MW. „Das reicht bei Weitem nicht aus.“ Ein Knackpunkt sind auch die Dimensionen. Ein Elektrolyseur mit einer Leistung von 150 MW brauche so viel Platz wie ein Fußballfeld.

Rund 100 Fußballfelder – 15.000 MW – bräuchte nach derzeitigem technischem Stand allein die deutsche Stahlindustrie, um die gesamte Produktion bis zum Jahr 2035 auf grünen Wasserstoff umzustellen, gab Katherina Reiche zu bedenken. Die Bedarfe liegen „weit über dem, was momentan die Bundesregierung prognostiziert oder auch plant“, sagte die Chefin der Eon-Tochter Westenergie und Vorsitzende des nationalen Wasserstoffrats. Hintergrund: Der Regierung schwebt bis 2030 eine Leistung von 5.000 MW vor.

Bis 2030 steige der Bedarf voraussichtlich auf 57 bis 80 Mrd. kWh, sagte Reiche. Für 2040 werde mit 300 Mrd. kWh gerechnet, für 2050 sogar mit einem Bedarf zwischen 400 und 800 Mrd. kWh. Bislang habe man die Energiewende häufig durch eine „Strombrille“ betrachtet, kritisierte Reiche. Wasserstoff sei ein „Muss, wenn man die Industrienationen mit Arbeitsplätzen und Wertschöpfungsketten erhalten will“. Deutschland habe auf jeden Fall weiteren „Zubaubedarf“. Dafür brauche es schnellere Genehmigungsverfahren.

Außer Frage stand in der Runde, dass Deutschland die Energieversorgung nicht allein stemmen kann. „Wir werden ein Importland für Energie bleiben und wir werden nicht hundert Prozent elektrifizieren“, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des BDI, Holger Lösch. Erkenne man diese beiden Fakten an, dann müsse man die Schlussfolgerung ziehen: „Wir brauchen Wasserstoff als zweite Säule.“

„Das ist fahrlässig“

Sehr schnell notwendig seien jetzt Demonstrationsobjekte, die in die Skalierung gehen. Man könne nicht sagen, wir gucken erst mal, wie weit wir mit dem Strom kommen, und nach 2030 schauen wir, ob wir dann noch Wasserstoff brauchen. „Das ist fahrlässig“, monierte Lösch. „Mein größtes Problem ist die Ehrlichkeit in der politischen Debatte.“ Für die deutsche Industrie sieht er in der globalen Wirtschaft „große Marktchancen“ zusammen mit Partnern.

Ähnliches erwartet sich der australische Botschafter. „Deutschland ist ein Leader in eine grüne Zukunft“, sagte Philip Green. „Wenn ich australische Unternehmer frage, wohin sie nach den Schlüsseltechnologien schauen, die sie benötigen, um grünen Wasserstoff zu liefern, dann ist klare Antwort: Wir informieren uns zuerst in Deutschland.“

Die ersten politischen Weichen dafür sind gestellt. Beide Länder haben im Juni eine „Wasserstoffvereinbarung“ unterzeichnet. „Wir haben das Land, den Wind, die Sonne“, sagte Green. Allein auf 3 % der australischen Landfläche könnten – nur solar betrachtet – jedes Jahr zehnmal so viel grüne Wasserstoffmoleküle produziert werden, wie Deutschland benötigt.
 

Montag, 21.06.2021, 16:53 Uhr
Manfred Fischer

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