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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - Integrierte Energiesysteme: die Zukunft der KWK?
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Ausgabe

Integrierte Energiesysteme: die Zukunft der KWK?

In integrierten Energiesystemen könnte die KWK dazu beitragen, die lokalen erneuerbaren Ressourcen bestmöglich zu nutzen. Ein Praxisbeispiel aus Freilassing.
Erneuerbare Ressourcen vor Ort konsequent nutzen, die Abhängigkeit von Erdgas reduzieren, mehr Schnittstellen zwischen den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr schaffen sowie die Versorgungssicherheit auch künftig auf einem hohen Niveau gewährleisten: Die Aufgaben beim Umbau des heutigen Energiesystems sind vielfältig. Es braucht daher ganzheitliche Ansätze, wenn ein geschicktes Zusammenspiel der gekoppelten Strom-, Wärme- und Kältebereitstellung und die Integration weiterer erneuerbarer Erzeuger funktionieren soll.

Diese Transformationen bestehender Erzeugungsanlagen zu integrierten Energiekonzepten (siehe auch Kasten) stellen viele Betreiber vor große Herausforderungen. Ein Beispiel, wie ein solches Konzept in der Praxis aussehen kann, ist vom bayerischen Energieverbund Freilassing (Enver) in den letzten Jahren umgesetzt worden. Im Rahmen einer KWK-Roadshow ist das Projekt vorgestellt worden. Organisiert wird die Roadshow − die in den nächsten Monaten weitere Projekte vorstellen wird − von Bayern Innovativ im Auftrag der Landesagentur für Energie und Klimaschutz (LENK) und in enger Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum KWK und dem Institut für Energietechnik der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden (OTH).
 
Die Energiezentrale des Energieverbunds Freilassing
Quelle: Stadt Freilassing

„Das Ziel in Freilassing war immer schon, bei der Energieversorgung auf mehreren Standbeinen zu stehen und die Ressourcen vor Ort zu nutzen“, sagte Freilassings Bürgermeister Markus Hiebl bei der Vorstellung des Energieverbunds Freilassing im Oktober. Da für die neue Sport- und Freizeitanlage „Badylon“ mit Dreifachsporthalle und Hallenbad nach einem schweren Hochwasser 2013 ohnehin die Energieversorgung neu geplant werden musste, hat man die Gelegenheit genutzt und einen Energieverbund zwischen mehreren städtischen Gebäuden genauer untersucht und auch umgesetzt. „Parallel zum Wärmenetz wurde ein Stromverbund zwischen den städtischen Gebäuden aufgebaut. In dieser Form ist ein solcher Zusammenschluss zur Energiegewinnung bisher einmalig“, so Hiebl.

Die elektrische Versorgung erfolgt über mehrere Photovoltaikanlagen und über die Blockheizkraftwerke in der Kläranlage und der Heizzentrale. Die über das Stadtgebiet verteilten Gebäude bilden aus energierechtlicher Sicht ein eigenes Areal, das sich vollständig selbst mit Wärme und zu einem großen Teil selbst mit Strom versorgt.
Das Beispiel zeige, dass ein Umstieg auf nachhaltige Alternativen auch immer ein Umstieg auf mehrere Energieträger ist. „Damit werden die Energiesysteme auch resilienter“, sagte Raphael Lechner, Geschäftsführer des Kompetenzzentrums Kraft-Wärme-Kopplung an der Ostbayerischen Technische Hochschule Amberg-Weiden bei der Vorstellung des Projekts in Freilassing.

Insbesondere im Wärmebereich gibt es bundesweit einen Nachholbedarf beim Einsatz von erneuerbaren Energien. Die Volatilität der Erneuerbaren muss jedoch ausgeglichen werden. Das gehe am besten mit der Sektorkopplung − also mit integrierten Energiesystemen. „In solchen Systemen wird auch künftig die Kraft-Wärme-Kopplung ein Bestandteil sein, aber nicht mehr der Hauptbestandteil“, sagte Lechner.

Freilassing versorgt kommunale Liegenschaften über einen Verbund

In Freilassing setzt der Energieverbund auf die regional verfügbare Biomasse sowie Klär- und Deponiegas. Die Versorgung erfolgt daher über Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, die überwiegend mit Klärgas aus der Kläranlage versorgt und mit Erdgas als zweitem Brennstoff betrieben werden. Ergänzend kommt ein Biomassekessel zum Einsatz, der auch städtische Grüngutabfälle verwerten kann.

Im Enver sind neben Grund- und Mittelschule sowie Bücherei vier weitere kommunale Liegenschaften energetisch verbunden: das Vereinsheim, das Freizeitzentrum Badylon sowie der kommunale Betriebshof. Letzterer hängt lediglich am Strom-, nicht am Wärmenetz. Zwei Trafostationen aus dem Bestand und die neu errichtete Energiezentrale bilden die notwendigen Versorgungseinrichtungen. Dem Projekt kam außerdem zugute, dass der größte Verbraucher des Verbunds, das Badylon, und die Kläranlage nah beieinander liegen.
 
Blick in die Energiezentrale in Freilassing
Quelle: Stadt Freilassing/Egon Tempelin

Den Verbund zeichnet zudem aus, dass er auf einen Batteriespeicher im Stromarealnetz verzichtet. Drei Blockheizkraftwerke, fünf PV-Anlagen, Hackschnitzelheizung, Klärgasspeicher und Wärmepufferspeicher sind die Hauptkomponenten. Hinzu kommt ein Gasbrennwertkessel zur Spitzenlastabdeckung. Ein eigenständiges übergeordnetes Energiemanagementsystem (EMS) steuert und optimiert die Anlagen. Das EMS ermöglicht auch eine vorausschauende Energiebedarfsermittlung der angeschlossenen Liegenschaften.

Da im Sommer weniger Wärmebedarf herrscht als im Winter, gleichen in der kalten Jahreszeit die BHKW die geringeren Tageserträge der PV-Anlage aus. Nach Aussage von Enver ist das System so berechnet, dass kaum Strom ins Netz fließt. Einen Großteil zur Wärmeversorgung steuern jene zwei BHKW von Funke bei, die im Klärwerk stationiert sind. Sie können sowohl mit Erd- als auch mit Klärgas betrieben werden, wobei letztere Ökoenergiequelle etwa 60 % zur gesamten Wärmemenge des Netzes beisteuert. Die Wärme wird über ein knapp ein Kilometer langes Wärmenetz zu den Gebäuden transportiert.

Nachhaltigkeit stehe bei der Primärenergie im Vordergrund, nicht der Preis, heißt es. So würden die Hackschnitzel zum erheblichen Teil aus Straßenbegleitgrün oder abgestorbenen Pappeln hergestellt. Dabei seien Aufbereitung und Entsorgung die Kostenfaktoren, auch wenn der Rohstoff an sich nichts koste. Bei der Umsetzung des Projekts habe die Stadt die Wirtschaftlichkeit ein wenig hintangestellt, um ein langfristig tragfähiges Konzept zu erhalten, so Hiebl. Dennoch sei das Gesamtkonzept auf längere Sicht wirtschaftlich und erhöhe die Unabhängigkeit vom Erdgas.

Neue Förderinstrumente für innovative Konzepte

Bei den aktuellen Entwicklungen in ganz Deutschland steht insbesondere der Brennstoff im Fokus. Hier verwies Patrick Dirr vom IfE bei der Roadshow in Freilassing darauf, dass KWK-Anlagen mit verschiedenen Brennstoffen betrieben werden können − neben Biogas, Biomasse oder Klärgas liefen neue Motoren bereits mit Wasserstoff. Ein Vorzeigeprojekt für die Wasserstoffnutzung haben die Stadtwerke Haßfurt umgesetzt. Das H2-fähige BHKW vom Hersteller 2G Energy ermöglicht einen Betrieb mit reinem Wasserstoff ohne fossile Brennstoffanteile. Damit wurde vor rund vier Jahren erstmals in der kommunalen Praxis eine wasserstoffbasierte und CO2-freie Speicherkette für regenerativen Strom geschaffen, die von der Stromerzeugung aus Windenergie über die Umwandlung in Wasserstoff mittels Elektrolyse und Speicherung in Drucktanks bis zur Rückverstromung über Kraft-Wärme-Kopplung reicht.

Um die energie- und klimapolitischen Ziele der Bundesregierung umzusetzen, setzt unter anderem auch das Wirtschaftsministerium auf die Entwicklung und Realisierung neuer Lösungen. Um solche integrierten Energiesysteme zu fördern, wird es daher künftig auch neue Ausschreibungsverfahren für innovative Konzepte geben. Ergänzend zur bisherigen Innovationsausschreibung wurde mit dem EEG 2023 vom Gesetzgeber beispielsweise eine Ausschreibung für innovative Konzepte zur Kombination erneuerbarer Energien mit lokaler, wasserstoffbasierter Stromspeicherung geschaffen.

Eine bereits bestehende ist die Ausschreibung für innovative KWK-Systeme. Bei einem iKWK-System wird ein Blockheizkraftwerk mit einer erneuerbaren Wärmequelle und einem elektrischen Wärmeerzeuger zu einem System verbunden. Als elektrischer Wärmeerzeuger kommt etwa eine Power-to-Heat-Anlage in Betracht. Alle Komponenten müssen zwingend in dasselbe Wärme- oder Kältenetz einspeisen und über eine gemeinsame Steuerungs- und Regelungstechnik verfügen. Seit Juni 2018 können Unternehmen zweimal im Jahr an iKWK-Ausschreibungen teilnehmen. Vor allem Stadtwerke haben seitdem solche Projekte umgesetzt, etwa in Bayreuth, Lemgo, Bad Reichenhall oder Heidelberg. Mittlerweile sind in acht iKWK-Ausschreibungsrunden der Bundesnetzagentur knapp 50 Projekte bundesweit bezuschlagt worden.

Neben den Ausschreibungen gibt es auch Fördermöglichkeiten für Kommunen und Unternehmen. Zwei davon sind zum Beispiel die im September in Kraft getretene Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) sowie die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG). Auch die KfW gewährt Kredite und Zuschüsse für neue Energiekonzepte in den Kommunen.

Zudem will die Bundesregierung eine verpflichtende kommunale Wärmeplanung (KWP) einführen als zentrales Koordinierungsinstrument für die Wärmewende vor Ort. Die KWP soll künftig Investitionssicherheit für die nötige Entwicklung der Infrastruktur vor allem für Wärmenetze, aber auch für Gas- und Stromnetze schaffen. Sie ist laut dem Bundeswirtschaftsministerium ein zentraler Baustein der Energiewende und ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer größeren Unabhängigkeit von importierten fossilen Energieträgern. Bis Ende des Jahres soll ein Gesetzentwurf vorliegen.

Als Fazit bei der Veranstaltung in Freilassing sagte Lechner, dass solche integrierten Energiesysteme mit KWK „hocheffizient, flexibel und resilient“ die Versorgungssicherheit gewährleisten können. Die KWK wird zwar künftig in diesen Systemen nicht mehr die Hauptkomponente bilden, aber ein wichtiger Teil sein. Für eine optimale Nutzung integrierter Energiesysteme sei es jedoch erforderlich, so der Energietechnik-Experte, dass Erzeuger und Verbraucher auf Objekt- und Quartiersebene sektorübergreifend gemeinsam gesteuert werden. Dazu seien harmonisierte Standards wünschenswert.

Das Beispiel Freilassing zeigt schon heute, wie regionale Ressourcen optimal genutzt werden können. Das in Freilassing umgesetzte Modell könne somit als Blaupause für eine Vielzahl weiterer bayerischer Kommunen dienen, die ihre vor Ort vorhandenen regenerativen Ressourcen nutzen und ihre Energiekosten senken wollen.

Integrierte Energiesysteme:
  • koppeln die Erzeuger- und Verbrauchssektoren und nutzen so die vorhandenen Ressourcen bestmöglich aus,
  • vermeiden durch Integration verschiedener Energiequellen und Brennstoffflexibilität Lock-in-Effekte
  • und können durch die Integration von KWK-Systemen flexibel angebots- und nachfrageorientiert betrieben werden und tragen so zur Residuallastdeckung und Systemstabilität bei.

Freitag, 4.11.2022, 09:00 Uhr
Heidi Roider
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - Integrierte Energiesysteme: die Zukunft der KWK?
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Ausgabe
Integrierte Energiesysteme: die Zukunft der KWK?
In integrierten Energiesystemen könnte die KWK dazu beitragen, die lokalen erneuerbaren Ressourcen bestmöglich zu nutzen. Ein Praxisbeispiel aus Freilassing.
Erneuerbare Ressourcen vor Ort konsequent nutzen, die Abhängigkeit von Erdgas reduzieren, mehr Schnittstellen zwischen den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr schaffen sowie die Versorgungssicherheit auch künftig auf einem hohen Niveau gewährleisten: Die Aufgaben beim Umbau des heutigen Energiesystems sind vielfältig. Es braucht daher ganzheitliche Ansätze, wenn ein geschicktes Zusammenspiel der gekoppelten Strom-, Wärme- und Kältebereitstellung und die Integration weiterer erneuerbarer Erzeuger funktionieren soll.

Diese Transformationen bestehender Erzeugungsanlagen zu integrierten Energiekonzepten (siehe auch Kasten) stellen viele Betreiber vor große Herausforderungen. Ein Beispiel, wie ein solches Konzept in der Praxis aussehen kann, ist vom bayerischen Energieverbund Freilassing (Enver) in den letzten Jahren umgesetzt worden. Im Rahmen einer KWK-Roadshow ist das Projekt vorgestellt worden. Organisiert wird die Roadshow − die in den nächsten Monaten weitere Projekte vorstellen wird − von Bayern Innovativ im Auftrag der Landesagentur für Energie und Klimaschutz (LENK) und in enger Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum KWK und dem Institut für Energietechnik der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden (OTH).
 
Die Energiezentrale des Energieverbunds Freilassing
Quelle: Stadt Freilassing

„Das Ziel in Freilassing war immer schon, bei der Energieversorgung auf mehreren Standbeinen zu stehen und die Ressourcen vor Ort zu nutzen“, sagte Freilassings Bürgermeister Markus Hiebl bei der Vorstellung des Energieverbunds Freilassing im Oktober. Da für die neue Sport- und Freizeitanlage „Badylon“ mit Dreifachsporthalle und Hallenbad nach einem schweren Hochwasser 2013 ohnehin die Energieversorgung neu geplant werden musste, hat man die Gelegenheit genutzt und einen Energieverbund zwischen mehreren städtischen Gebäuden genauer untersucht und auch umgesetzt. „Parallel zum Wärmenetz wurde ein Stromverbund zwischen den städtischen Gebäuden aufgebaut. In dieser Form ist ein solcher Zusammenschluss zur Energiegewinnung bisher einmalig“, so Hiebl.

Die elektrische Versorgung erfolgt über mehrere Photovoltaikanlagen und über die Blockheizkraftwerke in der Kläranlage und der Heizzentrale. Die über das Stadtgebiet verteilten Gebäude bilden aus energierechtlicher Sicht ein eigenes Areal, das sich vollständig selbst mit Wärme und zu einem großen Teil selbst mit Strom versorgt.
Das Beispiel zeige, dass ein Umstieg auf nachhaltige Alternativen auch immer ein Umstieg auf mehrere Energieträger ist. „Damit werden die Energiesysteme auch resilienter“, sagte Raphael Lechner, Geschäftsführer des Kompetenzzentrums Kraft-Wärme-Kopplung an der Ostbayerischen Technische Hochschule Amberg-Weiden bei der Vorstellung des Projekts in Freilassing.

Insbesondere im Wärmebereich gibt es bundesweit einen Nachholbedarf beim Einsatz von erneuerbaren Energien. Die Volatilität der Erneuerbaren muss jedoch ausgeglichen werden. Das gehe am besten mit der Sektorkopplung − also mit integrierten Energiesystemen. „In solchen Systemen wird auch künftig die Kraft-Wärme-Kopplung ein Bestandteil sein, aber nicht mehr der Hauptbestandteil“, sagte Lechner.

Freilassing versorgt kommunale Liegenschaften über einen Verbund

In Freilassing setzt der Energieverbund auf die regional verfügbare Biomasse sowie Klär- und Deponiegas. Die Versorgung erfolgt daher über Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, die überwiegend mit Klärgas aus der Kläranlage versorgt und mit Erdgas als zweitem Brennstoff betrieben werden. Ergänzend kommt ein Biomassekessel zum Einsatz, der auch städtische Grüngutabfälle verwerten kann.

Im Enver sind neben Grund- und Mittelschule sowie Bücherei vier weitere kommunale Liegenschaften energetisch verbunden: das Vereinsheim, das Freizeitzentrum Badylon sowie der kommunale Betriebshof. Letzterer hängt lediglich am Strom-, nicht am Wärmenetz. Zwei Trafostationen aus dem Bestand und die neu errichtete Energiezentrale bilden die notwendigen Versorgungseinrichtungen. Dem Projekt kam außerdem zugute, dass der größte Verbraucher des Verbunds, das Badylon, und die Kläranlage nah beieinander liegen.
 
Blick in die Energiezentrale in Freilassing
Quelle: Stadt Freilassing/Egon Tempelin

Den Verbund zeichnet zudem aus, dass er auf einen Batteriespeicher im Stromarealnetz verzichtet. Drei Blockheizkraftwerke, fünf PV-Anlagen, Hackschnitzelheizung, Klärgasspeicher und Wärmepufferspeicher sind die Hauptkomponenten. Hinzu kommt ein Gasbrennwertkessel zur Spitzenlastabdeckung. Ein eigenständiges übergeordnetes Energiemanagementsystem (EMS) steuert und optimiert die Anlagen. Das EMS ermöglicht auch eine vorausschauende Energiebedarfsermittlung der angeschlossenen Liegenschaften.

Da im Sommer weniger Wärmebedarf herrscht als im Winter, gleichen in der kalten Jahreszeit die BHKW die geringeren Tageserträge der PV-Anlage aus. Nach Aussage von Enver ist das System so berechnet, dass kaum Strom ins Netz fließt. Einen Großteil zur Wärmeversorgung steuern jene zwei BHKW von Funke bei, die im Klärwerk stationiert sind. Sie können sowohl mit Erd- als auch mit Klärgas betrieben werden, wobei letztere Ökoenergiequelle etwa 60 % zur gesamten Wärmemenge des Netzes beisteuert. Die Wärme wird über ein knapp ein Kilometer langes Wärmenetz zu den Gebäuden transportiert.

Nachhaltigkeit stehe bei der Primärenergie im Vordergrund, nicht der Preis, heißt es. So würden die Hackschnitzel zum erheblichen Teil aus Straßenbegleitgrün oder abgestorbenen Pappeln hergestellt. Dabei seien Aufbereitung und Entsorgung die Kostenfaktoren, auch wenn der Rohstoff an sich nichts koste. Bei der Umsetzung des Projekts habe die Stadt die Wirtschaftlichkeit ein wenig hintangestellt, um ein langfristig tragfähiges Konzept zu erhalten, so Hiebl. Dennoch sei das Gesamtkonzept auf längere Sicht wirtschaftlich und erhöhe die Unabhängigkeit vom Erdgas.

Neue Förderinstrumente für innovative Konzepte

Bei den aktuellen Entwicklungen in ganz Deutschland steht insbesondere der Brennstoff im Fokus. Hier verwies Patrick Dirr vom IfE bei der Roadshow in Freilassing darauf, dass KWK-Anlagen mit verschiedenen Brennstoffen betrieben werden können − neben Biogas, Biomasse oder Klärgas liefen neue Motoren bereits mit Wasserstoff. Ein Vorzeigeprojekt für die Wasserstoffnutzung haben die Stadtwerke Haßfurt umgesetzt. Das H2-fähige BHKW vom Hersteller 2G Energy ermöglicht einen Betrieb mit reinem Wasserstoff ohne fossile Brennstoffanteile. Damit wurde vor rund vier Jahren erstmals in der kommunalen Praxis eine wasserstoffbasierte und CO2-freie Speicherkette für regenerativen Strom geschaffen, die von der Stromerzeugung aus Windenergie über die Umwandlung in Wasserstoff mittels Elektrolyse und Speicherung in Drucktanks bis zur Rückverstromung über Kraft-Wärme-Kopplung reicht.

Um die energie- und klimapolitischen Ziele der Bundesregierung umzusetzen, setzt unter anderem auch das Wirtschaftsministerium auf die Entwicklung und Realisierung neuer Lösungen. Um solche integrierten Energiesysteme zu fördern, wird es daher künftig auch neue Ausschreibungsverfahren für innovative Konzepte geben. Ergänzend zur bisherigen Innovationsausschreibung wurde mit dem EEG 2023 vom Gesetzgeber beispielsweise eine Ausschreibung für innovative Konzepte zur Kombination erneuerbarer Energien mit lokaler, wasserstoffbasierter Stromspeicherung geschaffen.

Eine bereits bestehende ist die Ausschreibung für innovative KWK-Systeme. Bei einem iKWK-System wird ein Blockheizkraftwerk mit einer erneuerbaren Wärmequelle und einem elektrischen Wärmeerzeuger zu einem System verbunden. Als elektrischer Wärmeerzeuger kommt etwa eine Power-to-Heat-Anlage in Betracht. Alle Komponenten müssen zwingend in dasselbe Wärme- oder Kältenetz einspeisen und über eine gemeinsame Steuerungs- und Regelungstechnik verfügen. Seit Juni 2018 können Unternehmen zweimal im Jahr an iKWK-Ausschreibungen teilnehmen. Vor allem Stadtwerke haben seitdem solche Projekte umgesetzt, etwa in Bayreuth, Lemgo, Bad Reichenhall oder Heidelberg. Mittlerweile sind in acht iKWK-Ausschreibungsrunden der Bundesnetzagentur knapp 50 Projekte bundesweit bezuschlagt worden.

Neben den Ausschreibungen gibt es auch Fördermöglichkeiten für Kommunen und Unternehmen. Zwei davon sind zum Beispiel die im September in Kraft getretene Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) sowie die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG). Auch die KfW gewährt Kredite und Zuschüsse für neue Energiekonzepte in den Kommunen.

Zudem will die Bundesregierung eine verpflichtende kommunale Wärmeplanung (KWP) einführen als zentrales Koordinierungsinstrument für die Wärmewende vor Ort. Die KWP soll künftig Investitionssicherheit für die nötige Entwicklung der Infrastruktur vor allem für Wärmenetze, aber auch für Gas- und Stromnetze schaffen. Sie ist laut dem Bundeswirtschaftsministerium ein zentraler Baustein der Energiewende und ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer größeren Unabhängigkeit von importierten fossilen Energieträgern. Bis Ende des Jahres soll ein Gesetzentwurf vorliegen.

Als Fazit bei der Veranstaltung in Freilassing sagte Lechner, dass solche integrierten Energiesysteme mit KWK „hocheffizient, flexibel und resilient“ die Versorgungssicherheit gewährleisten können. Die KWK wird zwar künftig in diesen Systemen nicht mehr die Hauptkomponente bilden, aber ein wichtiger Teil sein. Für eine optimale Nutzung integrierter Energiesysteme sei es jedoch erforderlich, so der Energietechnik-Experte, dass Erzeuger und Verbraucher auf Objekt- und Quartiersebene sektorübergreifend gemeinsam gesteuert werden. Dazu seien harmonisierte Standards wünschenswert.

Das Beispiel Freilassing zeigt schon heute, wie regionale Ressourcen optimal genutzt werden können. Das in Freilassing umgesetzte Modell könne somit als Blaupause für eine Vielzahl weiterer bayerischer Kommunen dienen, die ihre vor Ort vorhandenen regenerativen Ressourcen nutzen und ihre Energiekosten senken wollen.

Integrierte Energiesysteme:
  • koppeln die Erzeuger- und Verbrauchssektoren und nutzen so die vorhandenen Ressourcen bestmöglich aus,
  • vermeiden durch Integration verschiedener Energiequellen und Brennstoffflexibilität Lock-in-Effekte
  • und können durch die Integration von KWK-Systemen flexibel angebots- und nachfrageorientiert betrieben werden und tragen so zur Residuallastdeckung und Systemstabilität bei.

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Heidi Roider

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