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Energie & Management > Österreich - APG: Netzverstärkung für Energiewende
Quelle: Fotolia / YuI
Österreich

APG: Netzverstärkung für Energiewende

Der österreichische Übertragungsnetzbetreiber muss allein bis 2030 etwa 50 neue Trafostationen und 20 Umspannwerke errichten, hieß es beim Netzserviceforum der Elektrizitätswirtschaft.
Der österreichische Übertragungsnetzbetreiber Austrian Power Grid (APG) muss bis 2030 etwa 50 neue Trafostationen sowie 20 Umspannwerke errichten, um die Energiewende netztechnisch zu bewältigen. Bis 2040 − das Jahr, ab dem Österreich laut den Zielen der Bundesregierung „klimaneutral“ sein soll − kommen weitere rund 60 Trafostationen und 25 Umspannwerke hinzu. Das berichtete Kurt Misak, der Leiter der Abteilung Versorgungssicherheit der APG, am 23. November beim Netzservice-Forum des Elektrizitätswirtschaftsverbands Oesterreichs Energie in Wien.

Ihm zufolge steht zudem eine Reihe von Leitungsausbauten und -verstärkungen an. Bereits im kommenden Jahr soll eine 220-kV-Verbindung mit Italien über den Reschenpass in Tirol in Betrieb gehen. Für 2025 ist die Inbetriebnahme des zweiten Teils der „Salzburgleitung“ mit 380 kV geplant, die den Netzknoten Tauern nahe des Pumpspeicherkraftwerks Kaprun des Energiekonzerns Verbund mit dem Netzknoten St. Peter nördlich von Salzburg verbindet. Ein Jahr später soll die Verbindung zwischen St. Peter und dem Netz der Tennet in Bayern fertiggestellt werden.

Vorgesehen sind weiters Netzverstärkungen im Großraum um die oberösterreichische Landeshauptstadt Linz, eines der zentralen Industriegebiete Österreichs, sowie in Tirol. Insgesamt werde die APG in den kommenden zehn Jahren etwa 3,5 Milliarden Euro in ihr Netz investieren, kündigte Misak an.

Noch vor 15 Jahren habe niemand geglaubt, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien Netzverstärkungen in diesem Ausmaß notwendig machen würde, räumte Misak ein: „Als die Interessengemeinschaft Windkraft 2007 gesagt hat, langfristig könnten in Österreich Windparks mit etwa 3.000 MW Gesamtleistung installiert werden, haben wir nur gelacht.“ Heute sei die Verdopplung der Windkraft-Leistung auf rund 7.500 MW im Jahr 2030 im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) festgeschrieben. Die APG selbst rechne sogar mit etwa 9.000 MW: „Wir wissen nicht, wie schnell der Ausbau wirklich gehen wird.“ Und auf die Windkraft entfalle bekanntlich nur ein – wenn auch wesentlicher – Teil des bis 2030 vorgesehenen Ökostromausbaus. Bis dahin solle die Leistung der Photovoltaikanlagen von 3.300 auf 12.000 MW vervierfacht werden. Überdies erweiterten auch manche Nachbarländer Österreichs ihre Ökostromkapazitäten erheblich. In Deutschland seien schon jetzt Windparks mit etwa 64.000 MW installiert, was etwa dem Sechsfachen der Lastspitze in Österreich entspreche.

Milliarden für Redispatch

Misak ergänzte, Österreich sei seit Beginn der Liberalisierung des EU-Strommarktes vor etwa 20 Jahren zum Importeur elektrischer Energie geworden. Im Wesentlichen befänden sich die Stromexporteure im Nordwesten Europas, die Importeure dagegen im Südosten. Vom 1. Januar bis zum 20. November 2022 verzeichnete die APG Importe von 22,3 Milliarden kWh sowie Exporte von 14,1 Milliarden kWh. „Das Problem ist: Irgendwann sagt unser System: Ich halte das nicht mehr aus. Dafür wurde ich nicht gebaut“, schilderte Misak die Lage. Um diese zu bewältigen, müsse die APG immer öfter Gaskraftwerke zum netzdienlichen Steuern der Stromflüsse (Redispatch) einsetzen.

Seit 2011 beliefen sich die Gesamtkosten für Redispatch-Maßnahmen der APG laut Misak auf rund 2,6 Milliarden Euro. Etwa 1,9 Milliarden Euro davon hatten die Stromkunden außerhalb Österreichs zu bezahlen, insbesondere jene in Deutschland, weil die deutschen Übertragungsnetzbetreiber den Redispatch seitens der APG anforderten. „Daran ist niemand schuld. Als die Marktliberalisierung konzipiert wurde, hat sich das einfach niemand überlegt“, erläuterte Misak. Darüber hinaus müssen Händler, die Strom von Deutschland nach Österreich importieren, seit 1. Oktober 2018 die notwendigen Leitungskapazitäten erwerben. Das führt zu Preisdifferenzen, die von 2,39 Euro/MWh im Jahr 2019 auf 28,02 Euro/MWh in diesem Jahr anstiegen.

Misak: „Verdammt resilientes“ Netz

Um die österreichischen Netze sicher zu betreiben, erstellen die APG und die Verteilnetzbetreiber mittlerweile viertelstundengenaue Prognosen der Stromeinspeisung und stimmen diese stündlich international ab. Die Herausforderungen an den Netzbetrieb sind laut Misak in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen.

Allerdings hätten auch die Netzbetreiber Maßnahmen gesetzt, um kritische Situationen zu vermeiden und, falls sie dennoch auftreten, zu bewältigen. Darunter seien der Netzausbau ebenso wie die vertraglich abgesicherte Reservierung von Kraftwerksleistung (Netzreserve), aber auch die Aus- und Weiterbildung des Personals sowie das Erstellen und Üben von Notfallkonzepten. Insgesamt sei das Netz „verdammt resilient“, betonte Misak. Eine akute Blackout-Gefahr bestehe nach Einschätzung der APG nicht. Ausschließen lasse sich dennoch nichts: „Es kann heute noch ein Blackout passieren, aber auch die kommenden 20 Jahre nicht. Man kann das einfach nicht wissen.“

Mittwoch, 23.11.2022, 15:34 Uhr
Klaus Fischer
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Österreich
APG: Netzverstärkung für Energiewende
Der österreichische Übertragungsnetzbetreiber muss allein bis 2030 etwa 50 neue Trafostationen und 20 Umspannwerke errichten, hieß es beim Netzserviceforum der Elektrizitätswirtschaft.
Der österreichische Übertragungsnetzbetreiber Austrian Power Grid (APG) muss bis 2030 etwa 50 neue Trafostationen sowie 20 Umspannwerke errichten, um die Energiewende netztechnisch zu bewältigen. Bis 2040 − das Jahr, ab dem Österreich laut den Zielen der Bundesregierung „klimaneutral“ sein soll − kommen weitere rund 60 Trafostationen und 25 Umspannwerke hinzu. Das berichtete Kurt Misak, der Leiter der Abteilung Versorgungssicherheit der APG, am 23. November beim Netzservice-Forum des Elektrizitätswirtschaftsverbands Oesterreichs Energie in Wien.

Ihm zufolge steht zudem eine Reihe von Leitungsausbauten und -verstärkungen an. Bereits im kommenden Jahr soll eine 220-kV-Verbindung mit Italien über den Reschenpass in Tirol in Betrieb gehen. Für 2025 ist die Inbetriebnahme des zweiten Teils der „Salzburgleitung“ mit 380 kV geplant, die den Netzknoten Tauern nahe des Pumpspeicherkraftwerks Kaprun des Energiekonzerns Verbund mit dem Netzknoten St. Peter nördlich von Salzburg verbindet. Ein Jahr später soll die Verbindung zwischen St. Peter und dem Netz der Tennet in Bayern fertiggestellt werden.

Vorgesehen sind weiters Netzverstärkungen im Großraum um die oberösterreichische Landeshauptstadt Linz, eines der zentralen Industriegebiete Österreichs, sowie in Tirol. Insgesamt werde die APG in den kommenden zehn Jahren etwa 3,5 Milliarden Euro in ihr Netz investieren, kündigte Misak an.

Noch vor 15 Jahren habe niemand geglaubt, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien Netzverstärkungen in diesem Ausmaß notwendig machen würde, räumte Misak ein: „Als die Interessengemeinschaft Windkraft 2007 gesagt hat, langfristig könnten in Österreich Windparks mit etwa 3.000 MW Gesamtleistung installiert werden, haben wir nur gelacht.“ Heute sei die Verdopplung der Windkraft-Leistung auf rund 7.500 MW im Jahr 2030 im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) festgeschrieben. Die APG selbst rechne sogar mit etwa 9.000 MW: „Wir wissen nicht, wie schnell der Ausbau wirklich gehen wird.“ Und auf die Windkraft entfalle bekanntlich nur ein – wenn auch wesentlicher – Teil des bis 2030 vorgesehenen Ökostromausbaus. Bis dahin solle die Leistung der Photovoltaikanlagen von 3.300 auf 12.000 MW vervierfacht werden. Überdies erweiterten auch manche Nachbarländer Österreichs ihre Ökostromkapazitäten erheblich. In Deutschland seien schon jetzt Windparks mit etwa 64.000 MW installiert, was etwa dem Sechsfachen der Lastspitze in Österreich entspreche.

Milliarden für Redispatch

Misak ergänzte, Österreich sei seit Beginn der Liberalisierung des EU-Strommarktes vor etwa 20 Jahren zum Importeur elektrischer Energie geworden. Im Wesentlichen befänden sich die Stromexporteure im Nordwesten Europas, die Importeure dagegen im Südosten. Vom 1. Januar bis zum 20. November 2022 verzeichnete die APG Importe von 22,3 Milliarden kWh sowie Exporte von 14,1 Milliarden kWh. „Das Problem ist: Irgendwann sagt unser System: Ich halte das nicht mehr aus. Dafür wurde ich nicht gebaut“, schilderte Misak die Lage. Um diese zu bewältigen, müsse die APG immer öfter Gaskraftwerke zum netzdienlichen Steuern der Stromflüsse (Redispatch) einsetzen.

Seit 2011 beliefen sich die Gesamtkosten für Redispatch-Maßnahmen der APG laut Misak auf rund 2,6 Milliarden Euro. Etwa 1,9 Milliarden Euro davon hatten die Stromkunden außerhalb Österreichs zu bezahlen, insbesondere jene in Deutschland, weil die deutschen Übertragungsnetzbetreiber den Redispatch seitens der APG anforderten. „Daran ist niemand schuld. Als die Marktliberalisierung konzipiert wurde, hat sich das einfach niemand überlegt“, erläuterte Misak. Darüber hinaus müssen Händler, die Strom von Deutschland nach Österreich importieren, seit 1. Oktober 2018 die notwendigen Leitungskapazitäten erwerben. Das führt zu Preisdifferenzen, die von 2,39 Euro/MWh im Jahr 2019 auf 28,02 Euro/MWh in diesem Jahr anstiegen.

Misak: „Verdammt resilientes“ Netz

Um die österreichischen Netze sicher zu betreiben, erstellen die APG und die Verteilnetzbetreiber mittlerweile viertelstundengenaue Prognosen der Stromeinspeisung und stimmen diese stündlich international ab. Die Herausforderungen an den Netzbetrieb sind laut Misak in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen.

Allerdings hätten auch die Netzbetreiber Maßnahmen gesetzt, um kritische Situationen zu vermeiden und, falls sie dennoch auftreten, zu bewältigen. Darunter seien der Netzausbau ebenso wie die vertraglich abgesicherte Reservierung von Kraftwerksleistung (Netzreserve), aber auch die Aus- und Weiterbildung des Personals sowie das Erstellen und Üben von Notfallkonzepten. Insgesamt sei das Netz „verdammt resilient“, betonte Misak. Eine akute Blackout-Gefahr bestehe nach Einschätzung der APG nicht. Ausschließen lasse sich dennoch nichts: „Es kann heute noch ein Blackout passieren, aber auch die kommenden 20 Jahre nicht. Man kann das einfach nicht wissen.“

Mittwoch, 23.11.2022, 15:34 Uhr
Klaus Fischer

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