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Energie & Management > Kernkraft - Umweltverbände kündigen Klagen bei Laufzeitverlängerung an
Quelle: Fotolia / mirkomedia
Kernkraft

Umweltverbände kündigen Klagen bei Laufzeitverlängerung an

Ein Bündnis von Umweltverbänden droht damit, im Falle einer Laufzeitverlängerung der verbliebenen deutschen Kernkraftwerke den Atomausstieg gerichtlich durchzusetzen.
Der Bund Naturschutz in Bayern, Greenpeace und das Umweltinstitut München nahmen am 11. August in München Stellung zu Bestrebungen der bayerischen Regierung, das Kernkraftwerk Isar 2 weiterzubetreiben. Es müsse beim gesetzlich vorgeschriebenen Ende der Kernkraft mit dem 31. Dezember 2022 bleiben, forderten sie. Die Kraftwerke seien nicht mehr sicher, es gebe keinen neuen Brennstoff und ihr Beitrag zur Stromversorgung sei zu gering, um einen Weiterbetrieb zu rechtfertigen, so die Argumentation.

Die Diplom-Physikerin Oda Becker verwies darauf, das insbesondere im Kraftwerk Isar 2 die letzte physische Sicherheitsüberprüfung im Jahr 2009 stattfand. Danach seien weitere wegen der geplanten Abschaltung 2022 unterblieben. Es habe aber seitdem allein in Isar 2 mehr als ein Dutzend meldepflichtige Vorkommnisse gegeben. Es sei anzunehmen, dass es wie in den anderen beiden noch laufenden Kernkraftwerken, Neckarwestheim und Emsland, Risse in Bauelementen gebe, „es hat nur niemand mehr nachgeschaut", so Becker.

Gesichert sei, dass es in Isar 2 die Verformung eines Brennstabs gab, so dass die Steuerelemente im Störfall nicht mehr funktioniert hätten. „Isar 2 ist nicht sicher, Radioaktivität tritt auch im Normalbetrieb aus“, schloss die Physikerin. Wenn die bayerische Regierung bereit sei, das Risiko für die Bevölkerung einzugehen, müsse die Bundesaufsicht verhindern, dass es weiterlaufe. Für die Kernkraftwerke fehle zunehmend in den heißen und trockenen Sommer auch das Kühlwasser, so dass sie nicht verlässlich Strom liefern könnten.

Gutachten des TÜV Süd zu Isar 2 nicht qualifiziert

Der Rechtsanwalt Ulrich Wollenteit verwies auf ein Gutachten, dass er für Greenpeace erstellt hatte. Darin beurteilte er rechtlich das Schreiben des TÜV Süd vom April 2022, das einen Weiterbetrieb von Isar 2 als sicher bezeichnete und auf das sich die bayerische Landesregierung beruft. Wollenteit nannte das Schreiben ein „reines Gefälligkeitsgutachten, das den TÜV Süd als objektive Prüfstelle disqualifiziert“. So fehlten eine Unterschrift und ein Datum, so dass es nicht rechtlich bindend zuzuordnen sei.

Der Greenpeace Atomexperte Heinz Smital führte an, dass vor der Abschaltung des bayerischen Kernkraftwerks Grundremmingen der sogenannte Streckbetrieb schon 76 Tage vor der Abschaltung begann. Er diene dem Abkühlen der Brennstäbe. Daher müsse der Abschalttermin jetzt bestätigt werden, um die Prozesse in Gang zu setzen.

Kernkraft könnte nur 1 % Gasverstromung ersetzen

Die verbliebenen Kernkraftwerke würden zudem nur so viel Strom erzeugen, dass damit maximal 1 % der Erdgasverstromung eingespart werden könnte, zitierte er eine Studie von Energy Brainpool. Die selbe Einsparung könnte sicher und kostenlos durch eine um ein halbes Grad geringere Raumtemperatur in allen Haushalten erreicht werden, sagte Smital. Daher sei die Energiesicherheit ein Scheinargument, um den Atomausstieg wieder zurückzudrehen. Dies nannte Smital eine „unverantwortliche Diskussion“.

Auch Richard Merkner, Vorsitzender des Bund Naturschutz in Bayern, forderte, „mit dem Energiesparen in Bayern endlich Ernst zu machen“. Er sehe dazu bislang kein Handeln der bayerischen Landesregierung, es gebe auch immer noch kein Klimaschutzgesetz. Lastmanagement, das Verlagern von Arbeitszeiten, das Aussetzen der Beschneiung von Skipisten seien nur einige mögliche Maßnahmen, sagte Merkner.

Hintergrund

Die bayerische Wirtschaft ist in einer besonders kritischen Lage, weil der Ausbau erneuerbarer Stromerzeugung über Jahre blockiert wurde und die Stromtrassen zur Lieferung von Windstrom aus dem Norden nicht rechtzeitig fertiggestellt wurden. Einzige Alternative zur Kernkraftleistung sind Gaskraftwerke, die möglicherweise nicht genug Brennstoff bekommen.

Der TÜV Süd hatte der Bayerischen Landesregierung in einem Gutachten im April bescheinigt, dass Isar 2 aus Sicherheitsaspekten weiter betrieben werden und der bereits abgeschaltete Block in Grundremmingen wieder in Betrieb gehen könnte. Allerdings besteht die enge Verbindung des TÜV Süd mit der bayrischen Atomkraft bereits seit 1958 mit dem Bau des Forschungsreaktors in München-Garching. Auch die Bundesregierung hegt massive Zweifel an dem Gutachten. „Diese drei Seiten entsprechen nicht den Maßstäben gutachterlicher Arbeit", hatte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums (BMUV) erklärt.

Donnerstag, 11.08.2022, 13:39 Uhr
Susanne Harmsen
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Umweltverbände kündigen Klagen bei Laufzeitverlängerung an
Ein Bündnis von Umweltverbänden droht damit, im Falle einer Laufzeitverlängerung der verbliebenen deutschen Kernkraftwerke den Atomausstieg gerichtlich durchzusetzen.
Der Bund Naturschutz in Bayern, Greenpeace und das Umweltinstitut München nahmen am 11. August in München Stellung zu Bestrebungen der bayerischen Regierung, das Kernkraftwerk Isar 2 weiterzubetreiben. Es müsse beim gesetzlich vorgeschriebenen Ende der Kernkraft mit dem 31. Dezember 2022 bleiben, forderten sie. Die Kraftwerke seien nicht mehr sicher, es gebe keinen neuen Brennstoff und ihr Beitrag zur Stromversorgung sei zu gering, um einen Weiterbetrieb zu rechtfertigen, so die Argumentation.

Die Diplom-Physikerin Oda Becker verwies darauf, das insbesondere im Kraftwerk Isar 2 die letzte physische Sicherheitsüberprüfung im Jahr 2009 stattfand. Danach seien weitere wegen der geplanten Abschaltung 2022 unterblieben. Es habe aber seitdem allein in Isar 2 mehr als ein Dutzend meldepflichtige Vorkommnisse gegeben. Es sei anzunehmen, dass es wie in den anderen beiden noch laufenden Kernkraftwerken, Neckarwestheim und Emsland, Risse in Bauelementen gebe, „es hat nur niemand mehr nachgeschaut", so Becker.

Gesichert sei, dass es in Isar 2 die Verformung eines Brennstabs gab, so dass die Steuerelemente im Störfall nicht mehr funktioniert hätten. „Isar 2 ist nicht sicher, Radioaktivität tritt auch im Normalbetrieb aus“, schloss die Physikerin. Wenn die bayerische Regierung bereit sei, das Risiko für die Bevölkerung einzugehen, müsse die Bundesaufsicht verhindern, dass es weiterlaufe. Für die Kernkraftwerke fehle zunehmend in den heißen und trockenen Sommer auch das Kühlwasser, so dass sie nicht verlässlich Strom liefern könnten.

Gutachten des TÜV Süd zu Isar 2 nicht qualifiziert

Der Rechtsanwalt Ulrich Wollenteit verwies auf ein Gutachten, dass er für Greenpeace erstellt hatte. Darin beurteilte er rechtlich das Schreiben des TÜV Süd vom April 2022, das einen Weiterbetrieb von Isar 2 als sicher bezeichnete und auf das sich die bayerische Landesregierung beruft. Wollenteit nannte das Schreiben ein „reines Gefälligkeitsgutachten, das den TÜV Süd als objektive Prüfstelle disqualifiziert“. So fehlten eine Unterschrift und ein Datum, so dass es nicht rechtlich bindend zuzuordnen sei.

Der Greenpeace Atomexperte Heinz Smital führte an, dass vor der Abschaltung des bayerischen Kernkraftwerks Grundremmingen der sogenannte Streckbetrieb schon 76 Tage vor der Abschaltung begann. Er diene dem Abkühlen der Brennstäbe. Daher müsse der Abschalttermin jetzt bestätigt werden, um die Prozesse in Gang zu setzen.

Kernkraft könnte nur 1 % Gasverstromung ersetzen

Die verbliebenen Kernkraftwerke würden zudem nur so viel Strom erzeugen, dass damit maximal 1 % der Erdgasverstromung eingespart werden könnte, zitierte er eine Studie von Energy Brainpool. Die selbe Einsparung könnte sicher und kostenlos durch eine um ein halbes Grad geringere Raumtemperatur in allen Haushalten erreicht werden, sagte Smital. Daher sei die Energiesicherheit ein Scheinargument, um den Atomausstieg wieder zurückzudrehen. Dies nannte Smital eine „unverantwortliche Diskussion“.

Auch Richard Merkner, Vorsitzender des Bund Naturschutz in Bayern, forderte, „mit dem Energiesparen in Bayern endlich Ernst zu machen“. Er sehe dazu bislang kein Handeln der bayerischen Landesregierung, es gebe auch immer noch kein Klimaschutzgesetz. Lastmanagement, das Verlagern von Arbeitszeiten, das Aussetzen der Beschneiung von Skipisten seien nur einige mögliche Maßnahmen, sagte Merkner.

Hintergrund

Die bayerische Wirtschaft ist in einer besonders kritischen Lage, weil der Ausbau erneuerbarer Stromerzeugung über Jahre blockiert wurde und die Stromtrassen zur Lieferung von Windstrom aus dem Norden nicht rechtzeitig fertiggestellt wurden. Einzige Alternative zur Kernkraftleistung sind Gaskraftwerke, die möglicherweise nicht genug Brennstoff bekommen.

Der TÜV Süd hatte der Bayerischen Landesregierung in einem Gutachten im April bescheinigt, dass Isar 2 aus Sicherheitsaspekten weiter betrieben werden und der bereits abgeschaltete Block in Grundremmingen wieder in Betrieb gehen könnte. Allerdings besteht die enge Verbindung des TÜV Süd mit der bayrischen Atomkraft bereits seit 1958 mit dem Bau des Forschungsreaktors in München-Garching. Auch die Bundesregierung hegt massive Zweifel an dem Gutachten. „Diese drei Seiten entsprechen nicht den Maßstäben gutachterlicher Arbeit", hatte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums (BMUV) erklärt.

Donnerstag, 11.08.2022, 13:39 Uhr
Susanne Harmsen

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