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Energie & Management > Windkraft Onshore - Saathoff:
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Windkraft Onshore

Saathoff: "Es kommt viel zu wenig von Peter Altmaier"

Mit Johann Saathoff, dem Energieexperten der SPD-Bundestagsfraktion, sprach E&M über seine deutliche Kritik an der EEG-Reform und seine Verbesserungsvorschläge für die Windenergie.
E&M: Herr Saathoff, wer Sie kennt, weiß, dass Sie mit dem vorliegenden Kabinettsentwurf für die EEG-Novelle nicht zufrieden sind.

Saathoff: Wer die Pariser Klimaziele ernst nimmt, kann mit diesem Entwurf wahrlich nicht zufrieden sein. Es gibt für die einzelnen Energieträger punktuelle Verbesserungen, aber das Grundübel ist nicht angepackt worden: Der Gesetzentwurf geht von einem Stromverbrauch von 580 Milliarden Kilowattstunden im Jahr 2030 aus. Das geht an den Realitäten vorbei, da ist viel schöngerechnet worden.

E&M: Woran liegt das?

Saathoff: Das Bundeswirtschaftsministerium rechnet meines Erachtens mit viel zu hohen Effizienzgewinnen. Ich kenne wirklich niemanden, der für 2030 vom gleichen Bruttostromverbrauch wie heute ausgeht. Durch alle Anwendungen bei der Sektorkopplung und auch durch die steigende Ökostromnachfrage aus der Industrie wird der Stromverbrauch auf jeden Fall steigen. Über die Herstellung von grünem Wasserstoff haben wir dabei noch gar nicht geredet.
 
Johann Saathoff: „Für mich stellt sich eher die Frage, ob wir selbst die 71.000 Megawatt schaffen“
Bild: Johann Saathoff MdB/Maria Poppen

E&M: Mehrere Gutachten zeigen mittlerweile, dass mit dem nun auch in der EEG-Reform angestrebten 65-Prozent-Ziel die nationalen Klimaziele bis 2030 nicht zu erreichen sind. Schaffen Sie es noch, bis zu Abstimmung in der letzten Novemberwoche realistische, also höhere Ausbauzahlen in das Gesetz zu schreiben?

Saathoff: Der Zeitplan ist auf jeden Fall ambitioniert. Wir haben noch ein paar wichtige Änderungen anzupacken, da der zuständige Bundeswirtschaftsminister einen unvollständigen Gesetzentwurf vorgelegt hat.

„Warum kein CfD-Fördermodell für den Weiterbetrieb von Altanlagen?“

E&M: Woran denken Sie da beispielsweise?

Saathoff: Beispielsweise an die alten Windenergieanlagen, von denen einige Tausend erstmals mit Beginn des kommenden Jahres aus der EEG-Vergütung fallen. Das Problem ist seit Jahren bekannt, im Gesetzentwurf findet sich dazu mit keinem Wort eine vernünftige Lösung. Kurz vor Toresschluss noch quer ins parlamentarische Verfahren zu schießen, finde ich abenteuerlich. Genauso abenteuerlich finde ich die knappe Zeit, die im Bundestag für die Beratung vorgesehen ist. Für die erste Lesung des EEG sind zusammen mit dem Gesetz für den Bundesbedarfsplan beim Netzausbau genau 30 Minuten Zeit eingeplant. Für mehr Klimaschutz gehen Zigtausende auf die Straße und dem Parlament wird für dieses wichtige Gesetz nicht einmal eine halbe Stunde Redezeit eingeräumt. Das geht nicht!

E&M: Was wollen Sie vonseiten der SPD-Fraktion am Gesetzentwurf auf jeden Fall geändert sehen?

Saathoff: Für uns ist es an der Zeit, einige Grundsätze für die Förderung erneuerbarer Energien neu zu definieren. So ist für uns beispielsweise die EEG-Umlage nicht länger tragbar. Wir wollen das bisherige System für die EEG-Umlage abschaffen. Nach unseren Vorstellungen soll die Finanzierung über die Einnahmen aus dem nationalen Emissionshandel und aus Steuermitteln erfolgen. Außerdem gibt es zu viele kleinteilige Regelungen im EEG, beispielsweise für den Eigenverbrauch selbst erzeugten Ökostroms. Es macht für mich überhaupt keinen Sinn, für kleinere Solaranlagen bereits ab einem Kilowatt Leistung den Einbau eines Smart Meters verpflichtend einzuführen. Für die Stärkung der Prosumer-Aktivitäten wollen wir die Chancen nutzen, die uns die neue Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU bietet.

E&M: Was wollen Sie bei der Windenergie ändern?

Saathoff: Wir müssten schnellstens eine Regelung für die Ü20-Windturbinen vorlegen. Mein Vorschlag dazu sieht wie folgt aus: Wir müssen zwischen Anlagen unterscheiden, die repowert werden können oder nicht. Bei Altanlagen, die durch eine moderne Windturbine ersetzt werden können, muss das so schnell wie möglich erfolgen. Eine Anschlussförderung halte ich deshalb nicht für notwendig. Alle anderen Altanlagen, die künftig keine EEG-Vergütung erhalten, sollen auf Basis des Contract-for-Difference-Modells (CfD) weiterhin gefördert werden. Bei diesen Differenzverträgen müssen wir ein Förderniveau festlegen, das den Weiterbetrieb ermöglicht. Wenn der Börsenpreis über diesem Niveau liegt, zahlen die Windmüller die Differenz in das EEG-Konto ein. Das ist für mich ein faires Angebot, das zwar auf den ersten Blick kompliziert klingen mag, aber auf jeden Fall umsetzbar ist.

E&M: Noch einmal zurück zu den Ausbauzielen. Der EEG-Entwurf sieht für die Windkraft an Land eine Kapazität von 71.000 Megawatt für das Jahr 2030 vor. Ist das nicht ein Abgesang auf den weiteren Ausbau?

Saathoff: Dass diese 71.000 Megawatt vorne und hinten nicht reichen, ist keine Frage. Für mich stellt sich eher die Frage, ob wir selbst die 71.000 Megawatt schaffen. In diesem Jahr und den beiden zurückliegenden lag der Ausbau deutlich unter dem vorgesehenen Ausbauziel von 2.800 Megawatt brutto, das bei den damaligen parlamentarischen Beratungen von vielen Seiten als zu gering bewertet worden ist. Wir haben weiterhin zu viele bürokratische, planungs- oder artenschutzrechtliche Hindernisse, die für einen dynamischen Windkraftausbau gelöst werden müssen. Lösungen für all diese Baustellen sehe ich aber noch nicht. Selbst wenn wir uns höhere Ausbauziele setzen, ist das in meinen Augen Augenwischerei, solange es keinen Lösungen für die angesprochenen Probleme gibt. Da kommt viel zu wenig aus dem Hause Peter Altmaier.

E&M: Im Sommer hat Altmaier Fehler beim Klimaschutz in den zurückliegenden Jahren eingeräumt. Glauben Sie ihm?

Saathoff: Den guten Willen und auch das Wissen um den Treibhauseffekt will ich ihm gar nicht absprechen. Dann kann er aber nicht so ein Gesetz vorlegen. Dieser Entwurf steht wirklich im krassen Widerspruch zu seinen zurückliegenden Äußerungen. Mich ärgert, dass ich mit all meinen Initiativen für mehr Windkraft an Land und auf See immer wieder gegen Wände laufe, die sein Ministerium hochzieht. Was Altmaier macht, ist links blinken und rechts abbiegen.

„Bis zur Gesetzesverabschiedung liegen spannende Wochen vor uns“

E&M: Wie bewerten Sie die Regelungen zur Bürgerenergie im EEG-Entwurf?

Saathoff: Erst einmal bin ich überrascht, dass das Bundeswirtschaftsministerium an die Bürgerenergie gedacht hat. Ich bin immer ein Freund davon gewesen, dass Kommunen im Ganzen an den finanziellen Einnahmen eines Windparks beteiligt werden sollen. Deshalb unterstütze ich auch den nun gewählten Weg. Es ist nur bitter, dass dieser Passus lediglich für neue Windparks gelten soll. Kommunen, die bereits ihre Hausaufgaben gemacht haben, gehen leer aus. Damit, dass es wohl keine verpflichtende, sondern eine freiwillige Kommunalbeteiligung geben wird, kann ich leben. Die Bürgermeister wissen künftig um diese neue Einnahmemöglichkeit, zumal, wie es aussieht, diese Gelder nicht für die sogenannte Kreis-Umlage anfallen, sondern komplett im eigenen Etat verbleiben. Ich gehe davon aus, dass sich diese Kommunalabgabe künftig bei der Vergabe neuer Flächen durchsetzen wird und die Projektierer diese Beteiligung von sich aus anbieten werden.

E&M: Neben der EEG-Novelle steht auch der Beschluss über die Reform des Windenergie-auf-See-Gesetzes aus. Wann ist damit zu rechnen?

Saathoff: Das kann ich derzeit schwer sagen. Es hat ein erstes Gespräch auf Ebene der Berichterstatter beider Regierungsfraktionen gegeben. Wir sind uns aber nicht einig geworden. Die Union ist mit dem Gesetzentwurf, so wie ihn das Bundeswirtschaftsministerium erarbeitet hat, einverstanden, während wir noch verschiedene Punkte ändern wollen - und zwar nicht allein die umstrittene zweite Gebotskomponente. Da wir uns aber bei diesem Punkt nicht einigen konnten, ist auch alles andere liegen geblieben. Deshalb fällt es mir wirklich schwer zu prognostizieren, wann der Bundestag über das Gesetz abstimmt.

E&M: Mit der Wind-auf-See-Novelle will die Bundesregierung die installierte Offshore-Windleistung in den deutschen Nord- und Ostseegewässern um 5.000 auf 20.000 Megawatt bis 2030 erhöhen. Halten Sie dieses Ausbauziel nach wie vor für machbar?

Saathoff: Mit einer vernünftigen Novelle, mit der potenzielle Betreiber bei ihren Milliardeninvestitionen unterstützt werden, auf jeden Fall.

E&M: Richtig zufrieden klingen Sie wirklich nicht mit den beiden Gesetzen, die die Große Koalition zum Ausbau der Windenergie an Land und auf See bringen will.

Saathoff: Nein, das reicht alles noch nicht. Wir haben nicht nur eine klimapolitische, sondern auch eine industriepolitische Verantwortung. Wir müssen alles daran setzen, dass uns nach dem Photovoltaiksektor nicht auch die Arbeitsplätze in der Windbranche wegbrechen. Bis zur Verabschiedung beider Gesetze liegen noch spannende Wochen vor uns.

Zur Person
Johann Saathoff, Jahrgang 1967, gehört zu den anerkannten Energieexperten in der SPD-Bundestagsfraktion, der er seit 2013 angehört. Zweimal gewann der gebürtige Ostfriese als Direktkandidat den Wahlkreis Aurich-Emden, was auch seine Affinität zur Windenergie erklärt. Saathoff, der vor seinem Wechsel in die Bundespolitik mehrere Jahre als Bürgermeister die Geschicke der Gemeinde Krummhörn nördlich von Emden managte, ist zudem seit Ende August Russland-Beauftragter der Bundesregierung.

Montag, 16.11.2020, 08:58 Uhr
Ralf Köpke
Energie & Management > Windkraft Onshore - Saathoff:
Bild: psdesign1 / Fotolia
Windkraft Onshore
Saathoff: "Es kommt viel zu wenig von Peter Altmaier"
Mit Johann Saathoff, dem Energieexperten der SPD-Bundestagsfraktion, sprach E&M über seine deutliche Kritik an der EEG-Reform und seine Verbesserungsvorschläge für die Windenergie.
E&M: Herr Saathoff, wer Sie kennt, weiß, dass Sie mit dem vorliegenden Kabinettsentwurf für die EEG-Novelle nicht zufrieden sind.

Saathoff: Wer die Pariser Klimaziele ernst nimmt, kann mit diesem Entwurf wahrlich nicht zufrieden sein. Es gibt für die einzelnen Energieträger punktuelle Verbesserungen, aber das Grundübel ist nicht angepackt worden: Der Gesetzentwurf geht von einem Stromverbrauch von 580 Milliarden Kilowattstunden im Jahr 2030 aus. Das geht an den Realitäten vorbei, da ist viel schöngerechnet worden.

E&M: Woran liegt das?

Saathoff: Das Bundeswirtschaftsministerium rechnet meines Erachtens mit viel zu hohen Effizienzgewinnen. Ich kenne wirklich niemanden, der für 2030 vom gleichen Bruttostromverbrauch wie heute ausgeht. Durch alle Anwendungen bei der Sektorkopplung und auch durch die steigende Ökostromnachfrage aus der Industrie wird der Stromverbrauch auf jeden Fall steigen. Über die Herstellung von grünem Wasserstoff haben wir dabei noch gar nicht geredet.
 
Johann Saathoff: „Für mich stellt sich eher die Frage, ob wir selbst die 71.000 Megawatt schaffen“
Bild: Johann Saathoff MdB/Maria Poppen

E&M: Mehrere Gutachten zeigen mittlerweile, dass mit dem nun auch in der EEG-Reform angestrebten 65-Prozent-Ziel die nationalen Klimaziele bis 2030 nicht zu erreichen sind. Schaffen Sie es noch, bis zu Abstimmung in der letzten Novemberwoche realistische, also höhere Ausbauzahlen in das Gesetz zu schreiben?

Saathoff: Der Zeitplan ist auf jeden Fall ambitioniert. Wir haben noch ein paar wichtige Änderungen anzupacken, da der zuständige Bundeswirtschaftsminister einen unvollständigen Gesetzentwurf vorgelegt hat.

„Warum kein CfD-Fördermodell für den Weiterbetrieb von Altanlagen?“

E&M: Woran denken Sie da beispielsweise?

Saathoff: Beispielsweise an die alten Windenergieanlagen, von denen einige Tausend erstmals mit Beginn des kommenden Jahres aus der EEG-Vergütung fallen. Das Problem ist seit Jahren bekannt, im Gesetzentwurf findet sich dazu mit keinem Wort eine vernünftige Lösung. Kurz vor Toresschluss noch quer ins parlamentarische Verfahren zu schießen, finde ich abenteuerlich. Genauso abenteuerlich finde ich die knappe Zeit, die im Bundestag für die Beratung vorgesehen ist. Für die erste Lesung des EEG sind zusammen mit dem Gesetz für den Bundesbedarfsplan beim Netzausbau genau 30 Minuten Zeit eingeplant. Für mehr Klimaschutz gehen Zigtausende auf die Straße und dem Parlament wird für dieses wichtige Gesetz nicht einmal eine halbe Stunde Redezeit eingeräumt. Das geht nicht!

E&M: Was wollen Sie vonseiten der SPD-Fraktion am Gesetzentwurf auf jeden Fall geändert sehen?

Saathoff: Für uns ist es an der Zeit, einige Grundsätze für die Förderung erneuerbarer Energien neu zu definieren. So ist für uns beispielsweise die EEG-Umlage nicht länger tragbar. Wir wollen das bisherige System für die EEG-Umlage abschaffen. Nach unseren Vorstellungen soll die Finanzierung über die Einnahmen aus dem nationalen Emissionshandel und aus Steuermitteln erfolgen. Außerdem gibt es zu viele kleinteilige Regelungen im EEG, beispielsweise für den Eigenverbrauch selbst erzeugten Ökostroms. Es macht für mich überhaupt keinen Sinn, für kleinere Solaranlagen bereits ab einem Kilowatt Leistung den Einbau eines Smart Meters verpflichtend einzuführen. Für die Stärkung der Prosumer-Aktivitäten wollen wir die Chancen nutzen, die uns die neue Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU bietet.

E&M: Was wollen Sie bei der Windenergie ändern?

Saathoff: Wir müssten schnellstens eine Regelung für die Ü20-Windturbinen vorlegen. Mein Vorschlag dazu sieht wie folgt aus: Wir müssen zwischen Anlagen unterscheiden, die repowert werden können oder nicht. Bei Altanlagen, die durch eine moderne Windturbine ersetzt werden können, muss das so schnell wie möglich erfolgen. Eine Anschlussförderung halte ich deshalb nicht für notwendig. Alle anderen Altanlagen, die künftig keine EEG-Vergütung erhalten, sollen auf Basis des Contract-for-Difference-Modells (CfD) weiterhin gefördert werden. Bei diesen Differenzverträgen müssen wir ein Förderniveau festlegen, das den Weiterbetrieb ermöglicht. Wenn der Börsenpreis über diesem Niveau liegt, zahlen die Windmüller die Differenz in das EEG-Konto ein. Das ist für mich ein faires Angebot, das zwar auf den ersten Blick kompliziert klingen mag, aber auf jeden Fall umsetzbar ist.

E&M: Noch einmal zurück zu den Ausbauzielen. Der EEG-Entwurf sieht für die Windkraft an Land eine Kapazität von 71.000 Megawatt für das Jahr 2030 vor. Ist das nicht ein Abgesang auf den weiteren Ausbau?

Saathoff: Dass diese 71.000 Megawatt vorne und hinten nicht reichen, ist keine Frage. Für mich stellt sich eher die Frage, ob wir selbst die 71.000 Megawatt schaffen. In diesem Jahr und den beiden zurückliegenden lag der Ausbau deutlich unter dem vorgesehenen Ausbauziel von 2.800 Megawatt brutto, das bei den damaligen parlamentarischen Beratungen von vielen Seiten als zu gering bewertet worden ist. Wir haben weiterhin zu viele bürokratische, planungs- oder artenschutzrechtliche Hindernisse, die für einen dynamischen Windkraftausbau gelöst werden müssen. Lösungen für all diese Baustellen sehe ich aber noch nicht. Selbst wenn wir uns höhere Ausbauziele setzen, ist das in meinen Augen Augenwischerei, solange es keinen Lösungen für die angesprochenen Probleme gibt. Da kommt viel zu wenig aus dem Hause Peter Altmaier.

E&M: Im Sommer hat Altmaier Fehler beim Klimaschutz in den zurückliegenden Jahren eingeräumt. Glauben Sie ihm?

Saathoff: Den guten Willen und auch das Wissen um den Treibhauseffekt will ich ihm gar nicht absprechen. Dann kann er aber nicht so ein Gesetz vorlegen. Dieser Entwurf steht wirklich im krassen Widerspruch zu seinen zurückliegenden Äußerungen. Mich ärgert, dass ich mit all meinen Initiativen für mehr Windkraft an Land und auf See immer wieder gegen Wände laufe, die sein Ministerium hochzieht. Was Altmaier macht, ist links blinken und rechts abbiegen.

„Bis zur Gesetzesverabschiedung liegen spannende Wochen vor uns“

E&M: Wie bewerten Sie die Regelungen zur Bürgerenergie im EEG-Entwurf?

Saathoff: Erst einmal bin ich überrascht, dass das Bundeswirtschaftsministerium an die Bürgerenergie gedacht hat. Ich bin immer ein Freund davon gewesen, dass Kommunen im Ganzen an den finanziellen Einnahmen eines Windparks beteiligt werden sollen. Deshalb unterstütze ich auch den nun gewählten Weg. Es ist nur bitter, dass dieser Passus lediglich für neue Windparks gelten soll. Kommunen, die bereits ihre Hausaufgaben gemacht haben, gehen leer aus. Damit, dass es wohl keine verpflichtende, sondern eine freiwillige Kommunalbeteiligung geben wird, kann ich leben. Die Bürgermeister wissen künftig um diese neue Einnahmemöglichkeit, zumal, wie es aussieht, diese Gelder nicht für die sogenannte Kreis-Umlage anfallen, sondern komplett im eigenen Etat verbleiben. Ich gehe davon aus, dass sich diese Kommunalabgabe künftig bei der Vergabe neuer Flächen durchsetzen wird und die Projektierer diese Beteiligung von sich aus anbieten werden.

E&M: Neben der EEG-Novelle steht auch der Beschluss über die Reform des Windenergie-auf-See-Gesetzes aus. Wann ist damit zu rechnen?

Saathoff: Das kann ich derzeit schwer sagen. Es hat ein erstes Gespräch auf Ebene der Berichterstatter beider Regierungsfraktionen gegeben. Wir sind uns aber nicht einig geworden. Die Union ist mit dem Gesetzentwurf, so wie ihn das Bundeswirtschaftsministerium erarbeitet hat, einverstanden, während wir noch verschiedene Punkte ändern wollen - und zwar nicht allein die umstrittene zweite Gebotskomponente. Da wir uns aber bei diesem Punkt nicht einigen konnten, ist auch alles andere liegen geblieben. Deshalb fällt es mir wirklich schwer zu prognostizieren, wann der Bundestag über das Gesetz abstimmt.

E&M: Mit der Wind-auf-See-Novelle will die Bundesregierung die installierte Offshore-Windleistung in den deutschen Nord- und Ostseegewässern um 5.000 auf 20.000 Megawatt bis 2030 erhöhen. Halten Sie dieses Ausbauziel nach wie vor für machbar?

Saathoff: Mit einer vernünftigen Novelle, mit der potenzielle Betreiber bei ihren Milliardeninvestitionen unterstützt werden, auf jeden Fall.

E&M: Richtig zufrieden klingen Sie wirklich nicht mit den beiden Gesetzen, die die Große Koalition zum Ausbau der Windenergie an Land und auf See bringen will.

Saathoff: Nein, das reicht alles noch nicht. Wir haben nicht nur eine klimapolitische, sondern auch eine industriepolitische Verantwortung. Wir müssen alles daran setzen, dass uns nach dem Photovoltaiksektor nicht auch die Arbeitsplätze in der Windbranche wegbrechen. Bis zur Verabschiedung beider Gesetze liegen noch spannende Wochen vor uns.

Zur Person
Johann Saathoff, Jahrgang 1967, gehört zu den anerkannten Energieexperten in der SPD-Bundestagsfraktion, der er seit 2013 angehört. Zweimal gewann der gebürtige Ostfriese als Direktkandidat den Wahlkreis Aurich-Emden, was auch seine Affinität zur Windenergie erklärt. Saathoff, der vor seinem Wechsel in die Bundespolitik mehrere Jahre als Bürgermeister die Geschicke der Gemeinde Krummhörn nördlich von Emden managte, ist zudem seit Ende August Russland-Beauftragter der Bundesregierung.

Montag, 16.11.2020, 08:58 Uhr
Ralf Köpke

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