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Energie & Management > Meinung - Energiewende zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Quelle: Denis Junker, Fotolia
Meinung

Energiewende zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Der Koalitionsvertrag bietet wenig Überraschung, der Test auf die Durchsetzbarkeit der rot-gelb-grünen Klimapläne steht aber noch bevor, kommentiert unser Korrespondent Tom Weingärtner.
Es ist keine wirkliche Ãœberraschung, was sich die Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen in der Energie- und Klimapolitik vorgenommen hat: Kohlekraftwerke sollen spätestens 2030 abgeschaltet und auf Erdgas zur Stromerzeugung spätestens 2040 verzichtet werden. Auch aus dem Wärmemarkt soll Gas im Laufe der 2030er-Jahre verschwinden, das Gleiche gilt für Autos mit Verbrennungsmotor. Alles, was klimapolitisch hinter diesen Ankündigungen zurückgeblieben wäre, hätte wahrscheinlich einen Aufstand der grünen Basis ausgelöst – und das ganze Ampelprojekt in Frage gestellt.

Interessanter sind deswegen die Konditionen, die die anderen beiden Koalitionspartner mit den grünen Klimaträumen verknüpft haben. So steht der vorgezogene Ausstieg aus der Kohle unter dem Vorbehalt, dass die Versorgungssicherheit gewährleistet bleibt und soziale Härten für die Beschäftigten vermieden werden. Die Ampel-Partner haben auch einen Plan, wie diese Konditionen erfüllt werden könnten. Um die Sozialverträglichkeit der Energiewende sicherzustellen, wollen sie vor allem viel Geld in die Hand nehmen.
 
E&M-Korrespondent Tom Weingärtner
Quelle: Privat

Die Versorgungssicherheit soll durch einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien garantiert werden: 80 Prozent des Stroms soll 2030 aus Sonne, Wind und anderen erneuerbaren Quellen erzeugt werden, das sind 35 Prozentpunkte mehr als heute und 15 mehr, als man sich bis jetzt vorgenommen hatte. Das Ausbauziel für die Windkrafterzeugung auf See haben die neuen Regierungsparteien kurzerhand von 20 auf 30 GW heraufgesetzt und an Land sollen zwei Prozent der Flächen alleine für Windräder ausgewiesen werden, das ist mehr als doppelt so viel wie heute.

Die Aktivisten von Friday's for Future werden das voraussichtlich als Verrat am Klimaschutz brandmarken. Gleichwohl dürfte sich die deutsche Wirtschaft schwertun, die anvisierten Ziele umzusetzen. Einen kleinen Vorgeschmack bekam Anfang der Woche der Energiekonzern Eon, als er bekannt gab, in den nächsten fünf Jahren 22 Mrd. Euro in seine Netze investieren zu wollen, damit die Energiewende dort nicht steckenbleibt. Die Anleger, die diese Investitionen finanzieren sollen, waren nur mäßig begeistert: die Eon-Aktie gab um mehr als vier Prozent nach.

Die Manager des Konzerns wollen sich den Ausbau ihrer Leitungen deswegen in Zukunft üppiger vergolden lassen. Um die „mickerigen“ Zinsen, die ihnen die Bundesnetzagentur bewilligt hat, aufzustocken, ziehen sie vor Gericht. Das Nachsehen haben die Stromkunden, die das bezahlen müssen, wenn Eon sich vor Gericht durchsetzen kann. Gelingt das nicht, werden sich die Anleger lohnenderen Investitionen zuwenden.

Der Test auf die Durchsetzbarkeit der rot-gelb-grünen Klimapläne steht also noch bevor: wenn die Naturschützer vor Ort davon überzeugt werden müssen, dass Fledermäuse nicht so wichtig sind wie grüner Strom aus einem tollen Windpark. Wenn die Industrie überredet werden muss, in grüne Technik zu investieren, auch wenn Absatzmärkte nicht immer erkennbar sind.

Immerhin: in der Energiewirtschaft ist der Verzicht auf die Kohle möglich. Die Unternehmen verfügen über alternative Technologien, um Strom zu erzeugen und demnächst vielleicht auch zu speichern. Angesichts ihres De-Facto-Monopols verfügt die Energiewirtschaft auch über die Finanzierungsspielräume, um sich in relativ kurzer Zeit technologisch neu zu erfinden. Die Aufstellung von genügend Windrädern wird also weder an der Technik noch am Geld scheitern – wenn es den Politikern gelingt, die von ihnen selbst geschaffene Bürokratie in den Griff zu kriegen. Gebaut werden müssen die neuen Kraftwerke und Infrastruktur-Einrichtungen allerdings auch dann, wenn der Amtsschimmel besiegt ist, die Wutbürger besänftigt sind und Geld nicht das Problem ist. In den verfügbaren acht Jahren bleibt da noch viel zu tun.

Komplizierter ist die Lage in den Branchen, die international im Wettbewerb stehen wie die Stahl- oder die chemische Industrie. Dort sind emissionsarme Technologien nicht ausgereift. Stahl mit Wasserstoff zu kochen ist theoretisch möglich, aber nur ansatzweise erprobt und - gemessen am internationalen Preisniveau - unerschwinglich. Das ist nur ein Problem, das für die deutsche Wirtschaft von existentieller Bedeutung ist, für das der Koalitionsvertrag aber keine Lösung bereithält. Die Pläne der neuen Regierung lassen sich nur realisieren, wenn die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft erhalten bleiben.

Sicher: mit Geld kann man auch hier viel ausrichten. Für den Bundeshaushalt gilt freilich ebenso wie auf dem Kapitalmarkt, dass jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann.

Mittwoch, 24.11.2021, 16:05 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Meinung - Energiewende zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Quelle: Denis Junker, Fotolia
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Energiewende zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Der Koalitionsvertrag bietet wenig Überraschung, der Test auf die Durchsetzbarkeit der rot-gelb-grünen Klimapläne steht aber noch bevor, kommentiert unser Korrespondent Tom Weingärtner.
Es ist keine wirkliche Ãœberraschung, was sich die Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen in der Energie- und Klimapolitik vorgenommen hat: Kohlekraftwerke sollen spätestens 2030 abgeschaltet und auf Erdgas zur Stromerzeugung spätestens 2040 verzichtet werden. Auch aus dem Wärmemarkt soll Gas im Laufe der 2030er-Jahre verschwinden, das Gleiche gilt für Autos mit Verbrennungsmotor. Alles, was klimapolitisch hinter diesen Ankündigungen zurückgeblieben wäre, hätte wahrscheinlich einen Aufstand der grünen Basis ausgelöst – und das ganze Ampelprojekt in Frage gestellt.

Interessanter sind deswegen die Konditionen, die die anderen beiden Koalitionspartner mit den grünen Klimaträumen verknüpft haben. So steht der vorgezogene Ausstieg aus der Kohle unter dem Vorbehalt, dass die Versorgungssicherheit gewährleistet bleibt und soziale Härten für die Beschäftigten vermieden werden. Die Ampel-Partner haben auch einen Plan, wie diese Konditionen erfüllt werden könnten. Um die Sozialverträglichkeit der Energiewende sicherzustellen, wollen sie vor allem viel Geld in die Hand nehmen.
 
E&M-Korrespondent Tom Weingärtner
Quelle: Privat

Die Versorgungssicherheit soll durch einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien garantiert werden: 80 Prozent des Stroms soll 2030 aus Sonne, Wind und anderen erneuerbaren Quellen erzeugt werden, das sind 35 Prozentpunkte mehr als heute und 15 mehr, als man sich bis jetzt vorgenommen hatte. Das Ausbauziel für die Windkrafterzeugung auf See haben die neuen Regierungsparteien kurzerhand von 20 auf 30 GW heraufgesetzt und an Land sollen zwei Prozent der Flächen alleine für Windräder ausgewiesen werden, das ist mehr als doppelt so viel wie heute.

Die Aktivisten von Friday's for Future werden das voraussichtlich als Verrat am Klimaschutz brandmarken. Gleichwohl dürfte sich die deutsche Wirtschaft schwertun, die anvisierten Ziele umzusetzen. Einen kleinen Vorgeschmack bekam Anfang der Woche der Energiekonzern Eon, als er bekannt gab, in den nächsten fünf Jahren 22 Mrd. Euro in seine Netze investieren zu wollen, damit die Energiewende dort nicht steckenbleibt. Die Anleger, die diese Investitionen finanzieren sollen, waren nur mäßig begeistert: die Eon-Aktie gab um mehr als vier Prozent nach.

Die Manager des Konzerns wollen sich den Ausbau ihrer Leitungen deswegen in Zukunft üppiger vergolden lassen. Um die „mickerigen“ Zinsen, die ihnen die Bundesnetzagentur bewilligt hat, aufzustocken, ziehen sie vor Gericht. Das Nachsehen haben die Stromkunden, die das bezahlen müssen, wenn Eon sich vor Gericht durchsetzen kann. Gelingt das nicht, werden sich die Anleger lohnenderen Investitionen zuwenden.

Der Test auf die Durchsetzbarkeit der rot-gelb-grünen Klimapläne steht also noch bevor: wenn die Naturschützer vor Ort davon überzeugt werden müssen, dass Fledermäuse nicht so wichtig sind wie grüner Strom aus einem tollen Windpark. Wenn die Industrie überredet werden muss, in grüne Technik zu investieren, auch wenn Absatzmärkte nicht immer erkennbar sind.

Immerhin: in der Energiewirtschaft ist der Verzicht auf die Kohle möglich. Die Unternehmen verfügen über alternative Technologien, um Strom zu erzeugen und demnächst vielleicht auch zu speichern. Angesichts ihres De-Facto-Monopols verfügt die Energiewirtschaft auch über die Finanzierungsspielräume, um sich in relativ kurzer Zeit technologisch neu zu erfinden. Die Aufstellung von genügend Windrädern wird also weder an der Technik noch am Geld scheitern – wenn es den Politikern gelingt, die von ihnen selbst geschaffene Bürokratie in den Griff zu kriegen. Gebaut werden müssen die neuen Kraftwerke und Infrastruktur-Einrichtungen allerdings auch dann, wenn der Amtsschimmel besiegt ist, die Wutbürger besänftigt sind und Geld nicht das Problem ist. In den verfügbaren acht Jahren bleibt da noch viel zu tun.

Komplizierter ist die Lage in den Branchen, die international im Wettbewerb stehen wie die Stahl- oder die chemische Industrie. Dort sind emissionsarme Technologien nicht ausgereift. Stahl mit Wasserstoff zu kochen ist theoretisch möglich, aber nur ansatzweise erprobt und - gemessen am internationalen Preisniveau - unerschwinglich. Das ist nur ein Problem, das für die deutsche Wirtschaft von existentieller Bedeutung ist, für das der Koalitionsvertrag aber keine Lösung bereithält. Die Pläne der neuen Regierung lassen sich nur realisieren, wenn die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft erhalten bleiben.

Sicher: mit Geld kann man auch hier viel ausrichten. Für den Bundeshaushalt gilt freilich ebenso wie auf dem Kapitalmarkt, dass jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann.

Mittwoch, 24.11.2021, 16:05 Uhr
Tom Weingärtner

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