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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - „Der Cash-Flow muss gut prognostizierbar sein“
Quelle: Fotolia / jogyx
E&M Vor 20 Jahren

„Der Cash-Flow muss gut prognostizierbar sein“

Die Finanzierung von Kraftwerken war vor 20 Jahren ein Thema, das die Branche sehr bewegte. Für kleinere Unternehmen ging dabei kein Weg an der Hausbank vorbei.
Im Herbst 2005 sprach E&M mit Nikolai Ulrich, Leiter der Projektfinanzierung der HSH Nordbank, darüber, was Banken von Kreditnehmern erwarten. Das Gespräch führte damals E&M-Redakteur Fritz Wilhelm.

 
E&M: Herr Dr. Ulrich, angesichts der hohen Strompreise könnte es für das eine oder andere Industrieunternehmen attraktiv sein, in die Eigenerzeugung einzusteigen. Haben Sie Anfragen aus der Industrie?

Ulrich: Ja, die haben wir. Branchen, die sich hierfür interessieren, sind zum Beispiel die Holz- und Papierindustrie, die Chemiebranche oder die mineralölverarbeitende Industrie. Die meisten Anfragen beziehen sich allerdings auf Ersatzinvestitionen. Denn wie bei den Energieversorgern gibt es auch in der Industrie eine ganze Reihe von Altanlagen, die in die Jahre gekommen sind.

E&M: Welche Technologie wird dann vor allem zum Einsatz kommen?

Ulrich: Im Zuge des seit 1. Juni gültigen Deponierungsverbots von unbehandeltem Hausmüll ist die thermische Verwertung von vorsortiertem Müll ein großes Thema geworden. In der Regel denken Unternehmen, die neben Strom auch noch Wärme benötigen, über solche Alternativen nach.

E&M: Denken nach, oder planen auch schon konkret?

Ulrich: Es gibt schon konkrete Planungen, zumeist für kleinere bis mittelgroße Anlagen zwischen 20 und 100 MW.

„Investitionskosten deutlich höher als bei einem GuD-Kraftwerk“

E&M: Wie unterscheidet sich die Finanzierung eines solchen Projekts von der Finanzierung eines konventionellen Kraftwerks?

Ulrich: Bei der Finanzierung gibt es grundsätzlich keine Unterschiede. Die Investitionskosten sind allerdings deutlich höher als bei einem GuD-Kraftwerk, da bei der thermischen Müllverwertung beispielsweise aufwendige Filteranlagen verwendet werden müssen. Dies sollte durch entsprechende Erlöse aus der Entsorgung aufgefangen werden.

E&M: Das Abfallaufkommen kann sehr stark schwanken...

Ulrich: Auch deshalb beschränken sich die Projekte vor allem auf kleinere Anlagen. Für Projekte mit größerer Kapazität stehen in der Regel keine ausreichenden Müllmengen zur Verfügung und auch die Anlieferung ans Kraftwerk ist in den meisten Fällen zu teuer, da der Einzugsbereich entsprechend groß sein muss. Ein Finanzierer legt aber nun einmal besonderen Wert darauf, dass langfristige Lieferverträge die Brennstoffversorgung sicherstellen.

E&M: Wie lange ist ‚langfristig’?

Ulrich: Sie werden ein Projekt nur finanziert bekommen, wenn Sie Lieferverträge mit einer Laufzeit von zehn bis fünfzehn Jahren zu festen Konditionen nachweisen können. Ob für einen Entsorger die Rechnung über fünfzehn Jahre auch tatsächlich aufgeht, wird sich erst im Nachhinein feststellen lassen. Für einen Finanzierer sind jedenfalls die geschlossenen Brennstofflieferverträge entscheidend.

E&M: Welche Kriterien spielen bei der Beurteilung eines Projekts außerdem eine große Rolle?

Ulrich: Der Cash-Flow der Projektgesellschaft muss gut prognostizierbar sein. Problematisch dabei ist, dass es sich bei der Projektgesellschaft meist um ein Unternehmen handelt, das neu gegründet wurde und keine eigene Kredithistorie hat. Deshalb sollte ein Geflecht von Verträgen die Brennstoffseite und die Stromabnahmeseite absichern. Das Brennstoffpreisrisiko wird dabei in der Regel an die Abnehmer des Stroms durchgereicht.

E&M: Das sind aber in vielen Fällen zunächst einmal die Anteilseigner der Projektgesellschaft.

Ulrich: Das stimmt. Sie treten aber dann als vertraglich gebundene Abnehmer einer Mindestmenge Strom und damit als Risikoträger auf. Wir sehen uns zwar nicht die einzelnen Vertrags- beziehungsweise Vertriebsportfolien an, aber wir machen uns schon ein genaues Bild über die Leistungsfähigkeit und Bonität der Vertragspartner. Und da es sich praktisch immer um in der Branche bekannte Unternehmen handelt, kommen wir eigentlich recht gut an die nötigen Informationen.

E&M: Welche Technologie ist die in den Planungen der Energieversorger vorherrschende?

Ulrich: Bei den meisten Projekten geht es um GuD-Kraftwerke. Aber es ist auch eine Reihe von Kohlekraftwerken in Planung.

E&M: Welcher Kraftwerkstyp hat bessere Finanzierungschancen?

Ulrich: Das hängt nicht vom Typ ab, sondern von der Planung und deren Umsetzung. Eine Sache würde die Planung und damit auch die Finanzierung eines Gaskraftwerks aber besonders erleichtern: Wenn die Gaslieferverträge nicht an den Ölpreis gekoppelt wären, sondern beispielsweise an den Strompreis. Damit würde im Grunde das Strompreisrisiko auf den Gaslieferanten verlagert. In der Praxis haben wir aber noch nicht erlebt, dass ein Gaslieferant bereit gewesen wäre, dieses Risiko zu tragen.

„Versicherungen sind ein sehr wichtiger Aspekt“

E&M: Von welchen Finanzierungslaufzeiten gehen Sie aus?

Ulrich: Die technische Nutzungsdauer liegt auf jeden Fall im Bereich von 25 bis 30 Jahren. In der Projektfinanzierung, inklusive der Bauphasenfinanzierung, geht man allerdings nur von Laufzeiten bis zu 20 Jahren aus.

E&M: Nach dieser Zeit wollen Sie Ihr Geld wieder haben.

Ulrich: Genau. Bei einer etwa zweijährigen Bauzeit bleiben dann also noch achtzehn Jahre für die Tilgung.

E&M: Welche Versicherungen fordern Sie als Finanzierer?

Ulrich: Versicherungen sind für die Finanzierung ein sehr wichtiger Aspekt. Insbesondere Risiken aus Höherer Gewalt müssen gedeckt sein. Dazu gehört sicherlich eine umfängliche Maschinenbruchversicherung, eine Betriebsunterbrechungsversicherung und eine Haftpflichtversicherung. Es gibt aber von internationalen Maklern standardisierte Versicherungspakete, die alle relevanten Risiken eindecken.

E&M: Laufen die Versicherungsverträge auch über 20 Jahre?

Ulrich: Meist können sie nicht fristenkongruent für die gesamte Finanzierungslaufzeit abgeschlossen werden, oder wenn, dann nur zu prohibitiven Preisen. Versicherungspakete müssen deshalb immer wieder erneuert werden. Insofern gibt es ein gewisses Risiko, dass sich die Bedingungen im Versicherungsmarkt im Laufe der Zeit für die Kraftwerksgesellschaft nachteilig entwickeln.

E&M: Wie sichern Sie sich gegen das Risiko ab, dass eine Kraftwerksgesellschaft trotz eines guten Ratings und guter Versicherungen die Finanzierungs- beziehungsweise Tilgungsphase nicht überlebt?

Ulrich: Wir sichern uns durch ein umfängliches Sicherheitspaket am Kraftwerk ab. Im Grunde kann man sagen, dass alles, was zum Kraftwerk gehört, also die wesentlichen Projektverträge und die physische Infrastruktur, auch als Sicherheit im Rahmen der Projektfinanzierung dient.

Freitag, 19.09.2025, 15:13 Uhr
Fritz Wilhelm
Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - „Der Cash-Flow muss gut prognostizierbar sein“
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E&M Vor 20 Jahren
„Der Cash-Flow muss gut prognostizierbar sein“
Die Finanzierung von Kraftwerken war vor 20 Jahren ein Thema, das die Branche sehr bewegte. Für kleinere Unternehmen ging dabei kein Weg an der Hausbank vorbei.
Im Herbst 2005 sprach E&M mit Nikolai Ulrich, Leiter der Projektfinanzierung der HSH Nordbank, darüber, was Banken von Kreditnehmern erwarten. Das Gespräch führte damals E&M-Redakteur Fritz Wilhelm.

 
E&M: Herr Dr. Ulrich, angesichts der hohen Strompreise könnte es für das eine oder andere Industrieunternehmen attraktiv sein, in die Eigenerzeugung einzusteigen. Haben Sie Anfragen aus der Industrie?

Ulrich: Ja, die haben wir. Branchen, die sich hierfür interessieren, sind zum Beispiel die Holz- und Papierindustrie, die Chemiebranche oder die mineralölverarbeitende Industrie. Die meisten Anfragen beziehen sich allerdings auf Ersatzinvestitionen. Denn wie bei den Energieversorgern gibt es auch in der Industrie eine ganze Reihe von Altanlagen, die in die Jahre gekommen sind.

E&M: Welche Technologie wird dann vor allem zum Einsatz kommen?

Ulrich: Im Zuge des seit 1. Juni gültigen Deponierungsverbots von unbehandeltem Hausmüll ist die thermische Verwertung von vorsortiertem Müll ein großes Thema geworden. In der Regel denken Unternehmen, die neben Strom auch noch Wärme benötigen, über solche Alternativen nach.

E&M: Denken nach, oder planen auch schon konkret?

Ulrich: Es gibt schon konkrete Planungen, zumeist für kleinere bis mittelgroße Anlagen zwischen 20 und 100 MW.

„Investitionskosten deutlich höher als bei einem GuD-Kraftwerk“

E&M: Wie unterscheidet sich die Finanzierung eines solchen Projekts von der Finanzierung eines konventionellen Kraftwerks?

Ulrich: Bei der Finanzierung gibt es grundsätzlich keine Unterschiede. Die Investitionskosten sind allerdings deutlich höher als bei einem GuD-Kraftwerk, da bei der thermischen Müllverwertung beispielsweise aufwendige Filteranlagen verwendet werden müssen. Dies sollte durch entsprechende Erlöse aus der Entsorgung aufgefangen werden.

E&M: Das Abfallaufkommen kann sehr stark schwanken...

Ulrich: Auch deshalb beschränken sich die Projekte vor allem auf kleinere Anlagen. Für Projekte mit größerer Kapazität stehen in der Regel keine ausreichenden Müllmengen zur Verfügung und auch die Anlieferung ans Kraftwerk ist in den meisten Fällen zu teuer, da der Einzugsbereich entsprechend groß sein muss. Ein Finanzierer legt aber nun einmal besonderen Wert darauf, dass langfristige Lieferverträge die Brennstoffversorgung sicherstellen.

E&M: Wie lange ist ‚langfristig’?

Ulrich: Sie werden ein Projekt nur finanziert bekommen, wenn Sie Lieferverträge mit einer Laufzeit von zehn bis fünfzehn Jahren zu festen Konditionen nachweisen können. Ob für einen Entsorger die Rechnung über fünfzehn Jahre auch tatsächlich aufgeht, wird sich erst im Nachhinein feststellen lassen. Für einen Finanzierer sind jedenfalls die geschlossenen Brennstofflieferverträge entscheidend.

E&M: Welche Kriterien spielen bei der Beurteilung eines Projekts außerdem eine große Rolle?

Ulrich: Der Cash-Flow der Projektgesellschaft muss gut prognostizierbar sein. Problematisch dabei ist, dass es sich bei der Projektgesellschaft meist um ein Unternehmen handelt, das neu gegründet wurde und keine eigene Kredithistorie hat. Deshalb sollte ein Geflecht von Verträgen die Brennstoffseite und die Stromabnahmeseite absichern. Das Brennstoffpreisrisiko wird dabei in der Regel an die Abnehmer des Stroms durchgereicht.

E&M: Das sind aber in vielen Fällen zunächst einmal die Anteilseigner der Projektgesellschaft.

Ulrich: Das stimmt. Sie treten aber dann als vertraglich gebundene Abnehmer einer Mindestmenge Strom und damit als Risikoträger auf. Wir sehen uns zwar nicht die einzelnen Vertrags- beziehungsweise Vertriebsportfolien an, aber wir machen uns schon ein genaues Bild über die Leistungsfähigkeit und Bonität der Vertragspartner. Und da es sich praktisch immer um in der Branche bekannte Unternehmen handelt, kommen wir eigentlich recht gut an die nötigen Informationen.

E&M: Welche Technologie ist die in den Planungen der Energieversorger vorherrschende?

Ulrich: Bei den meisten Projekten geht es um GuD-Kraftwerke. Aber es ist auch eine Reihe von Kohlekraftwerken in Planung.

E&M: Welcher Kraftwerkstyp hat bessere Finanzierungschancen?

Ulrich: Das hängt nicht vom Typ ab, sondern von der Planung und deren Umsetzung. Eine Sache würde die Planung und damit auch die Finanzierung eines Gaskraftwerks aber besonders erleichtern: Wenn die Gaslieferverträge nicht an den Ölpreis gekoppelt wären, sondern beispielsweise an den Strompreis. Damit würde im Grunde das Strompreisrisiko auf den Gaslieferanten verlagert. In der Praxis haben wir aber noch nicht erlebt, dass ein Gaslieferant bereit gewesen wäre, dieses Risiko zu tragen.

„Versicherungen sind ein sehr wichtiger Aspekt“

E&M: Von welchen Finanzierungslaufzeiten gehen Sie aus?

Ulrich: Die technische Nutzungsdauer liegt auf jeden Fall im Bereich von 25 bis 30 Jahren. In der Projektfinanzierung, inklusive der Bauphasenfinanzierung, geht man allerdings nur von Laufzeiten bis zu 20 Jahren aus.

E&M: Nach dieser Zeit wollen Sie Ihr Geld wieder haben.

Ulrich: Genau. Bei einer etwa zweijährigen Bauzeit bleiben dann also noch achtzehn Jahre für die Tilgung.

E&M: Welche Versicherungen fordern Sie als Finanzierer?

Ulrich: Versicherungen sind für die Finanzierung ein sehr wichtiger Aspekt. Insbesondere Risiken aus Höherer Gewalt müssen gedeckt sein. Dazu gehört sicherlich eine umfängliche Maschinenbruchversicherung, eine Betriebsunterbrechungsversicherung und eine Haftpflichtversicherung. Es gibt aber von internationalen Maklern standardisierte Versicherungspakete, die alle relevanten Risiken eindecken.

E&M: Laufen die Versicherungsverträge auch über 20 Jahre?

Ulrich: Meist können sie nicht fristenkongruent für die gesamte Finanzierungslaufzeit abgeschlossen werden, oder wenn, dann nur zu prohibitiven Preisen. Versicherungspakete müssen deshalb immer wieder erneuert werden. Insofern gibt es ein gewisses Risiko, dass sich die Bedingungen im Versicherungsmarkt im Laufe der Zeit für die Kraftwerksgesellschaft nachteilig entwickeln.

E&M: Wie sichern Sie sich gegen das Risiko ab, dass eine Kraftwerksgesellschaft trotz eines guten Ratings und guter Versicherungen die Finanzierungs- beziehungsweise Tilgungsphase nicht überlebt?

Ulrich: Wir sichern uns durch ein umfängliches Sicherheitspaket am Kraftwerk ab. Im Grunde kann man sagen, dass alles, was zum Kraftwerk gehört, also die wesentlichen Projektverträge und die physische Infrastruktur, auch als Sicherheit im Rahmen der Projektfinanzierung dient.

Freitag, 19.09.2025, 15:13 Uhr
Fritz Wilhelm

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