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Die NRW-Landesregierung drückt bei den Flächenzielen für den Windkraft-Ausbau aufs Tempo und bremst gleichzeitig Dutzende Turbinen aus. Der Lobby-Verband LEE NRW spricht von Eigentoren.
Nordrhein-Westfalen rühmt sich mit der Geschwindigkeit, die Flächenziele der Bundesregierung für Windkraft umzusetzen. Schon 2025 − und damit sieben Jahr vor der gesetzten Frist − will die schwarz-grüne Landesregierung liefern. Ein Passus im entsprechenden Landesplanungsgesetz bremst allerdings aktuell 65 Projekte für Windenergieanlagen aus.
Der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE NRW), Lobbyorganisation der Ökoenergie-Wirtschaft, spricht von „mehr als 50 Eigentoren“ der Düsseldorfer Koalition. Sie habe mit der Möglichkeit für Bezirksregierungen, bis zur Verabschiedung der Regionalpläne laufende Genehmigungsverfahren ruhen lassen zu dürfen, für einen „Bann“ teils weit fortgeschrittener Projekte gesorgt.
„Wir hatten die Landesregierung vor dieser Rückstellungsklausel gewarnt, weil sie sich als Bumerang erweisen könnte“, so Hans-Josef Vogel, Vorsitzender des LEE NRW. „Genau das bewahrheitet sich jetzt.“ Der Zeitverlust bis zur Wiederaufnahme der Genehmigungsverfahren könnte also bis Ende 2025 oder Anfang 2026 dauern.
Verband sagt Klagen gegen Aussetzungsbescheide voraus
Schlimmer noch wäre aus Verbandssicht, wenn auf die Rückstellung gar eine Ablehnung folgen würde. Denn viele der geplanten Turbinen befinden sich nach derzeitigem Stand gar nicht in der Gebietskulisse der Regionalpläne, besonders im Regierungsbezirk Arnsberg. „Es ist davon auszugehen, dass die nun zurückgestellten Windenergie-Projekte überhaupt nicht mehr gebaut werden“, so Hans-Josef Vogel.
Eine interne Befragung unter Mitgliedsunternehmen des Verbands hatte ergeben, dass etwas mehr als 50 im Genehmigungsverfahren befindliche Turbinen aktuell von einer Zurückstellung betroffen seien. Sie allein kämen auf eine Netto-Leistung von 380 MW. Diese Zahl setzt der Verband in Beziehung zu 110 Windenergieanlagen, die 2023 in NRW ans Netz gegangen sind und auf 430 MW kommen. „Vom letztjährigen Zubau können über 85 Prozent nicht gebaut werden“, so die Kritik des Verbands. Im ersten Halbjahr 2024 haben ebenfalls weniger als die blockierten Anlagen den Betrieb aufgenommen.
Insofern verbiete es sich, findet Hans-Josef Vogel, von „Einzelfällen“ zu sprechen. Davon war das Wirtschafts- und Klimaministerium von Mona Neubaur (Grüne) während des Gesetzgebungsverfahrens ausgegangen. „Diese Einschätzung ist offenbar völlig falsch“, so Vogel. Aufgrund der teuren Vorarbeiten und Investitionen seien Klagen gegen die Aussetzungsbescheide zu erwarten, so der Verbandschef. „Das ist keine wünschenswerte Visitenkarte für die Windenergiepolitik von Schwarz-Grün.“
Das Neubaur-Ministerium kündigte gegenüber dieser Redaktion eine spätere Stellungnahme an. Die Zahl der 65 blockierten Anlagen, die über die Umfrage des LEE NRW hinausgeht, hatte das Wirtschaftsressort gleichwohl bereits gegenüber dem WDR bestätigt. Die unterschiedlichen Zahlen rühren daher, dass nicht alle in NRW tätigen Windkraftentwickler Mitglied des Verbands sind.
Planungsregion Ruhrgebiet noch ohne Entwurf
Über die Kritik an der Rückstellungsklausel hinaus beklagt der LEE NRW einen Fehler im System, das die Landesregierung sich bei der Festlegung des 1,8-Prozent-Flächenziels für die Windenergie ausgedacht hatte. Der Verband vermisst eine einheitliche fachliche Vorgabe für die Planungsregionen. Sie dürfen eigene Kriterien festlegen, welche Flächen in ihrem Gebiet für die Windkraft zu Verfügung stehen sollen.
Probleme aus Sicht des LEE NRW: Die Regionalräte in Detmold und Arnsberg zum Beispiel wärmten die landesweit zurückgenommene Regel, zwischen Bebauung und Turbine 1.000 Meter Abstand zu wahren, wieder auf. Das grenze die Flächen unnötig ein. Neben weiteren Kritikpunkten moniert der LEE NRW, dass für die vergleichsweise unbedeutende, weil dicht bevölkerte Planungsregion Ruhrgebiet überhaupt noch kein Entwurf absehbar sei.
Hier seien zwar nur 2.000 Hektar auszuweisen − Düsseldorf kommt im Vergleich auf gut 4.000 Hektar, Münster auf rund 13.000 Hektar −, der Zeitplan der Landesregierung drohe aber ins Wanken zu geraten. Denn Schwarz-Grün könne der Bundesregierung erst dann das Erreichen des vorgegebenen Flächenziels melden, wenn alle Regionalpläne beschlossen sind.
Mittwoch, 28.08.2024, 16:31 Uhr
Volker Stephan
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