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Das Europaparlament stimmt am 14. September über neue Regeln für erneuerbare Energien in der EU ab. Umstritten bleiben der Einsatz von Biomasse und die Erzeugung von grünem Wasserstoff.
Eine große Mehrheit der Abgeordneten hat sich in den Ausschussberatungen dafür ausgesprochen, die Vorgaben der EU-Kommission angesichts der Energiepreiskrise deutlich anzuheben. Die Kommission wollte das bislang geltende Ziel der EU, Ende des Jahrzehntes 32 % ihres Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen zu decken, auf 40 % anheben. Im Parlament war man sich schnell einig, dass 45 % machbar und angemessen sind.
Auch den Weg dorthin will das Parlament genauer ausbuchstabieren. So soll es deutlich mehr grenzüberschreitende Grünstromprojekte geben als von der Kommission angedacht und mindestens 5 % aller neuen Projekte zur Nutzung von Wind oder Sonne sollen technologisch besonders anspruchsvoll sein.
Umgang mit Holzabfällen umstritten
Umstritten blieben bis zuletzt der Umgang mit primärer Biomasse und die Rahmenbedingungen für die Erzeugung von grünem Wasserstoff. Darüber wird am 14. September kontrovers abgestimmt.
Bei der primären Biomasse geht es darum, ob die Verwendung von Holz und Holzabfällen (darunter Pellets) zur Erzeugung von Wärme und Strom auch in Zukunft als Einsatz erneuerbarer Energie gilt und auf die entsprechenden Ziele angerechnet wird. Dafür setzen sich vor allem die waldreichen Länder im Norden und Osten Europas ein. Die Umweltorganisationen halten das Verbrennen von Bäumen dagegen für klimapolitisch unverantwortlich.
In den Ausschüssen hat man sich auf einen Kompromiss verständigt, der vorsieht, dass bis 2030 soviel Holz auf die Erneuerbaren-Ziele angerechnet werden kann wie im Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2022. Danach soll darüber entschieden werden, bis wann der Einsatz von Holz aus den Wäldern der EU auslaufen muss. 550 Waldeigentümer und Organisationen der Holzenergiebranche haben in einem Brief an alle Abgeordneten des Parlamentes davor gewarnt, dem Holz die energiepolitische Perspektive zu verbauen. "Für die Waldbesitzenden ist es essenziell, dass Holz aus der Waldpflege weiterhin zur energetischen Nutzung verkauft werden kann und damit den Waldumbau mitfinanziert", heißt es in dem Schreiben, das der Bundesverband BioEnergie (BBE) veröffentlicht hat. "Nur so können wir Durchforstungs- und Waldrestholz optimal verwerten und damit die Klimaanpassung unserer Wälder finanzieren."
Nach Angaben des Verbandes wurden im vergangenen Jahr 166 Mrd. kWh Energie aus "fester Biomasse" in der EU erzeugt, 35 % der insgesamt produzierten erneuerbaren Energien. Dafür würden keine Wälder abgeholzt, heißt es bei der Holzlobby, sondern überwiegend Restholz verwendet. Würde die Nutzung der primären Biomasse nach den Vorstellungen des Umweltausschusses eingeschränkt, hätte das verheerende Auswirkungen auf die Energiepreise und die Energiesicherheit in der EU. Nicht erst nach 2030, sondern bereits vorher, denn niemand werde mehr in die energetische Holzverwertung investieren, wenn es dafür nach 2030 keine Perspektive gebe.
Der BBE, aber auch eine Reihe von Wissenschaftlern verlangen deswegen, dass primäre Biomasse weiter als erneuerbare Energie gefördert und auf die Ziele der EU angerechnet wird.
"Überkomplexe" Regelungen für grünen Wasserstoff
Unzufrieden ist auch die Wasserstoffbranche. Nach einem Vorschlag der Kommission, über den das Parlament ebenfalls abstimmt, sollen die Anforderungen an grünen Wasserstoff erheblich verschärft werden. Als nachhaltig würde Wasserstoff danach nur gelten, wenn der dafür nötige Strom aus Wind oder Sonne zeitlich und räumlich in unmittelbarer Nähe erzeugt und nicht aus dem Netz entnommen wird.
Der Branchenverband Hydrogen Europe sieht darin eine erhebliche Benachteiligung gegenüber der Konkurrenz außerhalb der EU, insbesondere in den Vereinigten Staaten. Dort habe die Regierung mit dem Anti-Inflationsgesetz wesentlich günstigere Rahmenbedingungen für die Erzeugung von grünem Wasserstoff geschaffen, schreibt der Chef von Hydrogen Europe, Jorgo Chatzimarkakis, in einem Brief an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die Regeln, die sich die Kommission ausgedacht habe, seien "überkomplex" und als Anreiz für einen entstehenden Markt nicht konkret genug. Der komme nur mit "einfachen und starken" Regeln auf die Beine. Was die Kommission vorschlage, werde zu einem "Exodus von Unternehmen" führen und der Industrie keinen wettbewerbsfähigen, grünen Wasserstoff zur Verfügung stellen.
So sieht es auch der Berichterstatter des Parlamentes, Markus Pieper (CDU). Grüner Wasserstoff sollte auch mit Strom aus Windrädern oder PV-Anlagen erzeugt werden können, die sich weit entfernt von einem Elektrolyseur befinden. Der zeitlich Zusammenhang zwischen Überschüssen in der Grünstromerzeugung und der Herstellung von grünem Wasserstoff müsse ebenfalls pragmatischer ausgestaltet werden. Entsprechende Anträge werden Pieper und andere Abgeordnete zur Abstimmung stellen. Offen ist, ob sie dafür eine Mehrheit bekommen.
Dienstag, 13.09.2022, 10:51 Uhr
Tom Weingärtner
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