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Transportengpässe im deutschen Stromnetz machen immer wieder teure Systemausgleichs-Maßnahmen notwendig. Eine Studie hat die Auswirkungen solcher Redispatch-Aktionen untersucht.
Die Untersuchung des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag der EWS Elektrizitätswerke Schönau quantifiziert und analysiert, was Redispatch bewirkt und kostet, zeigt aber auch Lösungsansätze auf. Die Aufwendungen, die nötig sind, um die Netze stabil zu halten, liegen im mittleren dreistelligen Millionenbereich.
Der Transportbedarf für Strom steigt kontinuierlich an, da immer mehr erneuerbare Erzeugungskapazitäten zugebaut werden. Gleichzeitig gibt es aber kaum systemische Anreize, den Strom aus diesen Anlagen lastnah zu verbrauchen. Zudem sind die Erneuerbaren-Anlagen in Deutschland bisher ungleichmäßig verteilt, und der notwendige Netzausbau verläuft obendrein schleppend. So haben sich zum Beispiel die neuen Nord-Süd-Gleichstromtrassen Südostlink und Südlink um viele Jahre verzögert und werden wohl erst 2027 und 2028 fertig.
Nord-Süd-Trassen als NadelöhrDie leistungsstarke Windenergie-Produktion findet vor allem in Norddeutschland statt - und damit weit weg von den Orten, an denen aktuell sehr viel Strom verbraucht wird: von den Industriezentren im Süden von Deutschland. Das wiederum hat zur Folge, dass große industrielle Verbraucher etwa in Bayern und Baden-Württemberg aufgrund der einheitlichen Strompreiszone in Deutschland (siehe auch separate Meldung über Preiszonen-Teilung) den Windstrom aus dem Norden in großen Mengen preisgünstig einkaufen, obwohl sich der wegen fehlender Netzkapazitäten gar nicht zu ihnen transportieren lässt. Er muss nicht selten sogar abgeregelt werden, um die Netze nach Süden nicht zu überlasten. Dafür werden dann dort Kohle- oder Gaskraftwerke hochgefahren.
Entschädigt werden müssen sowohl die Betreiber der abgeschalteten Windkraftanlagen als auch die Lieferanten des fossilen Ersatzstroms. Die daraus resultierenden Kosten gibt der Netzbetreiber über die Netzentgelte an alle Stromverbraucher weiter. Da die Industrie von Rabatten bei den Netzentgelten profitiert, zahlen schließlich in erster Linie die Haushalte für den Redispatch, für sie fallen die Netzentgelte laut der Studie fast dreimal so hoch aus.
„Nicht nur, dass große industrielle Verbraucher im aktuellen System vom Bezug des kostengünstigen Windstroms aus dem Norden profitieren, sie werden zudem mit rabattierten Netzentgelten immer noch fürstlich dafür belohnt, Strom gleichmäßig zu verbrauchen“, erklärte dazu EWS-Vorstand Sebastian Sladek. Das sei aber bei dem wachsenden Anteil von volatiler Einspeisung heute nicht mehr sinnvoll. Und mit der Debatte über die Industriestrompreise würden sich schon die nächsten Subventionen für die Konzerne andeuteten.
Redispatch mit negativen ökologische FolgenAuf die negativen ökologischen Folgen des Redispatch weist die Studie ebenfalls hin: 2022 kam es danach durch die Ersatzerzeugung des Stroms mit fossilen Kraftwerken zu Mehremissionen von rund 1,04
Millionen Tonnen CO2.
Die regulatorischen Vorschläge des FÖSDie Autorinnen und Autoren vom FÖS kommen zu dem Schluss, dass eine zügige gesetzliche Anpassung notwendig ist, um die Menge an Engpassmanagement-Maßnahmen wirksam zu begrenzen. Da das Netz nicht in der notwendigen Schnelligkeit ausgebaut werde, müssten die Marktregeln so angepasst werden, dass sie die physikalische Realität des Strommarktes besser abbilden. Hier könnten sowohl regulatorische als auch marktbasierte Ansätze einen wesentlichen Beitrag leisten.
Eine sinnvolle Möglichkeit im Rahmen der Regulatorik wäre danach, die Netzentgelt-Systematik so anzupassen, dass die Systemkosten fair zwischen den Verbrauchergruppen und Regionen verteilt werden. Letzteres könnte zum Beispiel geschehen, indem Regionen von Redispatchkosten entlastet werden, in denen bereits sehr viele Erneuerbare-Energieanlagen errichtet wurden.
Auch die Möglichkeit, die einheitliche deutsche Strompreiszone in mehrere kleinere Zonen aufzuteilen, würde den verstärkten Zubau von Erneuerbaren im Süden anreizen und zu einer größeren Nutzung von Flexibilitäten führen, so das FÖS.
„Die Studie verdeutlicht den dringenden Handlungsbedarf in Bezug auf die Anpassung des aktuellen Strommarktdesigns. Ein ‚weiter wie bisher‘ zementiert nicht nur soziale und ökologische Missstände, sondern wird das System über kurz oder lang implodieren lassen, da Markt und Physik immer weiter auseinanderlaufen“, so Sladek.
Mittwoch, 27.09.2023, 16:17 Uhr
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