Der Expertenrat für Klimafragen (ERK) stellt in seinem Zweijahresgutachten fest, dass die Klimaschutzbemühungen Deutschlands nicht ausreichen, vor allem im Verkehrs- und Gebäudesektor.
Am 5. Februar stellte der Expertenrat für Klimafragen (ERK) sein Zweijahresgutachten in Berlin vor. Demnach verfehlt Deutschland voraussichtlich sein Klimaschutzziel, den Ausstoß an Treibhausgasen bis 2030 um 65
Prozent gegenüber 1990 senken. Zugleich bewerten die Fachleute die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen. Daraus leiteten sie Empfehlungen an das Klimaschutzprogramm ab, das eine neue Bundesregierung innerhalb des ersten Jahres der Legislaturperiode vorlegen muss.
Positiv sei laut dem Vorsitzenden des ERK, dass das Tempo der Minderung der Treibhausgasemissionen sich von 2014 bis 2023 im Vergleich zur vorherigen Dekade beschleunigt hat. Prof. Hans-Martin Henning sieht Fortschritte beim Aufbau eines neuen, nicht-fossilen Kapitalstocks, insbesondere in der Energiewirtschaft. „In der Industrie waren vor allem höhere Energiepreise sowie konjunkturelle und strukturelle Nachfragerückgänge für die Emissionsminderung verantwortlich“, schränkte er ein.
Fossile Brennstoffe ablösenIn den beiden Sektoren Gebäude und Verkehr ist die Emissionsminderung unzureichend, so der ERK. Dies sei vor allem kritisch in Hinblick auf die Erreichung der nationalen Ziele unter der EU-Lastenteilung. „Hier wird die Zielerreichung künftig nicht allein durch den europäischen Emissionshandel EU-ETS 2 sichergestellt werden können“, mahnt das Gremium. Vielmehr seien zusätzliche Maßnahmen erforderlich, so die Empfehlung an die kommende Bundesregierung.
Keinesfalls sollte das bereits geltende Regelwerk aus Gebäudeenergiegesetz (GEG), Kommunaler Wärmeplanung (KWP) und Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG) revidiert werden, mahnte Henning. „Bisherige Förderprogramme für Gebäudesanierung, Heizungstausch und Elektromobilität haben hauptsächlich Gebäudeeigentümer und einkommensstarke Haushalte gefördert“, sagte die stellvertretende ERK-Vorsitzende Brigitte Knopf. Künftig sollten soziale Auswirkungen bei der Gestaltung klimapolitischer Maßnahmen stärker einbezogen werden, empfiehlt der Rat.
Gesamtstrategie notwendig„Die umfassende Einbettung klimapolitischer Maßnahmen in eine politische Gesamtstrategie ist jetzt wichtiger denn je“, betonte Henning. Zu dem
Zweck empfiehlt der Expertenrat einen zentralen Koordinierungsmechanismus, zum Beispiel über die Wiedereinführung des Klimakabinetts, zur besseren Integration verschiedener Politikfelder. Zudem regt er die Einführung eines systematischen Monitoring- und Evaluationssystems an, das die Wechselwirkungen mit
anderen Politikbereichen analysiert und Zielkonflikte offenlegt.
Der Expertenrat hat auf Basis mehrerer Studien den notwendigen Investitionsbedarf beziffert. Dieser beträgt zwischen 135 und 255 Milliarden Euro pro Jahr. Ein beachtlicher Teil davon sei für Modernisierungen aber ohnehin erforderlich und würde von der Privatwirtschaft investiert. Für den Staat bleibe „eine Finanzierungslücke im Umfang eines mittleren zweistelligen Milliardenbetrags pro Jahr“, so Ratsmitglied Prof. Thomas Heimer. Viele Infrastrukturmaßnahmen zum Beispiel für Schienen und Brücken seien ohnehin erforderlich für den Wirtschaftsstandort.
Er verwies zugleich auf die große Bedeutung von Innovationen hin. Klimaschutzpolitik und die Gestaltung des Strukturwandels müssten miteinander verzahnt werden. „Um zu beurteilen, in welchem Umfang und wie Transformationsinvestitionen gestemmt werden können, sollte die Bundesregierung diese in ihrer mehrjährigen Finanz- und Wirtschaftsplanung diese ausdrücklich berücksichtigen“, forderte Heimer.
Kein Nachlassen beim KlimaschutzZugleich warnt der Rat davor, im Klimaschutz nachzulassen, weil auch Verpflichtungen gegenüber der EU Deutschland sonst teuer zu stehen kommen. Der Expertenrat für Klimafragen ist ein unabhängiges Gremium aus fünf sachverständigen Personen verschiedener Disziplinen. Er wurde im September 2020 benannt und beauftragt nach dem deutschen Klimaschutzgesetz.
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Präsentation des Expertenrats für Klimafragen (v.li.): Brigitte Knopf (stv. Vorsitzende), Hans-Martin Henning (Vorsitzender) und Mitglied Thomas Heimer Quelle: E&M / S. Harmsen |
Stefanie Langkamp, Geschäftsleiterin Politik der Klima-Allianz Deutschland, forderte aus Anlass des Expertenberichts „von der nächsten Bundesregierung eine Investitionsoffensive für die Schiene und den öffentlichen Verkehr, mehr kleine und effiziente E-Autos und eine langfristig gesicherte Förderstrategie für klimaneutrales, bezahlbares Heizen.“ Unterlassener Klimaschutz belaste vor allem benachteiligte Gruppen wie Ältere, Kinder und Menschen mit Vorerkrankungen, die unter zunehmenden Hitze besonders leiden.
Für Greenpeace Deutschland sagte Vorstand Martin Kaiser: „Für die sozial gerechte ökologische Erneuerung muss eine neue Bundesregierung mehrere hundert Milliarden Euro investieren.“ An diesen Lösungen seien die größten Verursacher der Klimakrise mit einer ökologischen Milliardärssteuer zu beteiligen, forderte er. Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert eine deutliche Nachschärfung beim Klimaschutz und konkrete Maßnahmen besonders für den Verkehrs- und Gebäudesektor.
Der
Zweijahresbericht des ERK steht als PDF zum Download bereit.
Mittwoch, 5.02.2025, 13:53 Uhr
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