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Kein Vogelschutzgebiet, ausreichend Artenschutzmaßnahmen und auch der Abstand zur Bebauung im Rahmen: Für den Nabu NRW gab es mit seiner Klage gegen eine Windturbine nichts zu holen.
Sehenden Auges in die Niederlage. Als der 22.
Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) für Nordrhein-Westfalen zum Abschluss der Erörterung die Aussichtslosigkeit der Klage andeutete, entgegnete Anwalt Martin Gellermann: „Man muss auch mal eine Entscheidung ertragen.“ Der Rechtsbeistand des Naturschutzbundes (Nabu) NRW konnte eine seit 23.
November 2022 beklagte Windenergieanlage im Hochsauerlandkreis letztlich nicht verhindern.
Und dabei hatte der Nabu eine Menge gegen die in Marsberg geplante Enercon E-138 in Stellung gebracht:
- Ein Haus stehe nur 750 Meter entfernt vom Standort der Anlage, das widerspreche der – zum Zeitpunkt der Klage noch geltenden, inzwischen abgeschafften – Vorschrift, eine Distanz von 1.000 Metern zu wahren.
- Der Artenreichtum mache aus dem Gebiet „faktisch“ ein Vogelschutzgebiet, zumal eines sich in unmittelbarer Nachbarschaft befinde.
- Überdies seien die vorgesehenen Schutzmaßnahmen – wie Ablenkflächen und Abschaltregeln – nicht geeignet, um diverse Vogelarten und Fledermäuse ausreichend vor den Rotoren zu schützen.
Die Klage richtete sich gegen den Hochsauerlandkreis als Untere Naturschutzbehörde, die der im März 2021 beantragten Turbine die Genehmigung erteilt hatte. Die Kreisverwaltung widersprach mit ihrem Anwalt in der Verhandlung am 24. August in Münster allen Klagegründen. Die Abstandsregelung komme nicht zum Tragen, weil es sich um eine kommunale Positivplanung innerhalb eines Vorranggebiets für Windenergie handele.
Die gewählte Ablenkfläche sowie die Abschaltzeiten während der Zeiten, wenn Landwirte beispielsweise mähen, pflügen oder ernten, seien ausreichend, um das Kollisionsrisiko für Kiebitze und Rotmilane zu minimieren. Raubwürger, Feldlerche und Wachtel seien im Übrigen keine „windkraftsensiblen“ Arten. Ferner bestehe für den Uhu keine Gefahr, weil die Rotoren am tiefsten Punkt 61
Meter über den Boden streiften – der Uhu aber auch auf der betreffenden Anhöhe nicht höher als 50
Meter aufsteige.
Streit: Bis zu welcher Windgeschwindigkeit fliegen Fledermäuse?Und bei den Fledermäusen halte man sich an die Vorgaben des Artenschutzleitfadens des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV). Ab einer Windgeschwindigkeit von 6
Metern pro Sekunde beginnen die Rotoren wieder zu drehen, weil Fledermäuse dann nicht mehr fliegen. Bei letzterer Abschaltthematik hatte der Senatsvorsitzende Hans-Joachim Hüwelmeier noch eine Brücke zwischen den streitenden Parteien bauen wollen: "Hier sehe ich Ansätze für eine gütliche Einigung."
Der Nabu hatte verlangt, dass die Anlage bis zu einer Geschwindigkeit von 7,5
Metern pro Sekunde abgeschaltet bleiben sollte. Von dieser Forderung wichen die Naturschützer, vertreten auch durch die Landesvorsitzende Heike Naderer, am Ende aber keine Zehntelsekunde ab. Die Projektgesellschaft, die Mittelfeld Energie GbR, wiederum sah keine Veranlassung, im Falle des Rotmilans zusätzlich zu zwei bestehenden Abschaltregeln noch eine dritte zu akzeptieren.
Und so blieb ein Kompromiss aus. Der 22. Senat erklärte anschließend die Windturbine an Ort und Stelle mit den in der Genehmigung festgelegten Nebenbestimmungen beim Artenschutz für rechtens. Die Ablenkfläche für den Kiebitz sei beispielsweise geeignet, weil dort bereits Vögel dieser Art anzutreffen gewesen seien. Und es sei plausibel, dass der Hochsauerlandkreis sich bei den Fledermäusen an der im Leitfaden gesetzten Windgeschwindigkeit orientiere.
Nabu: Nach der Klage ist vor der KlageNach der Klage ist übrigens vor der Klage: Der Nabu NRW wird gegen eine von elf im Arnsberger Wald bei Allagen (Warstein) genehmigten Windenergieanlagen zu Felde ziehen. Warum nur gegen eine? Weil die Betreibergesellschaft, örtliche Landwirte und Investoren, offenbar aus früherer Rechtsprechung ihre Lehren gezogen haben. Statt für den gesamten „Windpark Rennweg“ eine Genehmigung anzustreben, stellten die Projektierer beim Kreis Soest Einzelanträge. Laut Lokalzeitung
Der Patriot sei es den Gegnern des Projekts nun schlicht zu teuer, gegen jede Anlage Klage einzureichen. Daher soll das Pilotverfahren zunächst klären, wie tragend die Argumente der Klage sind.
Auch in diesem Falle führen eine örtliche Bürgerinitiative (BI) und der Nabu-Kreisverband an, dass die Anlagen in einem Vogelschutzgebiet entstehen sollen, zudem sei der Schwarzstorch stark gefährdet. Die Klage führt wiederum der Nabu-Landesverband, allerdings nur auf ausdrückliche Bitte der BI und des Kreisverbands, die ihrerseits nicht über das erforderliche Verbandsklagerecht verfügen. Mit den Details wie Rechtsbeistand und Finanzierung der Klage will der Nabu NRW diesmal nichts zu tun haben.
Montag, 28.08.2023, 14:53 Uhr
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