Quelle: Stadtwerke Lemgo/Michael Reimer
Lemgo zeigt eindrucksvoll, wie Städte ihre Wärmenetze nach und nach „grün“ bekommen können – auch mithilfe einer innovativen KWK-Anlage.
Genau 31 Meter hoch ist der neue Schornstein, der im Sommer 2021 bei den Stadtwerken Lemgo installiert wurde. Er wird für die beiden Gasmotoren benötigt, die im Zuge des innovativen Kraft-Wärme-Kopplungsprojektes (iKWK) der Stadtwerke im September 2021 am Bruchweg eingezogen sind. Im Dezember kommt ein drittes BHKW hinzu, das mit den beiden anderen Anlagen Strom- und Fernwärme für Lemgo erzeugen wird. Die BHKW mit je 2,5 MW Caterpillar-Motoren kommen von Zeppelin Power Systems.
„Unsere 9-MW-Gasturbinenanlage von 1980 wurde im letzten Jahr abgebaut, diese wird ersetzt durch das iKWK-System. Die Betriebsweise aller Anlagen wird darauf abgestimmt, dass in den Sommermonaten weitgehend die Erneuerbaren-Energien-Anlagen das Wärmenetz bedienen, in den Sommerrandmonaten kommt teilweise KWK hinzu und in der kalten, dunklen Jahreszeit ist nur die KWK in Betrieb“, sagt Uwe Weber, Bereichsleiter Strom- und Wärmeerzeugung der Stadtwerke Lemgo.
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In Lemgo wird eine iKWK-Anlage errichtet. Dazu gehören BHKW von Caterpillar Quelle: Stadtwerke Lemgo/Michael Reimer |
Die iKWK-Anlage wird ergänzt durch eine Solarthermieanlage − Vakuum-Röhrenkollektoren des Herstellers Viessmann − und eine Flusswasserwärmepumpe des Kulmbacher Herstellers AGO. „Das geförderte iKWK-Projekt verlangt, dass ein Drittel der in diesen Anlagen produzierten Energie erneuerbar erzeugt werden muss“, erklärt Stadtwerkegeschäftsführer Arnd Oberscheven. Bis zu 7.500 Megawattstunden erneuerbare Wärme können beide Anlagen jährlich erzeugen, dadurch „sparen wir 1.500 Tonnen CO2 pro Jahr ein“, so Oberscheven.
Die Wärmepumpe, die neben einem bestehenden BHKW des Freizeitbades
Eau-Le an der Regenstorstraße installiert wurde, nutzt von März bis November das Wasser des Flusses Bega als Wärmequelle für die Fernwärmeproduktion. Die Solarthermie-Anlage wird neben dem Klärwerk errichtet. Die iKWK-Anlage soll im
April 2022 in den Regelbetrieb gehen.
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Die Solarthermie-Anlage ist ein weiterer Teil des iKWK-Systems in Lemgo Quelle: Stadtwerke Lemgo/Michael Reimer |
Bereits im Sommer 2020 wurde zum Abschluss der Deinstallation der Schornstein der alten Gasturbine auf dem Kesselgebäude am Bruchweg abgebaut. 40 Jahre lang bildete die Gasturbine das Rückgrat der Wärmeversorgung. 1963 wurde mit einer ersten Gasturbine die Basis für das heutige Kraft-Wärme-Kopplungssystem der Stadt gelegt. Seitdem haben die Stadtwerke dies immer weiter ausgebaut: Heute betreibt der Versorger in Lemgo einen Anlagenpark mit mehreren Blockheizkraftwerken und zwei Heizkraftwerken. Außerdem wurden Windkraft- und PV-Anlagen sowie Wasserkraft- und Biomasseanlagen hinzugebaut.
Insgesamt investieren die Stadtwerke Lemgo in das neue iKWK-Projekt rund 11 Mio. Euro. Hinzu kommen noch 2 Mio. Euro für Ausbau und die Verdichtung des Fernwärmenetzes. „Einen Gewinn werden wir durch die hohen Investitionen in das iKWK-System und unsere Netze 2021 voraussichtlich nicht erzielen“, so Oberscheven. Doch es sei gut und richtig, auch in diesen Zeiten zu investieren, um den Klimaschutz zu forcieren und die Versorgung zu sichern.
Hochtemperaturwärmepumpe für das AbwasserVor dem iKWK-Projekt hatte Lemgo bereits ein Förderprojekt umgesetzt, das auf einen klimaschonenden Gebäudebestand abzielt. In diesem Zusammenhang errichteten die Stadtwerke zwei Wärmepumpen, die Umweltwärme für das Fernwärmenetz nutzbar machen. Gebaut wurde zunächst eine Großwärmepumpe, die Wärme aus dem Auslauf des Klärwerks der Stadt nutzt.
Zusätzlich zu dieser Wärmepumpe installierten die Stadtwerke ein weiteres Wärmepumpen-Aggregat, das die bislang nicht nutzbare zusätzliche Niedertemperatur-Abwärme aus einem Bockheizkraftwerk der Stadtwerke zur weiteren Effizienzsteigerung nutzt. Dieses BHKW mit 2 MW Leistung steht ebenfalls am Klärwerk. Die Anlage ist im November 2019 in den Regelbetrieb übergegangen. Der Strom aus dem BHKW wird für den Betrieb der Wärmepumpen genutzt. Er ist als eigenerzeugter Strom von der EEG-Umlage, der Stromsteuer und den Netznutzungsentgelten befreit. Damit wird der Wärmepumpen-Betrieb wirtschaftlich möglich.
Die Anlage ist Teil des Projektes „Klimaneutraler historischer Stadtkern Lemgo“, das 2016 beschlossen wurde. In der Innenstadt ist nach Angaben der Stadtwerke die energetische Sanierung von Gebäuden wegen der Vielzahl von Baudenkmälern schwierig. Im Rahmen der Vorüberlegungen für das Projekt wurde jedoch gezeigt, dass die Energieversorgung des historischen Stadtkerns trotzdem klimaneutral gestaltet werden kann. Das Projekt wurde vom Bundesumweltministerium gefördert.
Ein nächster Schritt wird sein, einen „realsierbaren Transformationsplan aufzustellen“, so Weber. „Ein EE-Anteil in der Fernwärmeversorgung in Höhe von 55 Prozent bei gleichzeitigem Ausbau der Fernwärme auf 75 Prozent des Wärmebedarfes − jetzt 50 Prozent − scheint realistisch bis 2030 möglich.“ Wann vollständige Klimaneutralität erreicht werde, lasse sich jedoch nicht ernsthaft und seriös vorhersagen. „Dennoch streben wir einen Zeitraum deutlich vor 2045 an.“
Montag, 6.12.2021, 10:17 Uhr
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