Quelle: Deutscher Bundestag / Achim Melde
Die staatlichen Energiepreisbremsen bleiben bis Ende März 2024 in Kraft. Für die Energieversorger komme die Entscheidung zu spät für eine fristgerechte Umsetzung, so die Verbände.
Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine wurden Strom-, Erdgas- und Fernwärmekunden in Deutschland in diesem Jahr durch staatliche Preisdeckel vor einer finanziellen Überforderung bewahrt. Am späten Abend des 16. November verlängerte der Bundestag diese Regelung bis zum 31. März 2024. Damit bleibt der Erdgaspreis auf 12 Cent/kWh und der Strompreis auf 40 Cent/kWh sowie der Fernwärmepreis auf 9,5 Cent/kWh begrenzt, allerdings nur für 80 Prozent des Verbrauchs des Haushalts von 2021/2022, um zum Sparen anzuregen.
Die Energieversorger müssen sich per Antrag bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Einnahmen wieder zurückholen, die ihnen so entgehen. Das komplizierte Modell war notwendig, weil der Staat keine Datenbank hat, aus der er Haushaltsgrößen und Einkommenssituation ersehen kann, um bedürftige Bürgerinnen und Bürger gezielt zu entlasten. Schon bei der überstürzten Einführung der Preisbremsen im Dezember 2022 benötigten die Energieversorger für die Berechnungen und Briefe an tausende Kunden drei Monate Zeit. So konnten sie erst ab März 2023 umgesetzt werden, rückwirkend ab Januar.
Die Lage auf den Energiemärkten hat sich mittlerweile stabilisiert. Die Fortführung der Preisbremsen sei „eine Versicherung gegen unerwartete Risiken“, heißt es in der Verordnung von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Nach den Berechnungen von Vergleichsportalen dürfte die Entlastung der Verbraucher nur noch gering ausfallen, im Bereich von einem Prozent. Ursprünglich hatte die Ampelkoalition die Preisbremsen bis 30. April 2024, dem Ende der Heizsaison, verlängern wollen. Doch die EU-Kommission hatte nur eine Verlängerung bis Ende März befürwortet.
Energieversorger erneut überfordert
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) kritisierten scharf, dass ohne Not die Verlängerung der Preisbremsen erst anderthalb Monate vor dem Jahreswechsel beschlossen wurde. „Eine reibungslose und fristgerechte Umsetzung der Preisbremsenverlängerung durch die Energieversorger zum 1. Januar 2024 kann daher nicht garantiert werden“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Wegen absehbarer Verzögerungen bei den Abrechnungen bitte man die Strom- und Gaskunden schon jetzt um Verständnis.
Verschärfend kommt die unklare Lage zur Mehrwertsteuersenkung auf Erdgas und Fernwärme hinzu. Vom 1. Oktober 2022 bis Ende März 2024 war der Satz auf 7 Prozent statt 19 Prozent gesenkt worden, um Haushalte und produzierendes Gewerbe zu entlasten. Im Oktober 2023 wollte die Bundesregierung die Mehrwertsteuer doch schon zum 31. Dezember 2023 wieder anheben. Aktuell soll die Senkung aber bis Ende Februar 2024 weiter gelten. Auch hier werde alles durch ungleiche Zeiträume unnötig kompliziert, kritisierten die Vertreter der Energieunternehmen.
Klagedrohung der CDU/CSU
Unterdessen kündigte Unionsfraktionschef Friedrich Merz an, nach dem Karlsruher Haushaltsurteil über die Verwendung der Corona-Mittel für den Klimafonds auch das Sondervermögen für die Energiepreisbremsen auf Verfassungsmäßigkeit überprüfen. Er rechne bis Ende November mit einem ersten Ergebnis eines von ihm in Auftrag gegebenen Rechtsgutachtens.
Es könnte also sein, dass auch die Sondermittel für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt würden. Die Union würde bei positivem Rechtsgutachten auch gegen diesen Fonds nach Karlsruhe gehen, kündigte Merz an. Aus dem WSF werden aber die Energiepreisbremsen finanziert. Bis Ende Oktober 2023 wurden für die Preisbremsen bereits 31,2 Milliarden Euro ausgezahlt.
Noch keine Freigabe durch die EU
„Ärgerlich ist aber, dass mit der Einigung in der Koalition zur Preisbremsenverlängerung und dem zu erwartenden Beschluss noch längst nicht die notwendige Klarheit besteht“, kritisierten BDEW und VKU. Es fehle noch immer die europarechtliche Grundlage. „Entsprechend können die Energieversorger noch immer nicht mit der Umsetzung starten“, so die Verbände. Das alles führe zu hohen Belastungen der Kolleginnen und Kollegen in den Unternehmen und zu Verdruss bei Kundinnen und Kunden.
Unterdessen haben etliche Energieversorger ihre Grundpreise erhöht und dafür die Arbeitspreise knapp unter das Preisbremsenniveau gebracht, um der Unklarheit und dem Mehraufwand zu entgehen. Die von der Regierung angekündigte eigene Datenbank, mit der künftig gezielt hilfsbedürftige Bürgerinnen und Bürger entlastet werden könnten, steht noch nicht bereit.
Freitag, 17.11.2023, 11:45 Uhr
Susanne Harmsen
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