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Freude über die sinkende Menge abgeregelten Ökostroms, Frust über den schleppenden Baufortschritt bei Stromautobahnen: Schleswig-Holsteins Landesregierung fordert Tempo beim Trassenbau.
Im äußersten Norden Deutschlands ist die Menge abgeregelten Ökostroms auf den tiefsten Stand seit sieben Jahren gesunken. In Summe fielen anno 2021 noch rund 1,86
Mrd. kWh aus Schleswig-Holstein den fehlenden Netzkapazitäten zum Opfer. Das ist deutlich weniger als im Jahr zuvor (3
Mrd. kWh) und führt dazu, dass Schleswig-Holstein im Jahresergebnis erstmals besser dasteht als der südliche Nachbar Niedersachsen (2,64
Mrd. kWh).
Im Jahr 2014 hatte Schleswig-Holstein mit 1,1
Mrd. kWh letztmals besser abgeschnitten. Der neue Kieler Energiewende-Minister Tobias Goldschmidt (Grüne) sieht das Ergebnis, das auch durch ein eher windschwaches Jahr begünstigt wurde, als Erfolg der Regierungsarbeit beim Netzausbau. Dazu zählt er rund um Dithmarschen den Neubau einer 110-kV-Leitung, die Inbetriebnahme einer Mittelachse und den Baufortschritt der Westküstenleitung. Die abgeregelte Strommenge sei im dritten Jahr in Folge gesunken.
Erdkabel sollen Druck von Freileitungen in Niedersachsen nehmenIm selben Atemzug mahnt er mehr Tempo beim Bau der wichtigen Nord-Süd-Stromtrassen an. Sie sollen vor allem den im Überfluss produzierten Windstrom aus dem Norden in die von Energieimporten abhängigen Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern transportieren.
Verzögerungen in den Genehmigungsverfahren für die wichtige, bis 2028 fertigzustellende "Suedlink"-Verbindung ins Ländle (von Brunsbüttel nach Leingarten-Großgartach bei Heilbronn) verstärkten den Handlungsdruck, sagt Goldschmidt. Zu seinen Forderungen zählt die "zügige Umsetzung" geplanter Gleichstrom-Erdkabel, die auch zur Entlastung der Freileitungen in Niedersachsen beitragen würden.
Die beiden windstärksten Bundesländer im Norden und Nordwesten sind traditionell am stärksten vom Netzengpassmanagement betroffen. 2020 entfielen auf sie zusammen 84
% der bundesweit abgeregelten
Strommenge (6,1
Mrd. kWh) und rund 88
% der Ausgleichszahlungen (761
Mio. Euro). Im vergangenen Jahr verbesserte die Bilanz sich etwas auf 77
% des abgeregelten Stroms (5,8
Mrd. kWh) und 81 % der Gesamtausschüttungen (807
Mio. Euro).
Ansiedlung energieintensiver Unternehmen statt AbregelungenIn Niedersachsen stieg die abgeregelte Strommenge von zuvor 2,09
Mrd. kWh auf 2,64
Mrd. kWh, was 45,4
% des bundesweit entfallenen Ökostroms ausmacht. Dafür erhalten die Produzenten laut Schätzung der Bundesnetzagentur eine Entschädigung von 424,9
Mio. Euro (zuvor 337,3
Mio. Euro), gleichbedeutend mit rund 52
% der Gesamtzahlungen. Schleswig-Holstein (31,9
% der Gesamtausfallmenge) folgt mit Ersatzvergütungen in Höhe von 237,8
Mio. Euro (2020: 332
Mio. Euro) und einem Anteil von 29
% der Gesamtzahlungen.
Auffallend in Schleswig-Holstein ist der Rückgang beim abgeregelten Strom aus Windkraftanlagen an Land. Die Menge halbierte sich beinahe – von 2,5
Mrd. kWh auf 1,3
Mrd. kWh. Dagegen stieg die ungenutzt verpuffte Offshore-Windenergie von 471
Mio. kWh auf 500
Mio. kWh. Biogas- und Solarkraftwerke büßten nur noch 29
Mio. kWh mögliche Netzeinspeisung ein, 2020 lag die Abregelung hier noch fast dreimal so hoch (83
Mio. kWh).
Netzengpässe und das Vergeuden von Ökostrom aufgrund fehlender Leitungen sind Tobias Goldschmidt ein Dorn im Auge. Sein Bundesland könne die Elektrizität besser Unternehmen zur Verfügung stellen, die vor Ort grünen Wasserstoff erzeugen und nutzen wollen. "Wir erwarten dafür vom Bund aber einen Marktrahmen, der die Ansiedlung energieintensiver Betriebe bei uns im Norden unterstützt", so Goldschmidt.
Freitag, 22.07.2022, 15:18 Uhr
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