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Die Denkfabrik „Dezernat Zukunft“ rät zu staatlicher Beteiligung am Übertragungsnetzausbau, um die Kosten zu senken. Sie erwartet bis 2045 Netzentgelte von 30 Milliarden Euro jährlich.
Die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) haben einen Eigenkapital-Engpass, so eine Studie der Denkfabrik „Dezernat Zukunft“ aus Berlin. Die ÜNB könnten voraussichtlich ihren hohen Eigenkapital-Bbedarf von etwa 70
Milliarden Euro bis 2045 im derzeitigen Regulierungsumfeld nicht ausschließlich über den Markt mobilisieren. Dies habe bereits zu Rating-Herabstufungen geführt, so die Studie.
„Mithilfe eines Risikomodells schätzen wir, dass in der regulatorischen Eigenkapital-Verzinsung ein zusätzlicher Risikoaufschlag von 2 bis 2,5
Prozent nötig ist, um hinreichend Eigenkapital über den Markt zu mobilisieren“, schreiben die Autoren. Durch diese Anpassung würden Netzmehrkosten bis 2080 von etwa 75
Milliarden Euro entstehen, jährlich bis zu 1,6
Milliarden Euro. Steigende Netzentgelte wären die Folge. „Daher schlagen wir Bundesbeteiligungen an den Übertragungsnetzbetreibern
vor, um die Engpässe beim Eigenkapital zu entschärfen und Kosten zu senken“, heißt es.
Ein Amortisationskonto, wie von Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne) vorgeschlagen, sehen sie nicht als attraktive Lösung an. Das Netzinvestitions-Profil erlaube nur bedingt eine Kostenglättung und wäre zudem sehr teuer für den Staat, meinen die Autoren. Bis zu 20
Milliarden Euro bis 2065 veranschlagen die Autoren.
Stattdessen solle der Bund frisches Eigenkapital für die ÜNB bereitstellen. Die dafür erhaltenen Beteiligungen könnten in der KfW oder einer staatlichen „Energieinfrastrukturgesellschaft (EIG)“ gebündelt werden, so der Vorschlag.
„Gewinne dieser EIG – abzüglich der Zinskosten für Bundesanleihen – werden verwendet, um Netzentgelte zu bezuschussen“, so die Autoren. So würden die niedrigen Finanzierungskosten des Bundes zum Netzausbau genutzt. Wenn sich der Bund mit 50
Prozent beteiligt, könnten bis 2080 100
Milliarden Euro eingespart
werden, und die Netzentgelte würden um 10
Prozent
sinken. Die Autoren schreiben: „Außerdem ist eine kreditfinanzierte Bereitstellung des Eigenkapitals als finanzielle Transaktion im Rahmen der Schuldenbremse und der EU-Regeln möglich.“ Auch die Schuldenquote stiege nur geringfügig.
Der aktuelle HintergrundGünstige Strompreise sind zentral für den Fortschritt der Energiewende und den sozialen Zusammenhalt. Der Ausbau der Stromnetze ist essenziell, damit die Energiewende gelingt. Doch der Netzausbau erfordert zusätzliches Finanzierungskapital im mittleren dreistelligen Milliardenbereich. Netzbetreiber haben insbesondere die Schwierigkeit, im aktuellen Regulierungsumfeld hinreichend Eigenkapital zu beschaffen. Der Ausbau der Netze lässt die Netzentgelte steigen, die auf die Verbraucher umgelegt werden. In Zeiten ohnehin hoher Energiepreise und großer Elektrifizierungsambitionen ist das problematisch.
ÜNB Tennet Deutschland soll gerade vom niederländischen Staat an der Börse verkauft werden, weil eine Beteiligung Deutschlands über die KfW im Sommer gescheitert ist (wir berichteten).
Die Autoren denken, dass sich die Übertragungsnetzkosten mit der beschriebenen Staatsbeteiligung um mehr als 2
Milliarden Euro jährlich reduzieren lassen. Aktuell plant die Bundesregierung, über einen Zuschuss an die ÜNB von 1,3
Milliarden Euro zumindest 2025 die Netzentgelte zu reduzieren. Der Entwurf wird demnächst im Parlament behandelt.
„Dezernat Zukunft“ wurde 2018 gegründet und bezeichnet sich selbst als überparteiliche Denkfabrik mit dem Ziel, Geld-, Finanz- und Wirtschaftspolitik verständlich zu erklären, einzuordnen und neu zu denken.
Die
Kurzstudie zur Staatsbeteiligung an den ÜNB steht als PDF zum Download bereit.
Mittwoch, 4.12.2024, 16:11 Uhr
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