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Über 300 Gäste aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik trafen bei der diesjährigen Jahreskonferenz der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff) in Berlin zusammen.
Mit den eindringlichen Worten „Krieg, Krise und Kosten machen Energieeffizienz zu der Frage der Stunde”, eröffnete der Deneff-Vorsitzende Carsten Müller die Jahreskonferenz in Berlin am 29. Juni. „Die Lösungen sind vorhanden, aber ohne zuverlässige und klare politische Leitplanken geht es nicht”, richtete Müller klare Erwartungen an die Bundesregierung, insbesondere mit Blick auf die in weniger als 100 Tagen beginnende Heizperiode und die in Kraft getretene 2. Stufe des Notfallplans Gas dränge die Zeit.
Außer Appellen an die Öffentlichkeit habe diese bislang keine substantiellen politischen Maßnahmen auf den Weg gebracht, die bis zum Herbst den Endverbrauch deutlich genug senken könnten, kritisierte er. Dem Leitthema der Konferenz “Effizienzrepublik Deutschland” entsprechend, plädierte Müller ebenso für die gleichzeitige, rasche Weichenstellungen zur Transformation und Dekarbonisierung von Industrie, Gebäuden und Infrastruktur, etwa im Rahmen des angekündigten Energieeffizienzgesetzes und der aktuell novellierten EU-Richtlinien.
Dezentrales Handeln nötig„Jedes Einzelunternehmen muss sofort die möglichen Energiesparmaßnahmen umsetzen“, forderte Holger Lösch, Geschäftsführungsmitglied des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI). „Wir brauchen ein ganz schnelles Umlenken in der Fördersystematik, so dass nur noch Maßnahmen gefördert werden, die deutlich fossile Energie einsparen und erneuerbare fördern“, sagte er zugleich.
Kerstin Andreae, BDEW Chefin konstatierte für die breite Masse der Bevölkerung: „Die Dramatik der Lage ist den Menschen noch nicht klar.“ Es gehe jetzt darum, soviel wie möglich Gas zu sparen, um die Speicher für die künftige Heizsaison zu füllen, sonst würde es im kommenden Februar sehr kalt in deutschen Häusern. „Die Situation ist schlimmer, als wir sie jemals hatten“, warnte Andreae. Deshalb müssten Ordnungsrecht und Informationskampagnen zu mehr Bewusstsein führen, wie wertvoll und endlich Energie, besonders fossile sei. Auch das Internet sei ein Großverbraucher, wäre es ein Land hätte es den drittgrößten Energieverbrauch und CO2-Footprint nach China und den USA, erinnerte sie.
Schnellere Maßnahmen im GebäudebereichDie Verwässerung des Verbots von Verbrenner-Pkw in der EU ab 2035 durch die deutsche Delegation kritisierte Barbara Metz als völlig verfehlt. Die Geschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe (DUH) sagte, auch die gerade verschärften Energiestandards für Neubauten genügten nicht für das Ziel der Klimaneutralität bis 2045, da Gebäude langlebig sind. Deshalb müssten sofort noch einmal Nachschärfungen der Vorgaben im Gebäudebereich kommen, die zur Klimaneutralität passen, forderte sie.
Patrick Graichen, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, kündigte für die zweite Jahreshälfte verschiedene Maßnahmen an. So werde das Gebäudeenergiegesetz (GEG) entsprechend der Festlegungen des Koalitionsvertrages novelliert und ab 2024 neue Gasheizungen verbieten sowie eine Quote von 65 % erneuerbaren Energien für die Wärme in Neubauten festlegen. Eine Börse solle es Unternehmen schon im Herbst erlauben, Gasmengen zu handeln, die sie selbst nicht benötigen aber schon eingekauft hatten. Außerdem sollen Veränderungen im Strommarktdesign eine bessere Integration erneuerbarer Energie ermöglichen. Er appellierte an alle Hausverwaltungen, die Heizsysteme jetzt auf Effizienz zu trimmen.
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Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) auf dem Deneff-Jahreskongress in Berlin am 29 Juni 2022 Quelle: Deneff |
Gezielte Förderung für die energetischen SchlusslichterBundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) kritisierte die Förderpolitik der Vergangenheit, die ohne Ansehen des Einkommen „mit der Gießkanne“ agiert hätte. Sie will vor allem Geld in die 15 % der energetisch schlechtesten Gebäude stecken. Erfahrungsgemäß lebten darin die Personen, die sich eine Sanierung aus eigener Kraft nicht leisten könnten oder für die danach die Miete nicht mehr bezahlbar sei. Zugleich seien dies die Haushalte, die von den nun extrem gestiegenen Energiekosten am schwersten getroffen würden. Daher sollten Förderungen mit nachfolgender Belegungsbindung ausgereicht werden. Für Hausbesitzer ohne Eigenkapital, die keinen Bankkredit bekommen können, will sie staatliche Kredite oder Bürgschaften installieren.
Zugleich nannte Geywitz den Wohnraumhunger als ein Problem der deutschen Gesellschaft. Hätten pro Person nach dem Zweiten Weltkrieg durchschnittlich 25 m
2 genügt, seien es aktuell 55 m
2. Das habe bislang alle energetischen Einsparungen in der Bilanz „aufgefressen“. Sie forderte, kurzfristig über hydraulische Abgleiche, Temperaturabsenkungen und intelligente Thermostate Energie sparen. Langfristig gehe es um die Sanierung von Bestandsgebäuden, kommunale Wärmeplanung mit Ausrichtung auf Klimaneutralität und erneuerbare Heizsysteme, sagte Geywitz. All dies werde aber nicht endlos staatlich gefördert werden können sondern müsse sich über Einsparungen auch selbst refinanzieren.
Mittwoch, 29.06.2022, 15:19 Uhr
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