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Da waren es nur noch drei: Die Zahl der aktiven Atommeiler in Deutschland halbiert sich mit Ablauf des Jahres. Zwölf Restmonate bleiben der Kernkraft, wozu es geteilte Reaktionen gibt.
Wenn die Atomkraftwerke Gundremmingen (Bayern), Grohnde (Niedersachsen) und Brokdorf (Schleswig-Holstein) mit dem Neujahrstag 2022 stillgelegt sind, kehrt noch immer keine Ruhe um die Kernspaltung in Deutschland ein. Das liegt zum einen an den verbleibenden drei Meilern, die zwölf Monate später endgültig vom Netz gehen. Zum anderen geht Wirtschaftsvertretern das Atomkraft-Aus zu weit, Umweltschutzverbänden dagegen nicht weit genug.
Mit dem
Ende der Kernkraftwerke von RWE (Gundremmingen) und Eon gehen 4.000 MW installierte Leistung verloren. Das entspricht zwei Dritteln der in Nordrhein-Westfalen aktuell Dienst tuenden Windturbinen. Die neuen Köpfe der Bundesministerien für Wirtschaft und Klimaschutz sowie Umwelt, Robert Habeck und Steffi Lemke (beide Bündnisgrüne), betonen in einer gemeinsamen Erklärung, dass die zuverlässige Stromversorgung gewährleistet bleibe.
Aus der Wirtschaft melden sich Atom-Fürsprecher zu WortDies versuchen Wirtschaftsvertreter in Zweifel zu ziehen. Stefan Wolf, Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, hatte im September – noch im tobenden Bundestagswahlkampf – für eine weitere Nutzung der Kernkraft plädiert. Er hatte dies auch mit zusätzlichem Strombedarf etwa von immer mehr Elektrofahrzeugen begründet. Ähnlich äußerte Sanjiv Lamba sich, der im März den Chefposten beim Gasunternehmen Linde übernimmt. Der deutsche Atomausstieg sei „nicht genial“ angesichts eines Energiemixes, der im Zuge des schnelleren Endes der Kohleverstromung nötig sei.
Dem widerspricht Johannes Wagner vom Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität zu Köln (EWI). In einem Gespräch mit der
Deutschen Presse-Agentur sagte er, die Strommärkte seien auf die Abschaltungen vorbereitet. Um Lücken perspektivisch zu schließen, sei der weitere Ausbau der Wind- und Sonnenenergie erforderlich. Gas und Kohle würden zeitweise eine größere Rolle spielen. Und Deutschland werde zudem mehr Strom importieren oder weniger exportieren.
Auch Umwelt- und Naturschützer weinen der Atomkraft keine Träne nach. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) nimmt „das überfällige Ende der veralteten und gefährlichen AKW“ mit Genugtuung auf und freut sich auch über den „Erfolg für alle, die schon in den 70er Jahren an den Bauplätzen demonstriert haben“. Feierstimmung will aber nicht recht aufkommen. Denn der BUND empfindet das Abschalten der Atommeiler nicht als endgültigen Ausstieg.
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Bald eins der letzten drei deutschen Atomkraftwerke: Der Meiler Neckarwestheim in Baden-Württemberg, der Ende 2022 vom Netz geht Quelle: Volker Stephan |
BUND nimmt auch Uran-Anlagen in Lingen und Gronau ins VisierDer sei erst erreicht, wenn es auch zum Aus für die Urananreicherungsanlage in Gronau und der Brennelementefabrik in Lingen komme. „Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung verliert kein Wort über die unbefristeten Versorgungsanlagen“, argwöhnt BUND-Chef Olaf Bandt. Diese würden „auch über das Jahr 2022 hinaus europäische Schrott-AKW in Grenznähe mit Brennelementen versorgen“.
Allerdings sprechen Habeck und Lemke ausdrücklich davon, dass der Ausstieg aus der Atomenergie einschließlich des Rückbaus noch „sicher zu vollenden“ sei. Sie verweisen auf das von der vorigen Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) im März 2021 vorgelegte Zwölf-Punkte-Papier. Darin heißt es gleich unter Punkt eins, auch die Atomfabriken in Lingen und Gronau schließen zu wollen.
Letztlich bleibt die Atomenergie über den 1. Januar 2023 hinaus, wenn auch die Kraftwerke Isar 2 (Essenbach/Niederbayern), Neckarwestheim 2 (Baden-Württemberg) und Emsland (Lingen/Niedersachsen) abgeschaltet sind, ein Thema für die Zukunft. Dafür muss man nicht einmal die Position von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) teilen. Er hatte bereits Anfang 2020 gemahnt, nicht völlig von der Technologie zu lassen, um in einem Zeitraum von „zehn bis 15 Jahren“ je nach Fortschritt der Energiewende womöglich zu einer Neubewertung zu kommen.
Das Generationenthema treibt gerade junge Menschen um. Alexandra Struck, Bundesvorstand der BUND-Jugend sieht „noch mindestens 40.000 Generationen“ durch den Umgang mit dem Atommüll belastet. Allein dies zeige, dass die Atomkraft „keine gerechte oder umweltverträgliche Energieerzeugung“ sei.
Die Kraftwerksbetreiber haben mit der Bundesregierung ausgehandelt, für die Demontage der Meiler zu zahlen und eine Gesamtsumme von etwa 24 Mrd. Euro für Zwischen- und Endlagerung der schwach bis hoch radioaktiven Abfälle an den Staat zu überweisen. Die Kosten für die Lagerung aber bewegen sich laut Schätzungen bei über 130 Mrd. Euro, für die Differenz muss die Steuern zahlende Bevölkerung aufkommen. Und auch die entsprechenden Lagerstätten sind noch immer nicht gefunden.
Dienstag, 28.12.2021, 14:24 Uhr
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