Quelle: Europäische Union / Mario Salerno
Die Klimakonferenz COP29 ist in Baku mit einer gemeinsamen Erklärung zu Ende gegangen, die alle akzeptiert haben, obwohl niemand damit zufrieden ist.
Am Ende legte zwar keine Regierung, die in Baku vertreten war, ein Veto gegen den Text der Abschlusserklärung ein. Viele Vertreter der Entwicklungsländer machten jedoch aus ihrem Frust über die ihrer Meinung nach völlig ungenügenden finanziellen Zusagen für die Dritte Welt kein Hehl. Dagegen gingen die Industrieländer eher zufrieden vom Platz, genauso wie die Staaten, die vom Verkauf von Öl und Gas leben.
Die Entwicklungsländer scheiterten mit ihrem Anliegen, die Industrieländer auf wesentlich höhere, finanzielle Zusagen festzulegen. Statt der 100
Milliarden Dollar pro Jahr, die letztere bislang in den internationalen Klimafonds einzahlen, wollten erstere weit mehr als das Zehnfache haben, am liebsten schon ab 2026. Am Ende verständigte man sich darauf, dass die Industrieländer ihre Einzahlungen in den Klimafonds bis 2035 auf 300
Milliarden Dollar pro Jahr anheben.
Dabei handelt es sich um Zuwendungen aus öffentlichen Haushalten, aber auch um private Investitionen oder Kredite der Entwicklungsbanken. Die Gelder stehen sowohl für Projekte zur Senkung der Emissionen zur Verfügung als auch für Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel.
Es bleibe das Ziel, den Entwicklungsländern ab 2035 mindestens 1,3
Billionen Dollar für den Klimaschutz zur Verfügung zu stellen. Das wäre fast doppelt so viel, wie die Entwicklungsländer bis 2030 für den Klimaschutz ausgeben wollen. Nach den vorliegenden Klimaplänen sind das 455 bis 584
Milliarden pro Jahr für die Senkung der Emissionen und jährlich 215 bis 387
Milliarden für Anpassungsmaßnahmen.
Ölstaaten sollen freiwillig in Klimafonds einzahlenDie Industrieländer konnten nicht durchsetzen, dass reich gewordene Schwellenländer wie China, Brasilien oder die Golfstaaten nicht mehr als Entwicklungsländer betrachtet und zur Einzahlung in den Klimafonds verpflichtet werden. Diese Länder werden in der Abschlusserklärung nur aufgefordert, freiwillig in den Klimafonds einzuzahlen.
Erfolgreich waren die Industrieländer, allen voran die EU, dabei, die Verhandlungen über den internationalen Emissionshandel zum Abschluss zu bringen (wir berichteten). Der Emissionshandel ist nach dem Pariser Abkommen (Artikel
6) zwar ausdrücklich vorgesehen, kommt bislang aber nicht in Gang, weil man sich nicht auf die dafür geltenden Regeln und Grundsätze verständigen konnte.
Nach jahrelangen Verhandlungen einigte man sich in Baku darauf, wie der Emissionshandel nach dem Pariser Abkommen funktionieren soll. Dabei geht es darum, Gutschriften für Emissionssenkungen qualitativ und quantitativ zuverlässig zu zertifizieren und für Transparenz auf diesem Markt zu sorgen. Projekte sollen auch anspruchsvolle Umweltstandards erfüllen, die allgemeine Menschenrechte einhalten. Und sie dürfen nicht gegen den Willen der betroffenen Bevölkerung umgesetzt werden.
Dafür wird ein UN-Standard für Emissionszertifikate geschaffen. Diese können zentral unter Aufsicht der UN oder zwischen den Vertragsstaaten gehandelt werden. Alle Geschäfte mit den UN-Zertifikaten werden beim Klimasekretariat registriert.
Der Emissionshandel soll auch einen Beitrag zur Finanzierung des Klimaschutzes in den Entwicklungsländern leisten.
In Brüssel ist man mit diesem Ergebnis der Klimakonferenz sehr zufrieden. Die Verständigung über die Umsetzung des Artikel
6 sichere die „umweltpolitische Integrität, die Transparenz und die Vereinbarkeit mit anderen, internationalen Kohlenstoffmärkten“, heißt es in einer Mitteilung der Kommission.
Keine Erklärung gegen fossile BrennstoffeErfolgreich waren auch die Staaten, die mit der Förderung oder Verarbeitung von Öl und Gas Geschäfte machen. Sie mussten vor einem Jahr akzeptieren, dass sich die Vertragsstaaten für eine „Abkehr von Öl, Gas und Kohle“ in der Energieversorgung aussprachen. Den Umwelt- und Klimaschützern oder auch der EU gelang es in Baku nicht, diesen Vorsatz zu konkretisieren.
Saudi-Arabien und andere Ölförderländer verhinderten sogar, dass die gleiche Formulierung in die Schlusserklärung von Baku wieder aufgenommen wurde. Fossile Brennstoffe werden von den Vertragspartnern des Klimaabkommens nicht geächtet. Klimaschützer sehen darin einen Rückschritt gegenüber dem, was bereits erreicht wurde.
In Brüssel und Berlin überwiegt gleichwohl die Zuversicht. Mit der COP29 breche „eine neue Ära der Klimafinanzierung“ an, freute sich EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra. Die neuen Finanzierungsziele seien „ehrgeizig, aber auch realistisch“.
Lob aus der WirtschaftAuch die Wirtschaft sieht die Ergebnisse der COP29 eher positiv. Die Verständigung über den Klimafonds und die Kohlenstoffmärkte seien wichtige Schritte für mehr Investitionen in den Klimaschutz, sagt VDMA-Hauptgeschäftsführer, Thilo Brodtmann. Der Abschluss der Verhandlungen über die Kohlenstoffmärkte habe das Potenzial „den globalen Einsatz besonders effizienter Technologien zur Emissionsvermeidung zu beschleunigen“. Die Weigerung Chinas, sich an der Finanzierung von Klimaschutz in der Dritten Welt zu beteiligen, widerspreche allerdings „den wirtschaftlichen Realitäten“ und zeige gefährliche Bruchlinien im COP-Prozess.
Bundeskanzler Olaf Scholz sieht in den Beschlüssen von Baku eine Unterstützung der Entwicklungsländer beim Klimaschutz: „Nicht perfekt aber damit können wir weiterarbeiten“, schrieb Scholz auf X. Deutschland bleibe wichtig für den internationalen Klimaschutz, müsse seine Anstrengungen aber erhöhen.
„Abwehrkampf“ der alten EnergieweltSeine Umweltministerin, Steffi Lemke, steht dem Ergebnis der COP29 kritischer gegenüber: „Was wir erleben mussten, war der Abwehrkampf einer fossilen Welt, die nicht akzeptieren will, das das Zeitalter der fossilen Energien zu Ende geht.“
Umweltschützer kritisieren vor allem die finanziellen Zusagen der Industrieländer. Sie würden dem Bedarf der Entwicklungsländer nicht gerecht. „Das blockiert nicht nur ambitionierten Klimaschutz“, sagte der BUND-Vorsitzende, Olaf Brandt: „Es gefährdet auch die Lebensgrundlage von Menschen weltweit.“ Die Industriestaaten würden ihrer Verantwortung damit nicht gerecht.
Montag, 25.11.2024, 16:22 Uhr
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