Quelle: Bocklemuend
Mehr als 102.000 Unterzeichnende dürfen sich auf die Schulter klopfen. Die Bundesregierung folgt weitgehend den Forderungen einer Petition, Hürden für Balkon-Solaranlagen abzubauen.
Der Druck von der Straße, eigentlich vom Balkon, hat sich bezahlt gemacht. Die Bundesregierung will laut Parlamentarischem Wirtschaftsstaatssekretär Stefan Wenzel (Grüne) kurzfristig bürokratische Hürden abbauen, um Privathaushalten den Einsatz von Stecker-Solargeräten zu erleichtern. Eine Petition hatte entsprechende Forderungen für die sogenannten Balkon-Solarkraftwerke an den Bundestag gerichtet.
Die von Youtuber Andreas Schmitz und dem Freiburger Verein "Balkon Solar" initiierte Eingabe hatte, unterstützt von der Deutschen Umwelthilfe (DUH), bis zum Ende der Zeichnungsfrist am 27. April den Zuspruch von 102.111 Unterzeichnenden gefunden − doppelt so viel wie erforderlich. Damit der Bundestag sich mit einem Impuls aus der Bevölkerung beschäftigt, sind 50.000 Unterschriften beizubringen.
Stromzähler dürfen sich vorübergehend rückwärts drehen
Staatssekretär Stefan Wenzel sagte am 8. Mai vor dem Petitionsausschuss, dass der Bundestag in Kürze über einen entsprechenden Gesetzentwurf abstimmen werde. Dieser werde weitgehend die Forderungen der Petition beinhalten. "Wir wollen die Anmeldeverfahren vereinfachen, den Schuko-Stecker ganz normal nutzen sowie für die Privilegierung in Miethäusern und Eigentumsgemeinschaften sorgen", so Stefan Wenzel. Das bedeutet, dass umständliches Anmelden der Kleinstanlagen bei den Netzbetreibern entfallen. Das Registrieren bei der Bundesnetzagentur bleibt bestehen, soll aber viel einfacher werden.
Auch zwei weiteren Anliegen will die Ampelkoalition entsprechen: Die Bagatellgrenze für die Steckersolargeräte soll künftig bei 800 Watt statt 600 Watt (Wechselrichterleistung) liegen. Und landet der Strom nicht über den Direktverbrauch bei den eigenen Fernsehern, Kühlschränken oder Kaffeemaschinen, sondern im Netz, dürfen die Stromzähler sich rückwärts drehen. Dies zumindest für eine Übergangszeit, bis neue Messgeräte (Smart Meter) verbindlich sind.
Mit dieser Ausnahmeregelung erfüllt sich der Wunsch vieler Fans der Balkongeräte. Sie hatten bemängelt, dass der eingespeiste Strom sich nicht eins zu eins gegen den verbrauchten gegenrechnen lasse. Für überschüssigen Strom gibt es nur weniger als 10 Cent je kWh, während aus dem Netz bezogene Elektrizität leicht das Vierfache kostet. Anfang Februar hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) während der ZDF-Sendung "Markus Lanz“ angekündigt, diese Ungerechtigkeit abschaffen zu wollen. Durch das Rückwärtsdrehen von Zählern also erhält jede Kilowattstunde Überschussstrom denselben Wert wie Strom vom Versorger.
Zu den in der Petition ebenfalls angemahnten Änderungen am Wohneigentumsgesetz (WEG) verwies Stefan Wenzel auf das zuständige Justizministerium. Gefordert ist hier, die Nutzung von Solarstrom zur Eigenversorgung in die "privilegierten Maßnahmen2 des Paragrafen 20 Absatz 2 WEG aufzunehmen. Wirtschaftsstaatssekretär Wenzel leitete zumindest die Information weiter, dass auch das Justizministerium den entsprechenden Passus überarbeiten wolle.
Die Balkongeräte erleben derweil einen Boom und sind auch im Angebot von immer mehr Discountern. Ende 2021, so schreibt es der Bundesverband der Verbraucherzentralen, waren über 190.000 Steckergeräte in Betrieb. Sie kamen zusammen auf eine Kapazität von rund 70 MW.
Heidelberg steuert bis zu 750 Euro bei
Während überregionale Förderprogramme noch Mangelware sind und nur einige Länder entsprechende Zuschüsse festgelegt haben, kommt immer mehr Geld von Kommunen. Gemäß einer Auflistung des Verbraucherportals Energiemagazin schießt die Universitätsstadt Heidelberg dabei den Vogel ab: Die baden-württembergische Stadt deckelt ihre Unterstützung (50 Prozent der Anschaffungskosten) erst bei 750 Euro. Mecklenburg-Vorpommern gibt überall im Land bis zu 500 Euro dazu. Diesen Satz erreicht auch die Stadt Kleve in Nordrhein-Westfalen: Dort ist der Fördertopf aber inzwischen ausgeschöpft. Das bayrische Forchheim beteiligt sich mit maximal 400 Euro.
Balkonsolarkraftwerke können sich durchaus rechnen. Nach einer Beispielrechnung des Landes Mecklenburg-Vorpommern lassen sich im Jahr bis zu 150 Euro Stromkosten einsparen. Dieses Rechenmodell geht von etwa 400 kWh aus, die Haushalte vom erzeugten Solarstrom selbst nutzen können, im Gegenwert von je 0,37 Euro.
Dienstag, 9.05.2023, 14:48 Uhr
Volker Stephan
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