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Laut einer Kurzstudie der Leopoldina könnte heimisches Schiefergas bis zu zwölf Prozent des deutschen Gasbedarfs decken. Wichtige ökonomische und ökologische Fragen sind aber offen.
Rund sechs bis zwölf
Prozent des jährlichen Gasbedarfs in Deutschland ließen sich grundsätzlich mit Erdgas aus nicht konventionellen Lagerstätten, also Schiefergas, gewonnen mittels Fracking, decken. Diese zu erschließen, dauert jedoch mehrere Jahre und ist mit schwer einschätzbaren Kosten verbunden. Die Umweltauswirkungen wären aller Wahrscheinlichkeit nach gering, die Methanemissionen und die Wirtschaftlichkeit lassen sich nach derzeitigem Stand nicht seriös bewerten.
Das zeigt eine Kurzstudie der Nationalen Akademie der Wissenschaften (Leopoldina), die am 7. Juni erschien. Zusammengefasst werden darin die Ergebnisse eines Workshops im Zuge des Projekts „Energiesysteme der Zukunft“ (Esys), Experteninterviews sowie aktuelle Fachliteratur.
Der Leopoldina zufolge beschloss der Bundestag 2016, Fracking in Deutschland zu verbieten. Wegen der Auswirkungen der russischen Invasion in der Ukraine laufen aber Diskussionen über eine Aufhebung dieses Verbots sowie die Erschließung der deutschen Schiefergaspotenziale.
Laut der Kurzstudie schätzt die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) die Menge des förderbaren Schiefergases auf rund 320 bis 2.030
Milliarden Kubikmeter. Nur Frankreich, Spanien und Rumänien verfügen über größere Vorkommen. Die wichtigsten Lagerstätten liegen in der Grenzregion zwischen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen in Tiefen von 1.000 bis 5.000
Metern. Jährlich ließen sich etwa 5 bis 10
Milliarden Kubikmeter Schiefergas gewinnen.
Beherrschbare UmweltauswirkungenErfahrungen mit den Auswirkungen von Fracking auf die Umwelt gibt es in Deutschland faktisch nicht. In den USA erfolgten bis 2020 rund zwei Millionen Bohrungen nach Schiefergas mit „teilweise großen Umweltschäden“, die viele US-Bundesstaaten mit neu eingeführten Umweltstandards reduzierten, konstatiert die Leopoldina.
In Deutschland ließen sich derartige Schäden mit den obligatorischen Umweltverträglichkeitsprüfungen weitgehend vermeiden. Freilich bestehen Restrisiken, auch hinsichtlich der als „sehr gering“ erachteten Gefahr, durch Fracking „schadensrelevante“ Erdbeben auszulösen. Diesbezüglich empfiehlt die Expertenkommission Fracking laut der Kurzstudie ein „detailliertes Monitoring.“
Auch die Möglichkeit, mit Fracking das Grundwasser sowie Oberflächengewässer zu verunreinigen, wird als gering eingeschätzt. Zu klären ist der Umgang mit dem „Flowback“, einer Mischung aus den für das Fracking nötigen Flüssigkeiten und dem Lagerstättenwasser, die laut der Studie „bis zu etwa einem Monat nach dem Fracken“ am Bohrloch austritt.
Zwar können laut Wirtschaftsvertretern rund 30 bis 70
Prozent der anfallenden Flüssigkeiten recycelt werden. Weil aber eine Verpressung in die Lagerstätte wie in den USA in Deutschland unzulässig ist, könnte es nötig sein, große Wassermengen zu entsorgen. Dies wäre laut der Studie ein „wichtiges Entscheidungskriterium für das Fracken.“ Auch beläuft sich der Wasserbedarf pro Bohrung auf bis zu 19.000
Kubikmeter. Daher ist der Leopoldina zufolge zu untersuchen, ob das Fracking im Zuge des Klimawandels das Risiko einer Wasserknappheit verschärfen könnte.
Unklarheiten bei MethanemissionenUnklarheiten bestehen ferner hinsichtlich der Methanemissionen. Sie dürften bei der Ausbeutung von Schiefergasvorkommen ähnlich hoch sein wie bei jener von konventionellen Lagerstätten. Aufgrund unzureichender Messmethoden haben die Angaben hierzu jedoch eine große Bandbreite von 0,1 und 17
Prozent. Die Expertenkommission Fracking erwartet für die Erschließung von Schiefergasvorkommen in Deutschland eine „Methanemissionsrate“ von etwa 2 bis 4
Prozent.
Schwer einzuschätzen sind laut der Leopoldina die Auswirkungen des Frackings auf den Klimaschutz. Grundsätzlich wären die Emissionen niedriger als jene von LNG-Importen. Sinkt wegen der deutschen Schiefergasförderung der Gaspreis, könnte „Kohle schneller durch Erdgas ersetzt“ werden, was die Verminderung der CO2-Emissionen zusätzlich fördern würde.
Ferner ließe sich mit Schiefergas die Sicherheit der deutschen Gasversorgung verbessern – wegen der komplexen Genehmigungsverfahren allerdings erst etwa fünf bis neun Jahre nach einer Aufhebung des Fracking-Verbots. Wirtschaftsvertreter gehen davon aus, dass sich diese Zeit mit ähnlichen Erleichterungen wie jenen für den Bau neuer LNG-Terminals auf drei bis vier Jahre verkürzen ließe.
Fragliche RentabilitätOffen ist schließlich die Frage nach tragfähigen Geschäftsmodellen. Die Förderkosten für Schiefergas in Deutschland werden auf 26 bis 43
Euro/MWh geschätzt, der Erdgaspreis dürfte angesichts des fallenden Bedarfs von 25 und 66 Euro/MWh auf 18 bis 59
Euro/MWh im Jahr 2030 sinken. Schiefergas aus Deutschland wäre daher mit LNG „voraussichtlich nur wettbewerbsfähig, wenn sich die Förderkosten am unteren Ende des Schätzbereichs bewegten“, heißt es in der Kurzstudie.
Die Studie mit dem Titel „
Fracking: eine Option für Deutschland? Chancen, Risiken und Ungewissheiten beim Fracking in nicht konventionellen Lagerstätten“ kann auf der Internetseite der Leopoldina heruntergeladen werden.
Mittwoch, 7.06.2023, 16:09 Uhr
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