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Energie & Management > Recht - Bundesnetzagentur nimmt sich
Quelle: Shutterstock
Recht

Bundesnetzagentur nimmt sich "immergrün"-Mutter zur Brust

Nach dem Landgericht Köln hat nun auch die Bundesnetzagentur eindeutig Position gegen die Konzernmutter der Strommarke Immergrün bezogen. Die Behörde untersagte die höheren Abschläge.
Zwei Monate nach einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts Köln gegen die Rheinische Elektrizitäts- und Gasversorgungsgesellschaft mbH (REG) hat nun auch die Bundesnetzagentur Maßnahmen ergriffen. Die Bonner Aufsichtsbehörde untersagte dem Leverkusener Energieversorger die im Oktober 2021 vorgenommene Erhöhung der monatlichen Abschläge für Strom und Gas.

Die Entscheidung ist das Ergebnis des Aufsichtsverfahrens, das die Behörde im November gegen die REG eingeleitet hatte. Der scheidende Präsident der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, teilte in einer Erklärung mit, dass das Risiko steigender Beschaffungspreise an den Märkten "nicht durch einseitige Erhöhung der Abschläge auf Haushaltskunden abgewälzt werden" dürfe. Die Behörde setzte ein Zwangsgeld in Höhe von 100.000 Euro für den Fall fest, dass die REG als Mutter unter anderen der Strommarke Immergrün Abschläge dennoch ohne rechtliche Grundlage anhebe.

Agentur-Präsident Jochen Homann geht mit "Paukenschlag"

Im Oktober hatten zahllose Kundinnen und Kunden der REG die Information erhalten, dass sie höhere Monatsabschläge zu zahlen hatten. Wie das Landgericht Köln auf Intervention der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (VZ NRW) am 8. Dezember in einer einstweiligen Verfügung festgestellt hatte, erfolgte die Preissteigerung unrechtmäßig. Abschläge dürfen nur dann angepasst werden, wenn zuvor auch die Preise ordnungsgemäß erhöht wurden. Auch ein gestiegener Verbrauch von Haushalten kann höhere Abschlagszahlungen begründen. Beides lag bei der REG nach Stand der Dinge nicht vor.

Auch die Bundesnetzagentur kommt nach ihren Ermittlungen zu dem Schluss, dass das Handeln der REG "nicht mit dem Energierecht zu vereinbaren" sei. Die VZ NRW war in ihrem Antrag im Schnellverfahren noch einen Schritt weiter gegangen und hatte damit ebenfalls richterliches Gehör gefunden. Das Landgericht Köln untersagte ebenfalls die Praxis der REG, Kundinnen und Kunden zu kündigen, nur weil sie auf ihre plötzlich erhöhten Abschläge mit einer Nachfrage reagiert hatten. Immergrün deutete diese in "Sonderkündigungen" um und meldete die Betroffenen einfach vom Stromnetz ab.

Dieses Verhalten findet sich in ähnlicher Weise auch bei anderen Billiganbietern wie Stromio oder Gas.de. Es wird allgemein als Versuch gedeutet, die einst guten Gewinne auf den Energiemärkten in Sicherheit zu bringen und den explodierten Preisen an den Beschaffungsmärkten aus dem Weg zu gehen. Die zu einem Kaarster Unternehmen zählenden Anbieter Stromio und Gas.de stellten einfach ihren Betrieb ein, ohne zahlungsunfähig zu sein.

Insider reiben sich ob der jetzt erfolgten Anweisung der Bundesnetzagentur gegen die REG leicht verwundert die Augen. Binnen zwei Monaten nach der Verfügung des Landgerichts Köln tätig geworden zu sein, wird als vergleichsweise schnelle und mutige Reaktion empfunden. Jochen Homann verabschiede sich nur wenige Wochen vor seiner Ablösung durch Klaus Müller mit einem Paukenschlag, heißt es.

Verbraucherschützer hofft auf handlungsschnelle Behörde

Im Gespräch mit unserer Redaktion begrüßt der Energierechtsexperte der VZ NRW, Holger Schneidewindt, das Einschreiten der Bundesnetzagentur: „Nach dem Entscheid des Landgerichts Köln haben Verbraucherinnen und Verbraucher mit der Anweisung der Bundesnetzagentur spätestens jetzt einen guten Hebel, um zu ihrem Recht zu kommen.“ Die Bonner Behörde tue aber nur einen Schritt, da der Aspekt der rechtlich unhaltbaren „Sonderkündigungen“ durch die REG keine Erwähnung fand. Betroffene Verbraucherinnen und Verbraucher, rät Schneidewindt, müssten nun prüfen, in welcher Weise sie durch die Handlungen der REG tatsächlich Schaden genommen hätten.

Die VZ NRW hat keine genaue Kenntnis davon, wie viele Haushalte tatsächlich höhere Abschläge zahlten oder zahlen – oder wem gar gekündigt wurde. Eine rechtlich mögliche Rückkehr zur Belieferung durch die REG sollte aber gut überlegt sein, so Schneidewindt. „Der Schrecken könnte sich fortsetzen.“ Nach den einstweiligen Verfügungen ist je nach Verhalten der REG noch ein normales Rechtsverfahren in der Hauptsache denkbar. „Der Druck auf Immergrün wächst jedenfalls", so Schneidewindt.

Für den Verbraucherschützer ist die Haltung der Bundesnetzagentur noch aus anderer Hinsicht von Bedeutung. Die Bonner kämen damit ihrer Funktion als Verbraucherschutzbehörde in besonderem Maße nach. Dies könne ein Fingerzeig dafür sein, wie die Behörde sich nach der vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) geforderten Änderung des Rechtsrahmens präsentieren könne: "handlungsschnell auch in Verbraucherschutzfragen", so Schneidewindt. Die höchste EU-Instanz in Luxemburg hat den Gesetzgeber aufgefordert, die Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur von der Bundesregierung in Regulierungsfragen klarer zu fassen.

Dienstag, 8.02.2022, 16:37 Uhr
Volker Stephan
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Bundesnetzagentur nimmt sich "immergrün"-Mutter zur Brust
Nach dem Landgericht Köln hat nun auch die Bundesnetzagentur eindeutig Position gegen die Konzernmutter der Strommarke Immergrün bezogen. Die Behörde untersagte die höheren Abschläge.
Zwei Monate nach einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts Köln gegen die Rheinische Elektrizitäts- und Gasversorgungsgesellschaft mbH (REG) hat nun auch die Bundesnetzagentur Maßnahmen ergriffen. Die Bonner Aufsichtsbehörde untersagte dem Leverkusener Energieversorger die im Oktober 2021 vorgenommene Erhöhung der monatlichen Abschläge für Strom und Gas.

Die Entscheidung ist das Ergebnis des Aufsichtsverfahrens, das die Behörde im November gegen die REG eingeleitet hatte. Der scheidende Präsident der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, teilte in einer Erklärung mit, dass das Risiko steigender Beschaffungspreise an den Märkten "nicht durch einseitige Erhöhung der Abschläge auf Haushaltskunden abgewälzt werden" dürfe. Die Behörde setzte ein Zwangsgeld in Höhe von 100.000 Euro für den Fall fest, dass die REG als Mutter unter anderen der Strommarke Immergrün Abschläge dennoch ohne rechtliche Grundlage anhebe.

Agentur-Präsident Jochen Homann geht mit "Paukenschlag"

Im Oktober hatten zahllose Kundinnen und Kunden der REG die Information erhalten, dass sie höhere Monatsabschläge zu zahlen hatten. Wie das Landgericht Köln auf Intervention der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (VZ NRW) am 8. Dezember in einer einstweiligen Verfügung festgestellt hatte, erfolgte die Preissteigerung unrechtmäßig. Abschläge dürfen nur dann angepasst werden, wenn zuvor auch die Preise ordnungsgemäß erhöht wurden. Auch ein gestiegener Verbrauch von Haushalten kann höhere Abschlagszahlungen begründen. Beides lag bei der REG nach Stand der Dinge nicht vor.

Auch die Bundesnetzagentur kommt nach ihren Ermittlungen zu dem Schluss, dass das Handeln der REG "nicht mit dem Energierecht zu vereinbaren" sei. Die VZ NRW war in ihrem Antrag im Schnellverfahren noch einen Schritt weiter gegangen und hatte damit ebenfalls richterliches Gehör gefunden. Das Landgericht Köln untersagte ebenfalls die Praxis der REG, Kundinnen und Kunden zu kündigen, nur weil sie auf ihre plötzlich erhöhten Abschläge mit einer Nachfrage reagiert hatten. Immergrün deutete diese in "Sonderkündigungen" um und meldete die Betroffenen einfach vom Stromnetz ab.

Dieses Verhalten findet sich in ähnlicher Weise auch bei anderen Billiganbietern wie Stromio oder Gas.de. Es wird allgemein als Versuch gedeutet, die einst guten Gewinne auf den Energiemärkten in Sicherheit zu bringen und den explodierten Preisen an den Beschaffungsmärkten aus dem Weg zu gehen. Die zu einem Kaarster Unternehmen zählenden Anbieter Stromio und Gas.de stellten einfach ihren Betrieb ein, ohne zahlungsunfähig zu sein.

Insider reiben sich ob der jetzt erfolgten Anweisung der Bundesnetzagentur gegen die REG leicht verwundert die Augen. Binnen zwei Monaten nach der Verfügung des Landgerichts Köln tätig geworden zu sein, wird als vergleichsweise schnelle und mutige Reaktion empfunden. Jochen Homann verabschiede sich nur wenige Wochen vor seiner Ablösung durch Klaus Müller mit einem Paukenschlag, heißt es.

Verbraucherschützer hofft auf handlungsschnelle Behörde

Im Gespräch mit unserer Redaktion begrüßt der Energierechtsexperte der VZ NRW, Holger Schneidewindt, das Einschreiten der Bundesnetzagentur: „Nach dem Entscheid des Landgerichts Köln haben Verbraucherinnen und Verbraucher mit der Anweisung der Bundesnetzagentur spätestens jetzt einen guten Hebel, um zu ihrem Recht zu kommen.“ Die Bonner Behörde tue aber nur einen Schritt, da der Aspekt der rechtlich unhaltbaren „Sonderkündigungen“ durch die REG keine Erwähnung fand. Betroffene Verbraucherinnen und Verbraucher, rät Schneidewindt, müssten nun prüfen, in welcher Weise sie durch die Handlungen der REG tatsächlich Schaden genommen hätten.

Die VZ NRW hat keine genaue Kenntnis davon, wie viele Haushalte tatsächlich höhere Abschläge zahlten oder zahlen – oder wem gar gekündigt wurde. Eine rechtlich mögliche Rückkehr zur Belieferung durch die REG sollte aber gut überlegt sein, so Schneidewindt. „Der Schrecken könnte sich fortsetzen.“ Nach den einstweiligen Verfügungen ist je nach Verhalten der REG noch ein normales Rechtsverfahren in der Hauptsache denkbar. „Der Druck auf Immergrün wächst jedenfalls", so Schneidewindt.

Für den Verbraucherschützer ist die Haltung der Bundesnetzagentur noch aus anderer Hinsicht von Bedeutung. Die Bonner kämen damit ihrer Funktion als Verbraucherschutzbehörde in besonderem Maße nach. Dies könne ein Fingerzeig dafür sein, wie die Behörde sich nach der vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) geforderten Änderung des Rechtsrahmens präsentieren könne: "handlungsschnell auch in Verbraucherschutzfragen", so Schneidewindt. Die höchste EU-Instanz in Luxemburg hat den Gesetzgeber aufgefordert, die Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur von der Bundesregierung in Regulierungsfragen klarer zu fassen.

Dienstag, 8.02.2022, 16:37 Uhr
Volker Stephan

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