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Energie & Management > Aus Der Zeitung - Bei den Gleichstromtrassen geht's jetzt zur Sache
Quelle: E&M
Aus Der Zeitung

Bei den Gleichstromtrassen geht's jetzt zur Sache

Baustart für den Südlink-Konverter und für einen Kabelabschnitt, der durch die Gruben eines Salzbergwerks geführt wird. In das größte Energiewendeprojekt Deutschlands kommt Bewegung.
Das hörte man bei den Reden zum feierlichen Baustart für den Südlink-Konverter auf dem Gelände des Umspannwerks Großgartach im Landkreis Heilbronn (Baden-Württemberg) gleich mehrfach: Es ist ein besonderer Tag für die Energiewende und Südlink, mit geschätzten Kosten von 10 Milliarden Euro ihr größtes Infrastrukturprojekt.

Und auch der Einstiegssatz der Rede, die Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) dort hielt, hatte es in sich: „Es ist ein großer und bedeutender Tag für die Region, weil sie jetzt angeschlossen wird an die Energie des Nordens.“ Man kann es nur als mehr oder weniger dezenten Hinweis darauf verstehen, dass der Süden der Republik in Ermangelung eigener Windkraftanlagen bei der Stromversorgung gerade etwas unterbelichtet dasteht.

Das Projekt war 2012 in die Planung gegangen und hätte bis zur Abschaltung der letzten Kernkraftwerke in Bayern und Baden-Württemberg Ende 2022 eigentlich fertig sein sollen, um für Ersatzstrom zu sorgen. Jetzt wird die Inbetriebnahme der 700 Kilometer langen Erdkabel, die zweimal 2.000 MW Windkraftstrom nach Bayern und Baden-Württemberg bringen, für 2028 angestrebt.

„Sechs Jahre zu spät ist inakzeptabel“, zeigte sich Habeck verärgert. Die Planungs- und Genehmigungszeiten für wichtige Infrastrukturprojekte müssten halbiert werden. Auch betonte er die Bedeutung des Netzausbaus: Ohne den stehe die gesamte Energiewende infrage. Und da gehe es auch nicht, dass durch Interventionen der Kommunalpolitik massive Rückschritte verursacht werden: „Das ‚nicht bei mir‘ ist nicht die richtige Antwort.“ Mit Diskussionen über das „wie“ dürfe man nicht ganze Projekte aufs Spiel setzen. Gleichzeitig zeigte sich Habeck zuversichtlich, dass es zu keinen weiteren Verzögerungen mehr kommen wird. In dieser Hinsicht, so hieß es, habe er auch einen klaren Rückhalt der anderen Ampelpartner.

Erdverkabelung sorgt nicht für Beruhigung

Die von der Politik, vor allem auf Druck aus Bayern, durchgesetzte Umplanung von Freileitung auf Erdverkabelung war zum einen der Grund für die massiven Verzögerungen. Darüber hinaus haben sich die Kosten von jetzt 10 Milliarden Euro vervielfacht. Und, besonders ärgerlich: Die gewünschte beruhigende Wirkung wurde in keiner Hinsicht erreicht. Man war allgemein der Ansicht gewesen, dass sich die Widerstände gegen die „Monstertrasse“ legen würden, wenn man sie unter der Erde verschwinden lässt. Eher das Gegenteil war der Fall, es gab und gibt massenweise Einsprüche, Klagen, Betretungsverbote und Proteste: von Bürgern, Grundbesitzern und − wie erwähnt − aus der Kommunalpolitik. Die Diskussion, ob man in Zukunft nicht besser wieder auf Freileitungen setzen sollte, ist eröffnet.

Die Gleichstromtechnik, mit der die neuen Stromtrassen betrieben werden, ist vor allem wegen der Konverter zur Umwandlung von Wechselstrom in Gleichstrom und umgekehrt sehr aufwendig. Allein die Kosten für diese Umrichter belaufen sich pro Anlage auf einen dreistelligen Millionenbetrag. Dennoch macht sich das Ganze bezahlt: Nach Berechnungen von Siemens Energy würden die Ãœbertragungsverluste auf dem langen Weg von der Küste Schleswig-Holsteins nach Bayern und Baden-Württemberg bei Wechselstrom 40 Prozent betragen. Von losgeschickten 2.000 MW kämen nur 1.200 am anderen Ende an. Auch ist geplant, den Konverter in Baden-Württemberg nach seiner Fertigstellung 2026 schon mal zur Stabilisierung des Wechselstromnetzes einzusetzen.

Nicht nur mit dem Konverterbau ist der Ãœbertragungsnetzbetreiber Transnet BW im Juli an den Start gegangen, sondern auch mit dem ersten Leitungsabschnitt, der zu der Anlage führt. Und dieser Abschnitt ist wirklich etwas ganz Besonderes: Ãœber eine Strecke von 17 Kilometern taucht das Erdkabel, das normalerweise 1,5 Meter unter dem Boden verlegt wird, ganz weit ab, nämlich in die Gruben der Heilbronner Salzwerke. Dort wird es in 200 Metern Tiefe verlegt, wo es, ohne aufwendige Horizontalbohrprojekte, mühelos Straßen, Bahnlinien, Flüsse und die Autobahn unterquert. Unter Tage verläuft die Leitung zum größten Teil in einem gefrästen Kabelgraben, zum Teil durch Betonfertigelemente, die dafür eingebaut werden.

Auch für die Südlink-Kabeltrommeln ist im Heilbronner Hafen bereits ein Platz gefunden. Sie sollen hier schon jetzt per Schiff angeliefert und gelagert werden. 
Parallel dazu untersuchen aktuell Kampfmittelexperten die in konventioneller Erdverkabelung geplanten Abschnitte in Thüringen, Bayern und Baden-Württemberg. Danach soll die Trasse von internationalen Archäologenteams unter die Lupe genommen werden.

Südlink wird den Windkraftstrom aus Schleswig-Holstein dort ins Netz einspeisen, wo früher Kernkraftwerke angeschlossen waren. Eine der über den größten Teil der Strecke parallel verlaufenden Leitungen führt in die Nähe von Schweinfurt (Bayern), wo bis 2015 das AKW Grafenrheinfeld in Betrieb war. Die zweite geht weiter in die baden-württembergische Region Heilbronn, wo zuletzt noch der Meiler Neckarwestheim II Strom eingespeist hat.

Vorzeitiger Baubeginn für Südostlink beantragt

Auch beim Südostlink-Projekt, das Strom aus Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern ins bayerische Landshut bringen soll, tut sich etwas: Der Übertragungsnetzbetreiber Tennet, der für den 270 Kilometer langen bayerischen Part verantwortlich zeichnet, hat im August für zwei Abschnitte in der Oberpfalz und in Oberfranken sowie für ein Projekt bei Landshut den vorzeitigen Baubeginn beantragt.

Ziel ist es, bereits im Oktober mit vorbereitenden Maßnahmen zu beginnen. Konkret geht es um mehrere Horizontalspülbohrungen und die Vorbereitung von Baumfällarbeiten, die in diesem Bereich erforderlich sind. Außerdem um das Verlegen einer Drehstromleitung zwischen dem Südostlink-Konverter und dem Umspannwerk Isar in Niederbayern, dem Standort des Kernkraftwerks Isar 2.

In den nächsten Monaten will Tennet weitere Anträge auf vorzeitigen Baubeginn für die Verlegung der ersten Kilometer der Gleichstromleitungen stellen. Die Tiefbaumaßnahmen hierfür sollen im Frühjahr 2024 starten. Die Trommeln mit den Kabeln für das Vorhaben warten bereits im Regensburger Hafen auf ihren Einsatz.

Die Anträge auf vorzeitigen Baubeginn nach Paragraf 44c Energiewirtschaftsgesetz können einen vorzeitigen Baustart im öffentlichen Interesse ermöglichen. Sie sind nur für Maßnahmen vorgesehen, die als reversibel gelten. Tennet rechnet im Laufe des Septembers mit einer Entscheidung der Bundesnetzagentur zu diesen ersten Anträgen. Derzeit prüft der Netzbetreiber nach eigenen Angaben, ob weitere auch für andere Planungsabschnitte gestellt werden.

Die Südostlink-Trasse ermöglicht eine Ãœbertragungskapazität von 2.000 MW und wird − wie der Südlink − mit einer Spannung von 525 kV betrieben. Ein Teil der Strecke soll 2027 in Betrieb gehen, die Verlängerung nach Mecklenburg-Vorpommern 2030 folgen.
 
Die Trommeln mit den Erdkabeln für das Südostlink-Projekt warten schon im Regensburger Hafen auf ihren Einsatz
Quelle: E&M/Günter Drewnitzky

 

Dienstag, 19.09.2023, 09:30 Uhr
Günter Drewnitzky
Energie & Management > Aus Der Zeitung - Bei den Gleichstromtrassen geht's jetzt zur Sache
Quelle: E&M
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Bei den Gleichstromtrassen geht's jetzt zur Sache
Baustart für den Südlink-Konverter und für einen Kabelabschnitt, der durch die Gruben eines Salzbergwerks geführt wird. In das größte Energiewendeprojekt Deutschlands kommt Bewegung.
Das hörte man bei den Reden zum feierlichen Baustart für den Südlink-Konverter auf dem Gelände des Umspannwerks Großgartach im Landkreis Heilbronn (Baden-Württemberg) gleich mehrfach: Es ist ein besonderer Tag für die Energiewende und Südlink, mit geschätzten Kosten von 10 Milliarden Euro ihr größtes Infrastrukturprojekt.

Und auch der Einstiegssatz der Rede, die Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) dort hielt, hatte es in sich: „Es ist ein großer und bedeutender Tag für die Region, weil sie jetzt angeschlossen wird an die Energie des Nordens.“ Man kann es nur als mehr oder weniger dezenten Hinweis darauf verstehen, dass der Süden der Republik in Ermangelung eigener Windkraftanlagen bei der Stromversorgung gerade etwas unterbelichtet dasteht.

Das Projekt war 2012 in die Planung gegangen und hätte bis zur Abschaltung der letzten Kernkraftwerke in Bayern und Baden-Württemberg Ende 2022 eigentlich fertig sein sollen, um für Ersatzstrom zu sorgen. Jetzt wird die Inbetriebnahme der 700 Kilometer langen Erdkabel, die zweimal 2.000 MW Windkraftstrom nach Bayern und Baden-Württemberg bringen, für 2028 angestrebt.

„Sechs Jahre zu spät ist inakzeptabel“, zeigte sich Habeck verärgert. Die Planungs- und Genehmigungszeiten für wichtige Infrastrukturprojekte müssten halbiert werden. Auch betonte er die Bedeutung des Netzausbaus: Ohne den stehe die gesamte Energiewende infrage. Und da gehe es auch nicht, dass durch Interventionen der Kommunalpolitik massive Rückschritte verursacht werden: „Das ‚nicht bei mir‘ ist nicht die richtige Antwort.“ Mit Diskussionen über das „wie“ dürfe man nicht ganze Projekte aufs Spiel setzen. Gleichzeitig zeigte sich Habeck zuversichtlich, dass es zu keinen weiteren Verzögerungen mehr kommen wird. In dieser Hinsicht, so hieß es, habe er auch einen klaren Rückhalt der anderen Ampelpartner.

Erdverkabelung sorgt nicht für Beruhigung

Die von der Politik, vor allem auf Druck aus Bayern, durchgesetzte Umplanung von Freileitung auf Erdverkabelung war zum einen der Grund für die massiven Verzögerungen. Darüber hinaus haben sich die Kosten von jetzt 10 Milliarden Euro vervielfacht. Und, besonders ärgerlich: Die gewünschte beruhigende Wirkung wurde in keiner Hinsicht erreicht. Man war allgemein der Ansicht gewesen, dass sich die Widerstände gegen die „Monstertrasse“ legen würden, wenn man sie unter der Erde verschwinden lässt. Eher das Gegenteil war der Fall, es gab und gibt massenweise Einsprüche, Klagen, Betretungsverbote und Proteste: von Bürgern, Grundbesitzern und − wie erwähnt − aus der Kommunalpolitik. Die Diskussion, ob man in Zukunft nicht besser wieder auf Freileitungen setzen sollte, ist eröffnet.

Die Gleichstromtechnik, mit der die neuen Stromtrassen betrieben werden, ist vor allem wegen der Konverter zur Umwandlung von Wechselstrom in Gleichstrom und umgekehrt sehr aufwendig. Allein die Kosten für diese Umrichter belaufen sich pro Anlage auf einen dreistelligen Millionenbetrag. Dennoch macht sich das Ganze bezahlt: Nach Berechnungen von Siemens Energy würden die Ãœbertragungsverluste auf dem langen Weg von der Küste Schleswig-Holsteins nach Bayern und Baden-Württemberg bei Wechselstrom 40 Prozent betragen. Von losgeschickten 2.000 MW kämen nur 1.200 am anderen Ende an. Auch ist geplant, den Konverter in Baden-Württemberg nach seiner Fertigstellung 2026 schon mal zur Stabilisierung des Wechselstromnetzes einzusetzen.

Nicht nur mit dem Konverterbau ist der Ãœbertragungsnetzbetreiber Transnet BW im Juli an den Start gegangen, sondern auch mit dem ersten Leitungsabschnitt, der zu der Anlage führt. Und dieser Abschnitt ist wirklich etwas ganz Besonderes: Ãœber eine Strecke von 17 Kilometern taucht das Erdkabel, das normalerweise 1,5 Meter unter dem Boden verlegt wird, ganz weit ab, nämlich in die Gruben der Heilbronner Salzwerke. Dort wird es in 200 Metern Tiefe verlegt, wo es, ohne aufwendige Horizontalbohrprojekte, mühelos Straßen, Bahnlinien, Flüsse und die Autobahn unterquert. Unter Tage verläuft die Leitung zum größten Teil in einem gefrästen Kabelgraben, zum Teil durch Betonfertigelemente, die dafür eingebaut werden.

Auch für die Südlink-Kabeltrommeln ist im Heilbronner Hafen bereits ein Platz gefunden. Sie sollen hier schon jetzt per Schiff angeliefert und gelagert werden. 
Parallel dazu untersuchen aktuell Kampfmittelexperten die in konventioneller Erdverkabelung geplanten Abschnitte in Thüringen, Bayern und Baden-Württemberg. Danach soll die Trasse von internationalen Archäologenteams unter die Lupe genommen werden.

Südlink wird den Windkraftstrom aus Schleswig-Holstein dort ins Netz einspeisen, wo früher Kernkraftwerke angeschlossen waren. Eine der über den größten Teil der Strecke parallel verlaufenden Leitungen führt in die Nähe von Schweinfurt (Bayern), wo bis 2015 das AKW Grafenrheinfeld in Betrieb war. Die zweite geht weiter in die baden-württembergische Region Heilbronn, wo zuletzt noch der Meiler Neckarwestheim II Strom eingespeist hat.

Vorzeitiger Baubeginn für Südostlink beantragt

Auch beim Südostlink-Projekt, das Strom aus Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern ins bayerische Landshut bringen soll, tut sich etwas: Der Übertragungsnetzbetreiber Tennet, der für den 270 Kilometer langen bayerischen Part verantwortlich zeichnet, hat im August für zwei Abschnitte in der Oberpfalz und in Oberfranken sowie für ein Projekt bei Landshut den vorzeitigen Baubeginn beantragt.

Ziel ist es, bereits im Oktober mit vorbereitenden Maßnahmen zu beginnen. Konkret geht es um mehrere Horizontalspülbohrungen und die Vorbereitung von Baumfällarbeiten, die in diesem Bereich erforderlich sind. Außerdem um das Verlegen einer Drehstromleitung zwischen dem Südostlink-Konverter und dem Umspannwerk Isar in Niederbayern, dem Standort des Kernkraftwerks Isar 2.

In den nächsten Monaten will Tennet weitere Anträge auf vorzeitigen Baubeginn für die Verlegung der ersten Kilometer der Gleichstromleitungen stellen. Die Tiefbaumaßnahmen hierfür sollen im Frühjahr 2024 starten. Die Trommeln mit den Kabeln für das Vorhaben warten bereits im Regensburger Hafen auf ihren Einsatz.

Die Anträge auf vorzeitigen Baubeginn nach Paragraf 44c Energiewirtschaftsgesetz können einen vorzeitigen Baustart im öffentlichen Interesse ermöglichen. Sie sind nur für Maßnahmen vorgesehen, die als reversibel gelten. Tennet rechnet im Laufe des Septembers mit einer Entscheidung der Bundesnetzagentur zu diesen ersten Anträgen. Derzeit prüft der Netzbetreiber nach eigenen Angaben, ob weitere auch für andere Planungsabschnitte gestellt werden.

Die Südostlink-Trasse ermöglicht eine Ãœbertragungskapazität von 2.000 MW und wird − wie der Südlink − mit einer Spannung von 525 kV betrieben. Ein Teil der Strecke soll 2027 in Betrieb gehen, die Verlängerung nach Mecklenburg-Vorpommern 2030 folgen.
 
Die Trommeln mit den Erdkabeln für das Südostlink-Projekt warten schon im Regensburger Hafen auf ihren Einsatz
Quelle: E&M/Günter Drewnitzky

 

Dienstag, 19.09.2023, 09:30 Uhr
Günter Drewnitzky

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