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Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe

"Zuerst die Prozesse, dann die Software"

Nach der Erfahrung von Andreas Tzschoppe-Kölling ist die fehlende Integration und Vernetzung der IT-Systeme ein ganz wesentliches Defizit bei der Digitalisierung der Energieversorger.

Zur Person:

Nach verschiedenen Führungspositionen in der Konzernorganisation und den Services einer Unternehmensgruppe der Finanzbranche ist Andreas Tzschoppe-Kölling seit 2011 Geschäftsführer der Prego Services GmbH. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule für Wirtschaft in Berlin und erwarb darüber hinaus Zusatzqualifikationen am Management Zentrum Witten/Herdecke und an der Business School St. Gallen.
 
 
Andreas Tzschoppe-Kölling
Geschäftsführer Prego Services GmbH
Quelle: Prego Services

E&M: Herr Tzschoppe-Kölling, in Ihrer Studie geben die Energieunternehmen an, aus Sicht ihrer Kundschaft digital nicht besonders gut aufgestellt zu sein. Ist dies ein Image-Problem oder geht es um konkrete Defizite im Umgang mit den Kundinnen und Kunden?

Tzschoppe-Kölling: Das ist kein reines Imageproblem, sondern ein konkretes Defizit, das die Kunden den Unternehmen aufgrund der realen Erfahrungen vorhalten. Das deckt sich auch mit unseren Beobachtungen. Nehmen Sie beispielsweise den relativ banalen Vorgang der Zählerstandserfassung: Die geschieht häufig noch mit Ablesekarten oder Ablesern vor Ort. Einige Unternehmen lassen die Kunden auch selbst ablesen und sich dann die Werte per Mail schicken oder als Eintrag auf einer Internetseite angeben.

E&M: Das ist auf jeden Fall digitaler, als eine Karte per Post einzuschicken.

Tzschoppe-Kölling: Das stimmt. Selbst wenn ein Kunde den Zählerstand digital erfasst, was passiert dann? Dann bekommt er oder sie einige Wochen später per Brief die Jahresrechnung. Warum kann der Kunde nicht sofort, wenn der Zählerstand im System ist, seinen Jahresverbrauch sehen und den Betrag seiner Rückerstattung oder Nachzahlung angezeigt bekommen? Diese Geschwindigkeit des Datentransfers und der Datenverarbeitung ist für uns heute bei vielen digitalen Anwendungen eine reale Erfahrung in anderen Branchen. Kunden von Energieversorgern können davon im Moment nur träumen.

E&M: Woran liegt das?

Tzschoppe-Kölling: An der fehlenden Integration und Vernetzung der Systeme. Wir haben jetzt die Studie zum fünften Mal durchgeführt. Die Energieversorger bestätigen auch dieses Mal wieder in ihrer Selbsteinschätzung: Die IT-Komponenten im Backend sind nicht miteinander integriert. Das zieht sich jetzt schon die ganzen Jahre wie ein roter Faden durch die Utility-4.0-Studie.

„Grundsätzlich wissen die Unternehmen, dass sie Defizite haben“

E&M: Wollen oder können die Unternehmen nicht dazulernen?

Tzschoppe-Kölling: Grundsätzlich wissen die Unternehmen, dass sie hier Defizite haben. Aber dann kommt häufig das Argument – fast wie ein Alibi - dass die vorhandene IT-Infrastruktur die Digitalisierung verlangsamt. Fakt ist: Es sind noch viele ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning, d. Red.) im Einsatz, die einen monolithischen Charakter haben. Die meisten sind isoliert aufgestellt und haben nur wenige Real-Time-Datenübertragungsschnittstellen untereinander. Von einer richtigen Integration ist man da weit entfernt. Häufig wollen die Verantwortlichen diese IT-Strukturen nicht anfassen. Schließlich hat man vor vielen Jahren mal viel Geld investiert. Manche sagen auch: „Never change a running system“.

E&M: Aber irgendwann müssen alte IT-Systeme einmal erneuert werden.

Tzschoppe-Kölling: Natürlich. Man muss aber auch nicht die alten Strukturen sofort und gleich ganz ablösen. Man sollte sich erst ein konkretes Zielbild aufstellen, mit halbjährlichen oder jährlichen Teilzielen, um eine gewisse Agilität in den Wandel zu bekommen. Was bringt es, wenn man viel Geld investiert, um von SAP R/3 auf SAP S/4HANA umzusteigen, ohne sich darüber Gedanken zu machen, was der Systemwechsel für alle möglichen Prozesse drum herum bedeutet? Man könnte beispielswiese auch dezentral mit dem zukünftigen System arbeiten; Kunden wie auch die Mitarbeiter im Unternehmen nutzen identische Systemkomponenten. Darüber hinaus kann man mit verteilten Datenhaltungstechnologien arbeiten – „on premise“ und in der „Cloud“.

Sicherheit ist die zentrale Voraussetzung

E&M: Sind die Stadtwerke nicht schon auf dem Weg in die Cloud?

Tzschoppe-Kölling: Die meisten sind es zumindest noch nicht durchgängig. Gedacht wird in IT-Blöcken statt in vernetzten Strukturen und Prozessen. Unserer Erfahrung nach hat die Mehrheit die alte IT-Weisheit „zuerst kommen die Prozesse, dann kommt die Software“ noch nicht verinnerlicht. Und man darf nicht vergessen, dass man zunächst einmal die einzelnen IT-Ebenen erst gedanklich und dann architektonisch trennen muss – beispielsweise die Datenbankebene, die Applikationsebene, die Kundenschnittstelle. Auf diese Weise kann man sich dem integrierten Zielbild dann schrittweise nähern. Das hat zunächst sehr viel mit Prozessanalyse zu tun, weniger mit IT-Know-how.

E&M: Bei zunehmender Integration vor allem der Prozesse bei der Kundschaft: Steigen da nicht auch die Anforderungen an das Sicherheitsmanagement?

Tzschoppe-Kölling: Natürlich. Die Sicherheit ist die zentrale Voraussetzung, damit überhaupt die Energiewirtschaft in Zukunft funktionieren und ihre Rolle bei der Energiewende spielen kann. Aus meiner Sicht gilt: Die Energiewende ist nur mit einer hohen Digitalisierungsrate und hoher Datensicherheit erfolgreich umzusetzen. Das heißt aber nicht, dass es keinen Ausweg aus den althergebrachten monolithischen Silo-Strukturen gibt. Die Datensicherheit ist das Argument, das oft gegen eine weitgehende Integration ins Feld geführt wird. Aber in der Finanzwirtschaft beispielswiese werden schon seit über 20 Jahren jeden Tag über Smartphones Zahlungsströme ausgelöst und in Echtzeit verarbeitet.

E&M: Aber die Energiewirtschaft ist kritische Infrastruktur.

Tzschoppe-Kölling: Nicht jede Anwendung und nicht jede Transaktion erfordert die gleichen und maximalen Sicherheitsvorkehrungen. Auch Cybersicherheit muss deshalb in Schichten aufgebaut werden. Man muss klar das jeweilige Sicherheitsbedürfnis in verschiedenen Anwendungen und auf verschiedenen Ebenen definieren. Insbesondere an den Übergängen von einem Applikationsbereich zum anderen müssen die Sicherheitsmaßnahmen genau definiert und parametrisiert werden. Sich nur abzuschotten, ist keine Lösung. Als Closed Shop wird ein EVU (Energieversorgungsunternehmen, d. Red.) nicht mehr den Anforderungen der Kunden als Anbieter energiewirtschaftlicher Dienstleistungen gewachsen sein.

E&M: Da wären wir wieder beim Ausgangspunkt: Die Kundschaft will einen digitalisierten Energieversorger. Will sie aber auch immer mehr Aufgaben übernehmen?

Tzschoppe-Kölling: Ich beschäftige mich schon seit 30 Jahren auch wissenschaftlich mit dem Thema, wie sich die Digitalisierung und die Verlagerung von Tätigkeiten auf den Kunden auswirkt. Aus meiner Sicht empfinden die Kunden nicht, dass etwas auf sie abgewälzt wird. Im Gegenteil: Sie wollen die Zügel in die Hand nehmen und soweit wie möglich Steuerungshoheit bekommen.

E&M: Das funktioniert aber nur, wenn die Prozesse zuverlässig und schnell ablaufen und die Kunden nicht nach einer Eingabe aufgrund eines Systemfehlers von vorne anfangen müssen.

Tzschoppe-Kölling: Das ist natürlich die Voraussetzung. Aber auch hier wieder als Beispiel die Finanzwirtschaft: Kunden können ihre Finanztransaktionen, Überweisungen und Wertpapiergeschäfte, eigenständig steuern.

E&M: Mit welchen Transaktionen rechnen Sie künftig in der Energiewirtschaft?

Tzschoppe-Kölling: Ich gehe davon aus, dass wir mehr Belieferungen on demand sehen werden. Wenn jemand beispielsweise einen Saunagang am Abend plant, sucht er sich für diesen Zeitraum den günstigsten Anbieter und bekommt anschließend sofort die Information über den tatsächlichen Verbrauch und die entsprechende Rechnungsposition. Wir werden mehr Variabilität und Flexibilität in den Tarifen sehen.

„Wir werden mehr Variabilität und Flexibilität in den Tarifen sehen“

E&M: Dafür braucht es aber intelligente Messtechnik.

Tzschoppe-Kölling: Diese wird es auch geben, nicht zuletzt durch das auf gesetzlicher Grundlage eingeführte Smart Metering. Entsprechend werden sich die Energieversorger auch mit der Frage beschäftigen, welche Mehrwerte sie auf Basis der Technik anbieten können. Aber auch hier wieder die Voraussetzung für den Erfolg: Es ist ein hoher Integrations- und Automatisierungsgrad erforderlich. Von einer Dunkelverarbeitungsquote wie im Banken- oder Telekommunikationssektor von 90 bis 95 Prozent ist die Energiewirtschaft allerdings noch sehr weit entfernt.

E&M: Das heißt: Je weniger der Mensch eingreift, umso besser.

Tzschoppe-Kölling: Genau. Das ist die Quintessenz der Digitalisierung: Die Maschine-zu-Maschine-Kommunikation. Der Mensch greift nur dann ein, wenn die Maschine nicht mehr weiterweiß.

E&M: Dann werden künftig viele Mitarbeitende überflüssig?

Tzschoppe-Kölling: Es werden zukünftig vor allem Spezialisten gebraucht, die die Prozesse definieren, überwachen und gegebenenfalls nachsteuern. Aber die Personaldecke ist an dieser Stelle in vielen Unternehmen bereits jetzt recht dünn, so dass sie die immer komplexer werdenden Aufgaben gar nicht mehr allein bewältigen können. Denken Sie nur an die Vielfalt der regulatorischen Anforderungen.

E&M: Das heißt, die EVU brauchen externe Unterstützung?

Tzschoppe-Kölling: Viele Stadtwerke werden nicht umhinkommen, IT-Aufgaben auszulagern und mit spezialisierten Partnern zusammenzuarbeiten. Dieser Trend hat schon begonnen. Aber auch dabei brauchen die Unternehmen weiter hochqualifizierte Mitarbeiter im Unternehmen, um die Partner und Dienstleister auf Augenhöhe zu briefen und zu steuern.

Mittwoch, 13.07.2022, 09:44 Uhr
Fritz Wilhelm
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe -
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe
"Zuerst die Prozesse, dann die Software"
Nach der Erfahrung von Andreas Tzschoppe-Kölling ist die fehlende Integration und Vernetzung der IT-Systeme ein ganz wesentliches Defizit bei der Digitalisierung der Energieversorger.

Zur Person:

Nach verschiedenen Führungspositionen in der Konzernorganisation und den Services einer Unternehmensgruppe der Finanzbranche ist Andreas Tzschoppe-Kölling seit 2011 Geschäftsführer der Prego Services GmbH. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule für Wirtschaft in Berlin und erwarb darüber hinaus Zusatzqualifikationen am Management Zentrum Witten/Herdecke und an der Business School St. Gallen.
 
 
Andreas Tzschoppe-Kölling
Geschäftsführer Prego Services GmbH
Quelle: Prego Services

E&M: Herr Tzschoppe-Kölling, in Ihrer Studie geben die Energieunternehmen an, aus Sicht ihrer Kundschaft digital nicht besonders gut aufgestellt zu sein. Ist dies ein Image-Problem oder geht es um konkrete Defizite im Umgang mit den Kundinnen und Kunden?

Tzschoppe-Kölling: Das ist kein reines Imageproblem, sondern ein konkretes Defizit, das die Kunden den Unternehmen aufgrund der realen Erfahrungen vorhalten. Das deckt sich auch mit unseren Beobachtungen. Nehmen Sie beispielsweise den relativ banalen Vorgang der Zählerstandserfassung: Die geschieht häufig noch mit Ablesekarten oder Ablesern vor Ort. Einige Unternehmen lassen die Kunden auch selbst ablesen und sich dann die Werte per Mail schicken oder als Eintrag auf einer Internetseite angeben.

E&M: Das ist auf jeden Fall digitaler, als eine Karte per Post einzuschicken.

Tzschoppe-Kölling: Das stimmt. Selbst wenn ein Kunde den Zählerstand digital erfasst, was passiert dann? Dann bekommt er oder sie einige Wochen später per Brief die Jahresrechnung. Warum kann der Kunde nicht sofort, wenn der Zählerstand im System ist, seinen Jahresverbrauch sehen und den Betrag seiner Rückerstattung oder Nachzahlung angezeigt bekommen? Diese Geschwindigkeit des Datentransfers und der Datenverarbeitung ist für uns heute bei vielen digitalen Anwendungen eine reale Erfahrung in anderen Branchen. Kunden von Energieversorgern können davon im Moment nur träumen.

E&M: Woran liegt das?

Tzschoppe-Kölling: An der fehlenden Integration und Vernetzung der Systeme. Wir haben jetzt die Studie zum fünften Mal durchgeführt. Die Energieversorger bestätigen auch dieses Mal wieder in ihrer Selbsteinschätzung: Die IT-Komponenten im Backend sind nicht miteinander integriert. Das zieht sich jetzt schon die ganzen Jahre wie ein roter Faden durch die Utility-4.0-Studie.

„Grundsätzlich wissen die Unternehmen, dass sie Defizite haben“

E&M: Wollen oder können die Unternehmen nicht dazulernen?

Tzschoppe-Kölling: Grundsätzlich wissen die Unternehmen, dass sie hier Defizite haben. Aber dann kommt häufig das Argument – fast wie ein Alibi - dass die vorhandene IT-Infrastruktur die Digitalisierung verlangsamt. Fakt ist: Es sind noch viele ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning, d. Red.) im Einsatz, die einen monolithischen Charakter haben. Die meisten sind isoliert aufgestellt und haben nur wenige Real-Time-Datenübertragungsschnittstellen untereinander. Von einer richtigen Integration ist man da weit entfernt. Häufig wollen die Verantwortlichen diese IT-Strukturen nicht anfassen. Schließlich hat man vor vielen Jahren mal viel Geld investiert. Manche sagen auch: „Never change a running system“.

E&M: Aber irgendwann müssen alte IT-Systeme einmal erneuert werden.

Tzschoppe-Kölling: Natürlich. Man muss aber auch nicht die alten Strukturen sofort und gleich ganz ablösen. Man sollte sich erst ein konkretes Zielbild aufstellen, mit halbjährlichen oder jährlichen Teilzielen, um eine gewisse Agilität in den Wandel zu bekommen. Was bringt es, wenn man viel Geld investiert, um von SAP R/3 auf SAP S/4HANA umzusteigen, ohne sich darüber Gedanken zu machen, was der Systemwechsel für alle möglichen Prozesse drum herum bedeutet? Man könnte beispielswiese auch dezentral mit dem zukünftigen System arbeiten; Kunden wie auch die Mitarbeiter im Unternehmen nutzen identische Systemkomponenten. Darüber hinaus kann man mit verteilten Datenhaltungstechnologien arbeiten – „on premise“ und in der „Cloud“.

Sicherheit ist die zentrale Voraussetzung

E&M: Sind die Stadtwerke nicht schon auf dem Weg in die Cloud?

Tzschoppe-Kölling: Die meisten sind es zumindest noch nicht durchgängig. Gedacht wird in IT-Blöcken statt in vernetzten Strukturen und Prozessen. Unserer Erfahrung nach hat die Mehrheit die alte IT-Weisheit „zuerst kommen die Prozesse, dann kommt die Software“ noch nicht verinnerlicht. Und man darf nicht vergessen, dass man zunächst einmal die einzelnen IT-Ebenen erst gedanklich und dann architektonisch trennen muss – beispielsweise die Datenbankebene, die Applikationsebene, die Kundenschnittstelle. Auf diese Weise kann man sich dem integrierten Zielbild dann schrittweise nähern. Das hat zunächst sehr viel mit Prozessanalyse zu tun, weniger mit IT-Know-how.

E&M: Bei zunehmender Integration vor allem der Prozesse bei der Kundschaft: Steigen da nicht auch die Anforderungen an das Sicherheitsmanagement?

Tzschoppe-Kölling: Natürlich. Die Sicherheit ist die zentrale Voraussetzung, damit überhaupt die Energiewirtschaft in Zukunft funktionieren und ihre Rolle bei der Energiewende spielen kann. Aus meiner Sicht gilt: Die Energiewende ist nur mit einer hohen Digitalisierungsrate und hoher Datensicherheit erfolgreich umzusetzen. Das heißt aber nicht, dass es keinen Ausweg aus den althergebrachten monolithischen Silo-Strukturen gibt. Die Datensicherheit ist das Argument, das oft gegen eine weitgehende Integration ins Feld geführt wird. Aber in der Finanzwirtschaft beispielswiese werden schon seit über 20 Jahren jeden Tag über Smartphones Zahlungsströme ausgelöst und in Echtzeit verarbeitet.

E&M: Aber die Energiewirtschaft ist kritische Infrastruktur.

Tzschoppe-Kölling: Nicht jede Anwendung und nicht jede Transaktion erfordert die gleichen und maximalen Sicherheitsvorkehrungen. Auch Cybersicherheit muss deshalb in Schichten aufgebaut werden. Man muss klar das jeweilige Sicherheitsbedürfnis in verschiedenen Anwendungen und auf verschiedenen Ebenen definieren. Insbesondere an den Übergängen von einem Applikationsbereich zum anderen müssen die Sicherheitsmaßnahmen genau definiert und parametrisiert werden. Sich nur abzuschotten, ist keine Lösung. Als Closed Shop wird ein EVU (Energieversorgungsunternehmen, d. Red.) nicht mehr den Anforderungen der Kunden als Anbieter energiewirtschaftlicher Dienstleistungen gewachsen sein.

E&M: Da wären wir wieder beim Ausgangspunkt: Die Kundschaft will einen digitalisierten Energieversorger. Will sie aber auch immer mehr Aufgaben übernehmen?

Tzschoppe-Kölling: Ich beschäftige mich schon seit 30 Jahren auch wissenschaftlich mit dem Thema, wie sich die Digitalisierung und die Verlagerung von Tätigkeiten auf den Kunden auswirkt. Aus meiner Sicht empfinden die Kunden nicht, dass etwas auf sie abgewälzt wird. Im Gegenteil: Sie wollen die Zügel in die Hand nehmen und soweit wie möglich Steuerungshoheit bekommen.

E&M: Das funktioniert aber nur, wenn die Prozesse zuverlässig und schnell ablaufen und die Kunden nicht nach einer Eingabe aufgrund eines Systemfehlers von vorne anfangen müssen.

Tzschoppe-Kölling: Das ist natürlich die Voraussetzung. Aber auch hier wieder als Beispiel die Finanzwirtschaft: Kunden können ihre Finanztransaktionen, Überweisungen und Wertpapiergeschäfte, eigenständig steuern.

E&M: Mit welchen Transaktionen rechnen Sie künftig in der Energiewirtschaft?

Tzschoppe-Kölling: Ich gehe davon aus, dass wir mehr Belieferungen on demand sehen werden. Wenn jemand beispielsweise einen Saunagang am Abend plant, sucht er sich für diesen Zeitraum den günstigsten Anbieter und bekommt anschließend sofort die Information über den tatsächlichen Verbrauch und die entsprechende Rechnungsposition. Wir werden mehr Variabilität und Flexibilität in den Tarifen sehen.

„Wir werden mehr Variabilität und Flexibilität in den Tarifen sehen“

E&M: Dafür braucht es aber intelligente Messtechnik.

Tzschoppe-Kölling: Diese wird es auch geben, nicht zuletzt durch das auf gesetzlicher Grundlage eingeführte Smart Metering. Entsprechend werden sich die Energieversorger auch mit der Frage beschäftigen, welche Mehrwerte sie auf Basis der Technik anbieten können. Aber auch hier wieder die Voraussetzung für den Erfolg: Es ist ein hoher Integrations- und Automatisierungsgrad erforderlich. Von einer Dunkelverarbeitungsquote wie im Banken- oder Telekommunikationssektor von 90 bis 95 Prozent ist die Energiewirtschaft allerdings noch sehr weit entfernt.

E&M: Das heißt: Je weniger der Mensch eingreift, umso besser.

Tzschoppe-Kölling: Genau. Das ist die Quintessenz der Digitalisierung: Die Maschine-zu-Maschine-Kommunikation. Der Mensch greift nur dann ein, wenn die Maschine nicht mehr weiterweiß.

E&M: Dann werden künftig viele Mitarbeitende überflüssig?

Tzschoppe-Kölling: Es werden zukünftig vor allem Spezialisten gebraucht, die die Prozesse definieren, überwachen und gegebenenfalls nachsteuern. Aber die Personaldecke ist an dieser Stelle in vielen Unternehmen bereits jetzt recht dünn, so dass sie die immer komplexer werdenden Aufgaben gar nicht mehr allein bewältigen können. Denken Sie nur an die Vielfalt der regulatorischen Anforderungen.

E&M: Das heißt, die EVU brauchen externe Unterstützung?

Tzschoppe-Kölling: Viele Stadtwerke werden nicht umhinkommen, IT-Aufgaben auszulagern und mit spezialisierten Partnern zusammenzuarbeiten. Dieser Trend hat schon begonnen. Aber auch dabei brauchen die Unternehmen weiter hochqualifizierte Mitarbeiter im Unternehmen, um die Partner und Dienstleister auf Augenhöhe zu briefen und zu steuern.

Mittwoch, 13.07.2022, 09:44 Uhr
Fritz Wilhelm

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