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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungausgabe - Zeigen, was möglich ist
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitungausgabe

Zeigen, was möglich ist

Reallabore helfen, die künftige Welt besser zu verstehen und sich darauf vorzubereiten. Netze BW hat eine ganze Reihe davon aufgesetzt, zuletzt auch eines mit Wasserstoff.
E-Mobility-Allee, -Carré und -Chaussee − das sind die Namen von drei Reallaboren, mit denen Netze BW die Auswirkungen des Hochlaufs der Elektromobilität auf die Stromverteilnetze untersucht hat. Denn nicht nur die Energiewende findet im Niederspannungsnetz statt, sondern auch die urbane Verkehrswende.

Wer über das Grundwort „Labor“ stolpert, dem hält Martin Konermann das Bestimmungswort „Real“ entgegen. „Wir haben wirklich reale Bedingungen geschaffen“, betont der Geschäftsführer Technik des regionalen Netzbetreibers mit Sitz in Stuttgart. Der Testcharakter lasse sich zwar an der kostenlosen Bereitstellung von E-Autos, Ladeinfrastruktur und Ladestrom festmachen. Die Stromversorgung und Netzgegebenheiten bildeten jedoch ebenso einen realen Rahmen für die Untersuchung wie die Lebensumstände und Präferenzen der Teilnehmer.

In der „E-Mobility-Allee“, Synonym für einen Straßenzug in Ostfildern südöstlich der baden-württembergischen Landeshauptstadt, nahmen zehn Haushalte an dem eineinhalb Jahre dauernden Test teil. Unter ihnen Familien mit Kindern und Rentner, Vielfahrer und Menschen, die nur gelegentlich ein Auto nutzen. „Ein typisches Wohngebiet mit Eigenheimen, wie es häufig in Ballungsräumen vorkommt“, heißt es in einer Mitteilung des Netzbetreibers.
 
Martin Konermann: „Mit dem Nachlassen der Reichweitenangst verringerte sich die Gleichzeitigkeit der Ladevorgänge“
 
„Zu Anfang haben alle täglich geladen“, blickt Konermann auf das Projekt zurück, das im Herbst 2019 abgeschlossen wurde. Im Laufe der Zeit habe man jedoch einen „Einschwingvorgang“ beobachten können. „Mit dem Nachlassen der Reichweitenangst verringerte sich die Gleichzeitigkeit der Ladevorgänge“, so der Netze-BW-Geschäftsführer. Am Ende hätten manche Haushalte nur noch einmal pro Woche geladen, weil sie ein Gefühl dafür bekommen hätten, welcher Ladestand für ihren Bewegungsradius ausreicht. Aufgrund des unterschiedlichen Nutzungsverhaltens und der unterschiedlichen Fahrzeugtypen hätten nie mehr als fünf Fahrzeuge gleichzeitig geladen – und das auch nur in ganz seltenen Fällen.

Rund 70 % des Betrachtungszeitraums seien ganz ohne Ladevorgänge verlaufen. Projektleiterin Selma Lossau folgert daraus, dass die häufig geäußerte Befürchtung, alle E-Autos würden in der Feierabendzeit immer gleichzeitig geladen, nach dieser Erfahrung nicht ganz realistisch zu sein scheint.

Insofern könnte die Argumentation gegen die Reichweitenangst tatsächlich ein gutes Mittel sein, um das Netz zu schonen. Die Rolle des Aufklärers sieht Konermann allerdings nicht beim Netzbetreiber, sondern eher bei den Autoherstellern und betont: „Wir sehen uns als Enabler, die die Verkehrswende möglich machen.“
 
Intelligentes Lademanagement glättet Lastspitzen
 
Trotz abnehmender Reichweitenangst und zunehmend entspanntem Laden lassen sich kurzfristige Lastspitzen grundsätzlich nicht ausschließen. Dass ein dynamisches Lademanagement solchen Fällen vorbeugen kann, haben Konermann und seine Mitarbeiter mithilfe einer im EnBW-Konzern entwickelten IT-Lösung in Ostfildern feststellen können und den Ansatz gleich auf das nächste Reallabor, das „E-Mobility-Carré“, übertragen.
 
Das „E-Mobility-Carré“: die Wohnanlage „Pura Vida“ in Tamm
Quelle: NetzeBW

Dahinter verbirgt sich im Grunde die Elektrifizierung einer Tiefgarage. Ausgangspunkt war die Frage, wie das Stromnetz von Ladevorgängen in Mehrfamilienhäusern beansprucht wird. Auch in diesem Reallabor in der Nähe von Ludwigsburg waren die Bedingungen laut Konermann ganz real, sogar für den Netzbetreiber selbst, der im Vorfeld die Zustimmung von 63 Eigentümern einholen musste, um 58 Stellplätze mit Ladepunkten auszustatten.

Das Ergebnis war, wie schon in der Allee, für alle Beteiligten beruhigend. Zu keinem Zeitpunkt hätten mehr als 13 Ladevorgänge gleichzeitig stattgefunden. Die Gleichzeitigkeit habe also maximal bei 22 % gelegen, heißt es in einer Mitteilung. In dem Projekt, das im April 2021 abgeschlossen wurde, habe das dynamische Lademanagement für eine optimale Ausnutzung der Anschlussleistung gesorgt und eine Überlastung verhindert − ohne Komforteinbußen für die Bewohner.

Und einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn konnten die Netzspezialisten für sich verbuchen: Ein dynamisches Lastmanagement kann einen zeitlichen Spielraum eröffnen, um gegebenenfalls eine wirklich effiziente und nachhaltige Netzverstärkung zu planen und umzusetzen.
 
Feldtest in der Tiefgarage: 58 Stellplätze wurden mit Ladepunkten ausgestattet
Quelle: NetzeBW

Den Feldtest in der „E-Mobility-Chaussee“ hat der Netzbetreiber im vergangenen Juli abgeschlossen. Knapp eineinhalb Jahre davor, im Januar 2020, hatten sieben Teilnehmer ihre Verbrenner gegen die Modelle Renault Zoe mit einer Ladeleistung von 22 kW und Nissan Leaf mit einer einphasigen Ladeleistung von 4,6 kW getauscht. Ein schon im Straßenzug vorhandenes Fahrzeug wurde kurzerhand miteinbezogen. Letztlich kamen in der Straße mit 60 Wohneinheiten und 42 Hausanschlüssen zu den 13 Wärmestromanlagen und drei PV-Anlagen noch acht Wallboxen hinzu, an denen mit maximal 22 kW geladen werden konnte.
 
22-kW-Ladeleistung im Alltag kaum erforderlich
 
Allerdings ist eine so hohe Ladeleistung im Alltag selten erforderlich. „Denn selbst mit elf Kilowatt bekommt man eine Batterie mit 85 Kilowattstunden von ‚ganz leer‘ auf ‚ganz voll‘ in acht Stunden“, sagt Konermann und fügt hinzu, dass eine Antriebsbatterie wohl nur in den seltensten Fällen ganz leer sei und nicht immer ganz vollgeladen werden müsse. Eine 11-kW-Wallbox sei außerdem preiswerter, einfacher zu installieren und bedürfe keiner Genehmigung durch den Netzbetreiber, sondern müsse lediglich angemeldet werden.

Pro Jahr und Fahrzeug betrugen die Fahrleistungen im Schnitt 12.000 bis 15.000 Kilometer. Keine der Fahrerinnen und keiner der Fahrer habe während der Projektlaufzeit über Komforteinbußen geklagt und nur die Hälfte von ihnen habe überhaupt bemerkt, dass die Ladeleistung zeitweise gedrosselt worden war. Denn auch in der „Chaussee“ in Kusterdingen, etwa 40 Kilometer südlich von Stuttgart, hatte ein dynamisches Lademanagement für die Glättung von Lastspitzen gesorgt.

Darüber hinaus kamen ein Batteriespeicher als Puffer und ein sogenannter Strangregler, der punktuell die Spannung im Netz anheben kann, zum Einsatz.
Die größte Flexibilität bietet nach Einschätzung der Netzspezialisten allerdings das intelligente Lademanagement. Überhaupt ist nach Konermanns Einschätzung der Ladevorgang künftig der Ansatzpunkt, der den größten Hebel im Niederspannungsnetz bietet.

Die viel zitierte Waschmaschine oder der Trockner hätten im Vergleich zum E-Auto eine fast vernachlässigbare Bezugsleistung, sodass selbst eine Verlagerung der Haushaltsaufgaben in Schwachlastzeiten nur wenig Entspannung für das Netz verspreche. Und für die Haushaltsmitglieder sei es meist alles andere als entspannend, die Geräte zu unchristlichen Zeiten in den Stand-by-Zustand zu bringen. „Selbst wenn es einen Bonus von fünf Cent pro Kilowattstunde gibt, springen am Ende des Monats nicht viel mehr als drei Kugeln Eis heraus“, sagt Konermann und hält diese Aussicht für keinen besonders guten Anreiz.

Angesichts der Strommengen aus der Wallbox seien bei gleichem Betrag dagegen ganz andere Genüsse möglich. Darüber hinaus müsse man als Vorbereitung für das intelligente Laden lediglich den Stecker einstecken.
 
Ziel: 100 % Wasserstoff im Erdgasnetz
 
Trotz vielversprechender Aussichten für die Integration der erneuerbaren Energien und der E-Mobilität ins Verteilnetz wird die Klimawende erst vollzogen sein, wenn auch die Wärmewende gelungen ist. Mit einem Wasserstoff-Reallabor wollen Konermann und seine Mitarbeiter den Weg dahin ebnen.

Die „Wasserstoff-Insel Öhringen“ ist ein Projekt, bei dem bis zu 30 % grüner Wasserstoff ins Erdgasnetz eingespeist werden. Mithilfe eines Elektrolyseurs vor Ort und regenerativem Strom von umliegenden Windrädern wird der Wasserstoff erzeugt. Mitte Dezember 2021 wurde die Mischgasversorgung gestartet.
„Die Beimischung von Wasserstoff in unseren Erdgasnetzen ist der erste Schritt. Hiermit zeigen wir, dass es technisch funktioniert“, sagt Konermann und fügt gleich den Ausblick hinzu: „In Zukunft wird in unseren Gasnetzen dann 100 Prozent Wasserstoff fließen.“

Doch schon die 30-prozentige Beimischung ist dem Netze-BW-Chef zufolge in Deutschland einmalig. Bisher gebe es allenfalls Versuche mit einem Anteil von 20 %. „Und wir denken die Geschichte zu Ende“, betont er. Schließlich sei das Ziel, auch im Wärmesektor CO2-Emissionen vollständig zu vermeiden. „Das wird uns nur durch die Nutzung von grünem Wasserstoff gelingen“, ist er sich sicher.

Gleichzeitig gibt er sich nicht der Illusion hin, dass der gesamte Bedarf durch inländische Produktion gedeckt werden könnte. Angesichts eines gasförmigen Primärenergieverbrauchs von rund 900 Mrd. kWh hält er deshalb Wasserstoffimporte für unverzichtbar. Zur Einordnung: Der jährliche deutsche Strombedarf beträgt etwa 500 Mrd. kWh.

Das Hauptziel des Projekts sei auch nicht die Wasserstofferzeugung, sondern der Nachweis, „dass in der bestehenden Gasinfrastruktur Erdgas-Wasserstoff-Gemische schon heute genutzt werden können“.
 

Dienstag, 15.02.2022, 09:32 Uhr
Fritz Wilhelm
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungausgabe - Zeigen, was möglich ist
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitungausgabe
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Reallabore helfen, die künftige Welt besser zu verstehen und sich darauf vorzubereiten. Netze BW hat eine ganze Reihe davon aufgesetzt, zuletzt auch eines mit Wasserstoff.
E-Mobility-Allee, -Carré und -Chaussee − das sind die Namen von drei Reallaboren, mit denen Netze BW die Auswirkungen des Hochlaufs der Elektromobilität auf die Stromverteilnetze untersucht hat. Denn nicht nur die Energiewende findet im Niederspannungsnetz statt, sondern auch die urbane Verkehrswende.

Wer über das Grundwort „Labor“ stolpert, dem hält Martin Konermann das Bestimmungswort „Real“ entgegen. „Wir haben wirklich reale Bedingungen geschaffen“, betont der Geschäftsführer Technik des regionalen Netzbetreibers mit Sitz in Stuttgart. Der Testcharakter lasse sich zwar an der kostenlosen Bereitstellung von E-Autos, Ladeinfrastruktur und Ladestrom festmachen. Die Stromversorgung und Netzgegebenheiten bildeten jedoch ebenso einen realen Rahmen für die Untersuchung wie die Lebensumstände und Präferenzen der Teilnehmer.

In der „E-Mobility-Allee“, Synonym für einen Straßenzug in Ostfildern südöstlich der baden-württembergischen Landeshauptstadt, nahmen zehn Haushalte an dem eineinhalb Jahre dauernden Test teil. Unter ihnen Familien mit Kindern und Rentner, Vielfahrer und Menschen, die nur gelegentlich ein Auto nutzen. „Ein typisches Wohngebiet mit Eigenheimen, wie es häufig in Ballungsräumen vorkommt“, heißt es in einer Mitteilung des Netzbetreibers.
 
Martin Konermann: „Mit dem Nachlassen der Reichweitenangst verringerte sich die Gleichzeitigkeit der Ladevorgänge“
 
„Zu Anfang haben alle täglich geladen“, blickt Konermann auf das Projekt zurück, das im Herbst 2019 abgeschlossen wurde. Im Laufe der Zeit habe man jedoch einen „Einschwingvorgang“ beobachten können. „Mit dem Nachlassen der Reichweitenangst verringerte sich die Gleichzeitigkeit der Ladevorgänge“, so der Netze-BW-Geschäftsführer. Am Ende hätten manche Haushalte nur noch einmal pro Woche geladen, weil sie ein Gefühl dafür bekommen hätten, welcher Ladestand für ihren Bewegungsradius ausreicht. Aufgrund des unterschiedlichen Nutzungsverhaltens und der unterschiedlichen Fahrzeugtypen hätten nie mehr als fünf Fahrzeuge gleichzeitig geladen – und das auch nur in ganz seltenen Fällen.

Rund 70 % des Betrachtungszeitraums seien ganz ohne Ladevorgänge verlaufen. Projektleiterin Selma Lossau folgert daraus, dass die häufig geäußerte Befürchtung, alle E-Autos würden in der Feierabendzeit immer gleichzeitig geladen, nach dieser Erfahrung nicht ganz realistisch zu sein scheint.

Insofern könnte die Argumentation gegen die Reichweitenangst tatsächlich ein gutes Mittel sein, um das Netz zu schonen. Die Rolle des Aufklärers sieht Konermann allerdings nicht beim Netzbetreiber, sondern eher bei den Autoherstellern und betont: „Wir sehen uns als Enabler, die die Verkehrswende möglich machen.“
 
Intelligentes Lademanagement glättet Lastspitzen
 
Trotz abnehmender Reichweitenangst und zunehmend entspanntem Laden lassen sich kurzfristige Lastspitzen grundsätzlich nicht ausschließen. Dass ein dynamisches Lademanagement solchen Fällen vorbeugen kann, haben Konermann und seine Mitarbeiter mithilfe einer im EnBW-Konzern entwickelten IT-Lösung in Ostfildern feststellen können und den Ansatz gleich auf das nächste Reallabor, das „E-Mobility-Carré“, übertragen.
 
Das „E-Mobility-Carré“: die Wohnanlage „Pura Vida“ in Tamm
Quelle: NetzeBW

Dahinter verbirgt sich im Grunde die Elektrifizierung einer Tiefgarage. Ausgangspunkt war die Frage, wie das Stromnetz von Ladevorgängen in Mehrfamilienhäusern beansprucht wird. Auch in diesem Reallabor in der Nähe von Ludwigsburg waren die Bedingungen laut Konermann ganz real, sogar für den Netzbetreiber selbst, der im Vorfeld die Zustimmung von 63 Eigentümern einholen musste, um 58 Stellplätze mit Ladepunkten auszustatten.

Das Ergebnis war, wie schon in der Allee, für alle Beteiligten beruhigend. Zu keinem Zeitpunkt hätten mehr als 13 Ladevorgänge gleichzeitig stattgefunden. Die Gleichzeitigkeit habe also maximal bei 22 % gelegen, heißt es in einer Mitteilung. In dem Projekt, das im April 2021 abgeschlossen wurde, habe das dynamische Lademanagement für eine optimale Ausnutzung der Anschlussleistung gesorgt und eine Überlastung verhindert − ohne Komforteinbußen für die Bewohner.

Und einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn konnten die Netzspezialisten für sich verbuchen: Ein dynamisches Lastmanagement kann einen zeitlichen Spielraum eröffnen, um gegebenenfalls eine wirklich effiziente und nachhaltige Netzverstärkung zu planen und umzusetzen.
 
Feldtest in der Tiefgarage: 58 Stellplätze wurden mit Ladepunkten ausgestattet
Quelle: NetzeBW

Den Feldtest in der „E-Mobility-Chaussee“ hat der Netzbetreiber im vergangenen Juli abgeschlossen. Knapp eineinhalb Jahre davor, im Januar 2020, hatten sieben Teilnehmer ihre Verbrenner gegen die Modelle Renault Zoe mit einer Ladeleistung von 22 kW und Nissan Leaf mit einer einphasigen Ladeleistung von 4,6 kW getauscht. Ein schon im Straßenzug vorhandenes Fahrzeug wurde kurzerhand miteinbezogen. Letztlich kamen in der Straße mit 60 Wohneinheiten und 42 Hausanschlüssen zu den 13 Wärmestromanlagen und drei PV-Anlagen noch acht Wallboxen hinzu, an denen mit maximal 22 kW geladen werden konnte.
 
22-kW-Ladeleistung im Alltag kaum erforderlich
 
Allerdings ist eine so hohe Ladeleistung im Alltag selten erforderlich. „Denn selbst mit elf Kilowatt bekommt man eine Batterie mit 85 Kilowattstunden von ‚ganz leer‘ auf ‚ganz voll‘ in acht Stunden“, sagt Konermann und fügt hinzu, dass eine Antriebsbatterie wohl nur in den seltensten Fällen ganz leer sei und nicht immer ganz vollgeladen werden müsse. Eine 11-kW-Wallbox sei außerdem preiswerter, einfacher zu installieren und bedürfe keiner Genehmigung durch den Netzbetreiber, sondern müsse lediglich angemeldet werden.

Pro Jahr und Fahrzeug betrugen die Fahrleistungen im Schnitt 12.000 bis 15.000 Kilometer. Keine der Fahrerinnen und keiner der Fahrer habe während der Projektlaufzeit über Komforteinbußen geklagt und nur die Hälfte von ihnen habe überhaupt bemerkt, dass die Ladeleistung zeitweise gedrosselt worden war. Denn auch in der „Chaussee“ in Kusterdingen, etwa 40 Kilometer südlich von Stuttgart, hatte ein dynamisches Lademanagement für die Glättung von Lastspitzen gesorgt.

Darüber hinaus kamen ein Batteriespeicher als Puffer und ein sogenannter Strangregler, der punktuell die Spannung im Netz anheben kann, zum Einsatz.
Die größte Flexibilität bietet nach Einschätzung der Netzspezialisten allerdings das intelligente Lademanagement. Überhaupt ist nach Konermanns Einschätzung der Ladevorgang künftig der Ansatzpunkt, der den größten Hebel im Niederspannungsnetz bietet.

Die viel zitierte Waschmaschine oder der Trockner hätten im Vergleich zum E-Auto eine fast vernachlässigbare Bezugsleistung, sodass selbst eine Verlagerung der Haushaltsaufgaben in Schwachlastzeiten nur wenig Entspannung für das Netz verspreche. Und für die Haushaltsmitglieder sei es meist alles andere als entspannend, die Geräte zu unchristlichen Zeiten in den Stand-by-Zustand zu bringen. „Selbst wenn es einen Bonus von fünf Cent pro Kilowattstunde gibt, springen am Ende des Monats nicht viel mehr als drei Kugeln Eis heraus“, sagt Konermann und hält diese Aussicht für keinen besonders guten Anreiz.

Angesichts der Strommengen aus der Wallbox seien bei gleichem Betrag dagegen ganz andere Genüsse möglich. Darüber hinaus müsse man als Vorbereitung für das intelligente Laden lediglich den Stecker einstecken.
 
Ziel: 100 % Wasserstoff im Erdgasnetz
 
Trotz vielversprechender Aussichten für die Integration der erneuerbaren Energien und der E-Mobilität ins Verteilnetz wird die Klimawende erst vollzogen sein, wenn auch die Wärmewende gelungen ist. Mit einem Wasserstoff-Reallabor wollen Konermann und seine Mitarbeiter den Weg dahin ebnen.

Die „Wasserstoff-Insel Öhringen“ ist ein Projekt, bei dem bis zu 30 % grüner Wasserstoff ins Erdgasnetz eingespeist werden. Mithilfe eines Elektrolyseurs vor Ort und regenerativem Strom von umliegenden Windrädern wird der Wasserstoff erzeugt. Mitte Dezember 2021 wurde die Mischgasversorgung gestartet.
„Die Beimischung von Wasserstoff in unseren Erdgasnetzen ist der erste Schritt. Hiermit zeigen wir, dass es technisch funktioniert“, sagt Konermann und fügt gleich den Ausblick hinzu: „In Zukunft wird in unseren Gasnetzen dann 100 Prozent Wasserstoff fließen.“

Doch schon die 30-prozentige Beimischung ist dem Netze-BW-Chef zufolge in Deutschland einmalig. Bisher gebe es allenfalls Versuche mit einem Anteil von 20 %. „Und wir denken die Geschichte zu Ende“, betont er. Schließlich sei das Ziel, auch im Wärmesektor CO2-Emissionen vollständig zu vermeiden. „Das wird uns nur durch die Nutzung von grünem Wasserstoff gelingen“, ist er sich sicher.

Gleichzeitig gibt er sich nicht der Illusion hin, dass der gesamte Bedarf durch inländische Produktion gedeckt werden könnte. Angesichts eines gasförmigen Primärenergieverbrauchs von rund 900 Mrd. kWh hält er deshalb Wasserstoffimporte für unverzichtbar. Zur Einordnung: Der jährliche deutsche Strombedarf beträgt etwa 500 Mrd. kWh.

Das Hauptziel des Projekts sei auch nicht die Wasserstofferzeugung, sondern der Nachweis, „dass in der bestehenden Gasinfrastruktur Erdgas-Wasserstoff-Gemische schon heute genutzt werden können“.
 

Dienstag, 15.02.2022, 09:32 Uhr
Fritz Wilhelm

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