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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - Wo bleibt die Solarthermie?
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Ausgabe

Wo bleibt die Solarthermie?

Die Solarthermie führt bundesweit eher ein Schattendasein − zu Unrecht, findet Rolf Meißner*. Der Experte zeigt auf, welches Potenzial in dieser erneuerbaren Wärmetechnologie steckt.
In Deutschland wird immer noch größtenteils mit fossilen Rohstoffen wie Kohle, Heizöl und Gas geheizt. Die Solarthermie indes galt hierzulande in den vergangenen Jahren stets als teure Ökowärme. Dänemark zeigt jedoch, dass Solarthermieanlagen auch große Teile des Bedarfs von Fernwärmenetzen decken können, wozu große Erdbeckenspeicher erfolgreich entwickelt und erprobt wurden.

Irrtümlich wird die Solarthermie oft als Niedertemperaturtechnik wahrgenommen. Mit Vakuumkollektoren eignet sie sich in solider Bauweise und mit gutem Wirkungsgrad jedoch auch für Anwendungen bis rund 120 Grad Celsius. Bringt man alle Praxiserfahrungen zusammen, dann wird offensichtlich, dass mit Solarthermie in allen Bereichen kommunalen Lebens grundsätzlich fast der gesamte Warmbrauchwasserbedarf und über die Hälfte des Wärmebedarfs gedeckt werden könnten. Dabei ist es relativ einfach, ein Passiv- oder Niedrigenergiehaus zu über 50 % mit Solarwärme zu versorgen.

Das gilt ebenso für moderne Fernwärmenetze mit geringen Verlusten und hoher Anschlussdichte, die aber leider noch Ausnahmen sind. Mit der Größe der Anlagen wächst deren Wirtschaftlichkeit und der mögliche Abstand zum Ort des Verbrauchs. Deshalb ist Solarthermie prädestiniert für Fernwärmenetze − am besten dezentral von außerhalb des Versorgungsgebietes, wo sich Flächen für Kollektoren und Großspeicher besser eignen als innerstädtisch oder unmittelbar neben Kraftwerken.

Städte könnten so ihren Wärmebedarf sogar zu 100 % decken, wenn sich dafür nur cirka 5 % der Versorgungsfläche finden ließen. Bis zur Fridays-for-Future-Bewegung und dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29. April 2021 waren das Utopien ohne gesellschaftliche Konsensfähigkeit. Doch angesichts wachsender Versorgungsängste und explodierender Energiepreise scheint es an der Zeit, auf das Potenzial der Solarthermie einmal deutlicher hinzuweisen. Denn es geht nun nicht mehr darum, CO2 durch Zertifikatehandel nur virtuell oder durch Ignorierung der Nichtgleichzeitigkeit des Bedarfs und der Verfügbarkeit von Sonnenenergie nur bilanziell, sondern ganz ehrlich und nachhaltig zu vermeiden.

Jeder Quadratmeter Kollektorfläche spart jährlich etwa 50 Kubikmeter Erdgas oder bis zu 50 Liter Öl, hat seine eigene graue Energie in knapp einem Jahr amortisiert und spart dann bis zu 30 Jahre lang CO2 ohne nennenswerte Betriebsmittel und Hilfsenergie. Für alle Fernwärmenetze Deutschlands mit bis 2040 vielleicht einmal 200 Mrd. kWh wären 2,7 Kubikkilometer Speicher und 700 Quadratkilometer Grundfläche notwendig, 0,18 % der Fläche Deutschlands und nur 2,8 % der bisherigen Biomasseanbaufläche laut Zahlen des Bundesverbands Agrarhandel.

Gegenüber dieser landwirtschaftlichen Nutzung würden Freilandsolaranlagen eine Vergrößerung der Biodiversität und damit eine ökologische Aufwertung bedeuten, denn sie können sich die Fläche mit Insekten, Kleintieren und einer Magerwiese teilen und brauchen weder Dünger noch Insektizide.

Flächen- und Raumbedarf im Technologievergleich
 Energie in TWhFlächenbedarf in km2Raumbedarf in km3spezifische Raum- und FlächennutzungCO2-Bilanz Mio. t pro Jahr
Vollversorgung aller FW-netze mit Solarthermie 2040200700 km22,7 km35 MWh/m3 (100 Jahre)
300 kWh/m2
-60
Biomasseanbau 202180 − 12525.000 km2< 5 kWh/m2-40
Kohle und Abraum 20164201,02 km30,41 MWh/m3+25
 
Welche Alternativen gibt es? Wärmeerzeugung mit Wärmepumpen aus Photovoltaik- oder Windstrom hat grundsätzlich einen noch größeren Flächenbedarf, erfordert zusätzlich ein unvorstellbar riesiges und robustes überregionales Stromnetz und lässt die Frage der Wärmeversorgung im Winter offen. Aber vor allem sind es der gesamte Verkehr, große Teile der Industrie und die Digitalisierung, die einen so immensen Mehrbedarf an Elektroenergie benötigen werden, dass für Heizen mit Strom, ob nun mit oder ohne Wärmepumpe, wenig Spielraum bleibt. Solarthermie hat den denkbar kleinsten CO2-Fußabdruck, benötigt keine kostbaren Metalle oder seltene Erden, ist frei von Risiken für Mensch und Umwelt und hinterlässt nach 30 Jahren Betriebszeit nur wenig und leicht recycelbares Material. Keine Energie kann mehr CO2 vermeiden als direkt genutzte Sonnenwärme. Solarthermie ist eine Einmal-Investition und verbraucht vernachlässigbar wenig Betriebsstrom. So steht ihr Wärmepreis auf Jahrzehnte fest − ideal für inflationäre Zeiten wie heute.

Dezentrale, robuste Wärmeversorgung via Solarthermie

Trotz der Verteilung über Fernwärmenetze wird Solarwärme dezentral gewonnen und mehr oder weniger an Ort und Stelle wieder verbraucht. Damit bleiben auch alle Ressourcen, Gewinne und Aufwände sowie damit verbundene Arbeitsplätze am Standort − unabhängig von internationalen Unruhen, Spekulationen, Währungsschwankungen, Rohstoffpreisen oder Lieferkettenproblemen. Solarthermiekollektoren werden für den deutschen Markt überwiegend noch hierzulande produziert und erwirtschaften auch dort ihren Mehrwert.

Einfamilienhaus mit 160 m2 Wohnfläche
Q_WW: 5 MWh/aU_Gebäude [W/m2K]Q_Heizen [kWh/m2a]Q_WW+Heiz. [MWh/a]
Passivhaus0,13157,4
Niedrigenergiehaus0,353110
Standardhaus0,58118

Bereits mit 10 m2 Kollektorfläche und 1 m3 Kombispeicher erreicht das Passivhaus 60 % Solar-DG, das Standardhaus immerhin über 25 %. Hier erzielen größere Speicher keinen Mehrertrag, größere Kollektorflächen jedoch sehr wohl. Der solare DB wächst zunächst viel schneller mit der Kollektorfläche als mit der Speichergröße. Mit 45 m2 wird ein Solar-DG von 50 % auch beim Bestands- oder Standardhaus erreicht – das Passivhaus nähert sich dann schon 90 %.
 
Beispiel: Einfamilienhaus mit 160 m2 Wohnfläche.
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Quelle: Rolf Meißner / Ritter XL Solar

Das Wärmebedarfsprofil ist vom Einfamilienhaus bis zur Großstadt ähnlich, ebenso das Solarangebot. Leider verlaufen Bedarf und Angebot zeitlich versetzt. Die Sonne scheint tagsüber, die meiste Wärme wird morgens und abends gebraucht. Wenn Heizwärme benötigt wird, scheint die Sonne am wenigsten. Ganz ohne Speicher kann ein Einfamilienhaus sie kaum nutzen. Kurzzeitspeicher können den solaren Ertrag unabhängig von der Anlagengröße steigern. Wenn wie beim Passivhaus anteilig nur wenig Heizwärme gebraucht wird, helfen Kurzzeitspeicher viel wirksamer als bei einem Altbau oder einem Fernwärmenetz mit unsanierten Altbauten. Für solche Anlagen gibt es inzwischen seit Jahrzehnten Beispiele. Ihre Besitzer schauten als Pioniere wenig auf den Wärmepreis, der sich heute plötzlich rentiert, denn er ist für lange im Voraus bezahlt.

Wählt man am anderen Ende der Skala das Fernwärmenetz einer Großstadt mit einem Bedarf von 10 Mrd. kWh, dann wird Speichern so günstig, dass Stagnation − so heißt das Abschalten der Solaranlage − Verschwendung wäre. Der Wärmepreis ist dann so niedrig, dass es vernünftig erscheint, eine solare Vollversorgung anzustreben. Bei zwei Quadratmeter/MWh ergibt sich ein Wärmepreis von unter 26 Euro/MWh. Mit einer Investition von 6,4 Mrd. Euro hätte diese Großstadt ihre Fernwärme für die nächsten 25 Jahre im Voraus bezahlt, 83 % davon für die Kollektoranlage und 17 % für den Erdbeckenspeicher. Dieser hätte bei 160 Meter Tiefe einen Durchmesser von einem Kilometer. Das klingt zwar gewaltig, aber Kollektorfläche und Speicher zusammen benötigen dann trotzdem mit rund 35 Quadratkilometer zum Beispiel für Berlin mit 9,6 Mrd. kWh Fernwärme und 891 Quadratkilometer Fläche weniger als 4 % der Versorgungsfläche und könnten sich außerhalb der Stadt verteilen.
 
Skalierung spezifischer Preise ohne Grundstückskosten, auf die Berücksichtigung von Fördereffekten wird hier und im Weiteren verzichtet.
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Quelle: Rolf Meißner / Ritter XL Solar
 
Skalierung spezifischer Preise ohne Grundstückskosten, auf die Berücksichtigung von Fördereffekten wird hier und im Weiteren verzichtet
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Die thermische Schichtung eines Saisonalspeichers hält nicht über Wochen und Monate. Wenn sich der Speicher langsam vermischt, bleibt zwar die Wärme erhalten, kann aber für das Fernwärmenetz nicht mehr genutzt werden. Wärmepumpen müssen die obere Speichertemperatur auf mindestens 90 Grad Celsius regenerieren, was bei COP-Werten von über 5 geschieht und nur wenig Hilfsenergie erfordert. Die notwendige Wärmepumpenleistung beträgt dazu maximal 3 % des Spitzenwärmebedarfs. Die solare Speicherladung erfolgt bis auf wenige Ausnahmen grundsätzlich schichtend von oben mit rund 95 bis 98 Grad Celsius. Das können nur Vakuumkollektoren.

Könnte auch ein kleines Dorf solarthermisch autark werden? Technisch ist das möglich, wirtschaftlich noch nicht. Bei einem Fernwärmenetz mit 5 GWh im Jahr bedürfte es 85.000 Kubikmeter Speicher und 1,4 Hektar Kollektorfläche. Der Speicher wäre ein druckloser Stahlspeicher, Erdbeckenspeicher wären hierfür noch „zu klein“.

Dazu notwendige drei Hektar Land wären wieder wenig gegenüber der versorgten Fläche. Der Wärmepreis wäre jedoch fast achtmal so hoch wie bei der Großstadt. Trotzdem wäre es sinnvoll, rund 24 Mio. Euro in ein Projekt dieser Größe zu investieren, um das Konzept einmal praktisch zu beweisen. Im Nebeneffekt wäre im günstigsten Fall eine Gemeinde mit etwa 500 Haushalten für die nächsten 25 Jahre zum Festpreis von etwa 190 Euro/MWh mit Wärme versorgt, was bei der aktuellen Inflation von 7,5 % sogar günstig ist, denn es käme heute einem Wärmepreis von 70 Euro/MWh gleich.

Fazit:
 
Solarwärmepreis für verschiedene Anlagengrößen und Solardeckung.
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Quelle: Rolf Meißner / Ritter XL Solar
  • Große Versorgungseinheiten könnten solarautark sein.
  • Sehr große Anlagen wären dabei sogar sehr wirtschaftlich.
  • Der spezifische Aufwand sinkt mit der Größe. Ab ca. 20 % Solaranteil treibt die Speicherung den Preis nach oben.
  • Ab 50 % Solardeckung steigt der Systempreis nicht mehr.
 
Speicher für verschiedene Anlagen und Solar-DG.
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Quelle: Rolf Meißner / Ritter XL Solar
  • Bis 5 % brauchen FW-Netze keinen Speicher.
  • Bis 20 % trägt der Speicher wenig zum Wärmepreis bei.
  • Von 20 bis 50 % wächst der Speicherbedarf schnell.
  • Über 50 % kompensieren Skalierung und sinkende Wärmeverluste die Kosten für den weiterwachsenden Speicherbedarf.
 
Stagnation, Anlagengrößen und Solar-DG.
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Quelle: Rolf Meißner / Ritter XL Solar
  • Bei hohem Solar-DG gibt es kaum Stagnation.
  • Kleine FW-Anlagen sind bis 50 % wirtschaftlicher, wenn der Speicher unter- und die Kollektorfläche überdimensioniert wird, so dass Stagnation ganz sicher auftritt.
  • Je kleiner eine Anlage ist, umso mehr Stagnationen sind wirtschaftlich.
  • Kleine Solaranlagen (EFH, MFH, Quartiere) erfordern immer Stagnationen.
*Rolf Meißner, Leiter Forschung & Entwicklung bei der Ritter Energie- und Umwelttechnik GmbH & Co. KG, Dettenhausen

Freitag, 16.09.2022, 09:20 Uhr
Redaktion
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - Wo bleibt die Solarthermie?
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Ausgabe
Wo bleibt die Solarthermie?
Die Solarthermie führt bundesweit eher ein Schattendasein − zu Unrecht, findet Rolf Meißner*. Der Experte zeigt auf, welches Potenzial in dieser erneuerbaren Wärmetechnologie steckt.
In Deutschland wird immer noch größtenteils mit fossilen Rohstoffen wie Kohle, Heizöl und Gas geheizt. Die Solarthermie indes galt hierzulande in den vergangenen Jahren stets als teure Ökowärme. Dänemark zeigt jedoch, dass Solarthermieanlagen auch große Teile des Bedarfs von Fernwärmenetzen decken können, wozu große Erdbeckenspeicher erfolgreich entwickelt und erprobt wurden.

Irrtümlich wird die Solarthermie oft als Niedertemperaturtechnik wahrgenommen. Mit Vakuumkollektoren eignet sie sich in solider Bauweise und mit gutem Wirkungsgrad jedoch auch für Anwendungen bis rund 120 Grad Celsius. Bringt man alle Praxiserfahrungen zusammen, dann wird offensichtlich, dass mit Solarthermie in allen Bereichen kommunalen Lebens grundsätzlich fast der gesamte Warmbrauchwasserbedarf und über die Hälfte des Wärmebedarfs gedeckt werden könnten. Dabei ist es relativ einfach, ein Passiv- oder Niedrigenergiehaus zu über 50 % mit Solarwärme zu versorgen.

Das gilt ebenso für moderne Fernwärmenetze mit geringen Verlusten und hoher Anschlussdichte, die aber leider noch Ausnahmen sind. Mit der Größe der Anlagen wächst deren Wirtschaftlichkeit und der mögliche Abstand zum Ort des Verbrauchs. Deshalb ist Solarthermie prädestiniert für Fernwärmenetze − am besten dezentral von außerhalb des Versorgungsgebietes, wo sich Flächen für Kollektoren und Großspeicher besser eignen als innerstädtisch oder unmittelbar neben Kraftwerken.

Städte könnten so ihren Wärmebedarf sogar zu 100 % decken, wenn sich dafür nur cirka 5 % der Versorgungsfläche finden ließen. Bis zur Fridays-for-Future-Bewegung und dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29. April 2021 waren das Utopien ohne gesellschaftliche Konsensfähigkeit. Doch angesichts wachsender Versorgungsängste und explodierender Energiepreise scheint es an der Zeit, auf das Potenzial der Solarthermie einmal deutlicher hinzuweisen. Denn es geht nun nicht mehr darum, CO2 durch Zertifikatehandel nur virtuell oder durch Ignorierung der Nichtgleichzeitigkeit des Bedarfs und der Verfügbarkeit von Sonnenenergie nur bilanziell, sondern ganz ehrlich und nachhaltig zu vermeiden.

Jeder Quadratmeter Kollektorfläche spart jährlich etwa 50 Kubikmeter Erdgas oder bis zu 50 Liter Öl, hat seine eigene graue Energie in knapp einem Jahr amortisiert und spart dann bis zu 30 Jahre lang CO2 ohne nennenswerte Betriebsmittel und Hilfsenergie. Für alle Fernwärmenetze Deutschlands mit bis 2040 vielleicht einmal 200 Mrd. kWh wären 2,7 Kubikkilometer Speicher und 700 Quadratkilometer Grundfläche notwendig, 0,18 % der Fläche Deutschlands und nur 2,8 % der bisherigen Biomasseanbaufläche laut Zahlen des Bundesverbands Agrarhandel.

Gegenüber dieser landwirtschaftlichen Nutzung würden Freilandsolaranlagen eine Vergrößerung der Biodiversität und damit eine ökologische Aufwertung bedeuten, denn sie können sich die Fläche mit Insekten, Kleintieren und einer Magerwiese teilen und brauchen weder Dünger noch Insektizide.

Flächen- und Raumbedarf im Technologievergleich
 Energie in TWhFlächenbedarf in km2Raumbedarf in km3spezifische Raum- und FlächennutzungCO2-Bilanz Mio. t pro Jahr
Vollversorgung aller FW-netze mit Solarthermie 2040200700 km22,7 km35 MWh/m3 (100 Jahre)
300 kWh/m2
-60
Biomasseanbau 202180 − 12525.000 km2< 5 kWh/m2-40
Kohle und Abraum 20164201,02 km30,41 MWh/m3+25
 
Welche Alternativen gibt es? Wärmeerzeugung mit Wärmepumpen aus Photovoltaik- oder Windstrom hat grundsätzlich einen noch größeren Flächenbedarf, erfordert zusätzlich ein unvorstellbar riesiges und robustes überregionales Stromnetz und lässt die Frage der Wärmeversorgung im Winter offen. Aber vor allem sind es der gesamte Verkehr, große Teile der Industrie und die Digitalisierung, die einen so immensen Mehrbedarf an Elektroenergie benötigen werden, dass für Heizen mit Strom, ob nun mit oder ohne Wärmepumpe, wenig Spielraum bleibt. Solarthermie hat den denkbar kleinsten CO2-Fußabdruck, benötigt keine kostbaren Metalle oder seltene Erden, ist frei von Risiken für Mensch und Umwelt und hinterlässt nach 30 Jahren Betriebszeit nur wenig und leicht recycelbares Material. Keine Energie kann mehr CO2 vermeiden als direkt genutzte Sonnenwärme. Solarthermie ist eine Einmal-Investition und verbraucht vernachlässigbar wenig Betriebsstrom. So steht ihr Wärmepreis auf Jahrzehnte fest − ideal für inflationäre Zeiten wie heute.

Dezentrale, robuste Wärmeversorgung via Solarthermie

Trotz der Verteilung über Fernwärmenetze wird Solarwärme dezentral gewonnen und mehr oder weniger an Ort und Stelle wieder verbraucht. Damit bleiben auch alle Ressourcen, Gewinne und Aufwände sowie damit verbundene Arbeitsplätze am Standort − unabhängig von internationalen Unruhen, Spekulationen, Währungsschwankungen, Rohstoffpreisen oder Lieferkettenproblemen. Solarthermiekollektoren werden für den deutschen Markt überwiegend noch hierzulande produziert und erwirtschaften auch dort ihren Mehrwert.

Einfamilienhaus mit 160 m2 Wohnfläche
Q_WW: 5 MWh/aU_Gebäude [W/m2K]Q_Heizen [kWh/m2a]Q_WW+Heiz. [MWh/a]
Passivhaus0,13157,4
Niedrigenergiehaus0,353110
Standardhaus0,58118

Bereits mit 10 m2 Kollektorfläche und 1 m3 Kombispeicher erreicht das Passivhaus 60 % Solar-DG, das Standardhaus immerhin über 25 %. Hier erzielen größere Speicher keinen Mehrertrag, größere Kollektorflächen jedoch sehr wohl. Der solare DB wächst zunächst viel schneller mit der Kollektorfläche als mit der Speichergröße. Mit 45 m2 wird ein Solar-DG von 50 % auch beim Bestands- oder Standardhaus erreicht – das Passivhaus nähert sich dann schon 90 %.
 
Beispiel: Einfamilienhaus mit 160 m2 Wohnfläche.
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Quelle: Rolf Meißner / Ritter XL Solar

Das Wärmebedarfsprofil ist vom Einfamilienhaus bis zur Großstadt ähnlich, ebenso das Solarangebot. Leider verlaufen Bedarf und Angebot zeitlich versetzt. Die Sonne scheint tagsüber, die meiste Wärme wird morgens und abends gebraucht. Wenn Heizwärme benötigt wird, scheint die Sonne am wenigsten. Ganz ohne Speicher kann ein Einfamilienhaus sie kaum nutzen. Kurzzeitspeicher können den solaren Ertrag unabhängig von der Anlagengröße steigern. Wenn wie beim Passivhaus anteilig nur wenig Heizwärme gebraucht wird, helfen Kurzzeitspeicher viel wirksamer als bei einem Altbau oder einem Fernwärmenetz mit unsanierten Altbauten. Für solche Anlagen gibt es inzwischen seit Jahrzehnten Beispiele. Ihre Besitzer schauten als Pioniere wenig auf den Wärmepreis, der sich heute plötzlich rentiert, denn er ist für lange im Voraus bezahlt.

Wählt man am anderen Ende der Skala das Fernwärmenetz einer Großstadt mit einem Bedarf von 10 Mrd. kWh, dann wird Speichern so günstig, dass Stagnation − so heißt das Abschalten der Solaranlage − Verschwendung wäre. Der Wärmepreis ist dann so niedrig, dass es vernünftig erscheint, eine solare Vollversorgung anzustreben. Bei zwei Quadratmeter/MWh ergibt sich ein Wärmepreis von unter 26 Euro/MWh. Mit einer Investition von 6,4 Mrd. Euro hätte diese Großstadt ihre Fernwärme für die nächsten 25 Jahre im Voraus bezahlt, 83 % davon für die Kollektoranlage und 17 % für den Erdbeckenspeicher. Dieser hätte bei 160 Meter Tiefe einen Durchmesser von einem Kilometer. Das klingt zwar gewaltig, aber Kollektorfläche und Speicher zusammen benötigen dann trotzdem mit rund 35 Quadratkilometer zum Beispiel für Berlin mit 9,6 Mrd. kWh Fernwärme und 891 Quadratkilometer Fläche weniger als 4 % der Versorgungsfläche und könnten sich außerhalb der Stadt verteilen.
 
Skalierung spezifischer Preise ohne Grundstückskosten, auf die Berücksichtigung von Fördereffekten wird hier und im Weiteren verzichtet.
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Skalierung spezifischer Preise ohne Grundstückskosten, auf die Berücksichtigung von Fördereffekten wird hier und im Weiteren verzichtet
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Die thermische Schichtung eines Saisonalspeichers hält nicht über Wochen und Monate. Wenn sich der Speicher langsam vermischt, bleibt zwar die Wärme erhalten, kann aber für das Fernwärmenetz nicht mehr genutzt werden. Wärmepumpen müssen die obere Speichertemperatur auf mindestens 90 Grad Celsius regenerieren, was bei COP-Werten von über 5 geschieht und nur wenig Hilfsenergie erfordert. Die notwendige Wärmepumpenleistung beträgt dazu maximal 3 % des Spitzenwärmebedarfs. Die solare Speicherladung erfolgt bis auf wenige Ausnahmen grundsätzlich schichtend von oben mit rund 95 bis 98 Grad Celsius. Das können nur Vakuumkollektoren.

Könnte auch ein kleines Dorf solarthermisch autark werden? Technisch ist das möglich, wirtschaftlich noch nicht. Bei einem Fernwärmenetz mit 5 GWh im Jahr bedürfte es 85.000 Kubikmeter Speicher und 1,4 Hektar Kollektorfläche. Der Speicher wäre ein druckloser Stahlspeicher, Erdbeckenspeicher wären hierfür noch „zu klein“.

Dazu notwendige drei Hektar Land wären wieder wenig gegenüber der versorgten Fläche. Der Wärmepreis wäre jedoch fast achtmal so hoch wie bei der Großstadt. Trotzdem wäre es sinnvoll, rund 24 Mio. Euro in ein Projekt dieser Größe zu investieren, um das Konzept einmal praktisch zu beweisen. Im Nebeneffekt wäre im günstigsten Fall eine Gemeinde mit etwa 500 Haushalten für die nächsten 25 Jahre zum Festpreis von etwa 190 Euro/MWh mit Wärme versorgt, was bei der aktuellen Inflation von 7,5 % sogar günstig ist, denn es käme heute einem Wärmepreis von 70 Euro/MWh gleich.

Fazit:
 
Solarwärmepreis für verschiedene Anlagengrößen und Solardeckung.
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Quelle: Rolf Meißner / Ritter XL Solar
  • Große Versorgungseinheiten könnten solarautark sein.
  • Sehr große Anlagen wären dabei sogar sehr wirtschaftlich.
  • Der spezifische Aufwand sinkt mit der Größe. Ab ca. 20 % Solaranteil treibt die Speicherung den Preis nach oben.
  • Ab 50 % Solardeckung steigt der Systempreis nicht mehr.
 
Speicher für verschiedene Anlagen und Solar-DG.
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  • Bis 5 % brauchen FW-Netze keinen Speicher.
  • Bis 20 % trägt der Speicher wenig zum Wärmepreis bei.
  • Von 20 bis 50 % wächst der Speicherbedarf schnell.
  • Über 50 % kompensieren Skalierung und sinkende Wärmeverluste die Kosten für den weiterwachsenden Speicherbedarf.
 
Stagnation, Anlagengrößen und Solar-DG.
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  • Bei hohem Solar-DG gibt es kaum Stagnation.
  • Kleine FW-Anlagen sind bis 50 % wirtschaftlicher, wenn der Speicher unter- und die Kollektorfläche überdimensioniert wird, so dass Stagnation ganz sicher auftritt.
  • Je kleiner eine Anlage ist, umso mehr Stagnationen sind wirtschaftlich.
  • Kleine Solaranlagen (EFH, MFH, Quartiere) erfordern immer Stagnationen.
*Rolf Meißner, Leiter Forschung & Entwicklung bei der Ritter Energie- und Umwelttechnik GmbH & Co. KG, Dettenhausen

Freitag, 16.09.2022, 09:20 Uhr
Redaktion

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