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Energie & Management > Studien - Wirtschaftsweise sehen Rezession wegen der Energiekrise
Quelle: JiSign, Fotolia
Studien

Wirtschaftsweise sehen Rezession wegen der Energiekrise

Die Herbstprognose der Wirtschaftsinstitute sagt schwere Zeiten für das kommende Jahr voraus. Die im Zuge des Ukrainekrieges steigenden Energiepreise führen zu Inflation und Rezession.
Die deutsche Wirtschaft wird durch die stark gestiegenen Gaspreise und folgenden übrigen Energiekosten schwer belastet. So resümierten die führenden Wirtschaftsforscher in ihrer Herbstprognose 2022 am 29. September in Berlin. Die Folge sei ein massiver gesamtwirtschaftlicher Kaufkraftentzug. „Der russische Angriff auf die Ukraine und die daraus resultierende Krise auf den Energiemärkten führen zu einem spürbaren Einbruch der deutschen Wirtschaft“, sagte Klaus Weyerstraß vom Institut für Höhere Studien in Wien.

Daher mussten die „Wirtschaftsweisen“ ihre Prognose für das diesjährige Wirtschaftswachstum von ursprünglich 2,8 % auf 1,4 % reduzieren. Für 2023 erwarten die Institute für das Bruttoinlandsprodukt im Jahresdurchschnitt gar kein Wachstum sondern einen Rückgang um 0,4 %. Erst für das Jahr 2024 hoffen sie auf einen Anstieg um 1,9 %.
 
Die Wirtschaftsweisen bei der Vorstellung der Herbstprognose: v.li.: Klaus Weyerstraß (IfHS Wien), Torsten Schmidt (RWI Essen) und Stefan Kooths (IfW Kiel)
Quelle: BPK

Steigende Inflationsrate auf knapp 9 %

Auch die Inflationsrate dürfte sich in den kommenden Monaten weiter erhöhen. Jahresdurchschnittlich ergibt sich für das Jahr 2023 mit 8,8 % eine Teuerungsrate, die nochmals leicht über dem Wert des laufenden Jahres von 8,4 % liegt. Erst im Jahr 2024 werde die 2 %-Marke allmählich wieder erreicht. Damit könnten die Einkommen nicht Schritt halten, da tarifliche Steigerungen von nur 2,2 % für 2023 vorgesehen sind, sagte Torsten Schmidt, Konjunkturchef des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung.

„Die hohen Energie- und Lebensmittelpreise, die im kommenden Jahr weiter ansteigen dürften, sorgen für deutliche Kaufkraftverluste“, erläuterte er die Gemeinschaftsdiagnose. Sowohl einkommensschwache Haushalte als auch Unternehmen seien deshalb auf weitere Unterstützung der Politik angewiesen. „Bei den Unternehmen ist allerdings darauf zu achten, dass es nicht zu dauerhaften Subventionen kommt“, warnte Schmidt.

Immerhin zeige sich der Arbeitsmarkt stabil. Viele Unternehmen hätten wegen der vorangegangenen Corona-Pandemie und gestörter Lieferketten noch volle Auftragsbücher. „Aufgrund des Personalmangels in vielen Branchen ist trotz der Wirtschaftskrise keine erhöhte Arbeitslosigkeit zu erwarten“, so die Prognose.
 
Energiepreise als Haupttreiber der Inflation - Zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken. Quelle: GD Herbst 2022

Keine Gasmangellage erwartet

Der Grund für die Verschlechterung der konjunkturellen Aussichten sind vor allem die reduzierten Gaslieferungen aus Russland. Mit ihnen ist ein erheblicher Teil des Gasangebots weggefallen und auch das Risiko gestiegen, dass die verbleibenden Liefer- und Speichermengen im Winter nicht ausreichen werden, um die Nachfrage zu decken, heißt es im Gutachten. Wegen der hohen Preise hätten Unternehmen bereits damit begonnen, ihren Gasverbrauch spürbar einzuschränken. Die Institute rechnen für den kommenden Winter bei normalen Witterungsbedingungen mit keiner Gasmangellage.

Mittelfristig dürfte sich die Lage zwar etwas entspannen, dennoch würden die Gaspreise deutlich über Vorkrisenniveau liegen, so die Prognose. „Dies bedeutet für Deutschland einen permanenten Wohlstandsverlust“, schreiben die Wissenschaftler. Die finanziellen Entlastungen der Haushalte seien richtig, schwieriger sei es, für Unternehmen passende Lösungen zu finden. Die neuen Entlastungspakete ersetzten praktisch die auslaufenden Corona-Maßnahmen. Dennoch sei der Wohlstandsverlust für die deutsche Bevölkerung nicht komplett ausgleichbar.

Energieopolitik ohne russiches Gas neu ausrichten

Die Energiepolitik müsse das Angebot an Gas und Strom erhöhen, um die Preise zu senken. Die Wirtschaftsforscher empfehlen daher, auch Kernkraftwerke länger zu betreiben als bisher geplant. „Wir brauchen eine neue energiepolitische Ausrichtung, weil die Brücke des preiswerten russischen Erdgases für die Energiewende weggebrochen ist, forderte Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW) von der Bundesregierung.

Er sagte weiter, die Energiepreise seien die Hauptwelle, aber unterschwellig wirke auch die Finanzpolitik aus der Corona-Pandemie nach, die wegen niedriger Zinsen und verminderter Konsummöglichkeiten zu hohen Spareinlagen geführt habe. „Die Europäische Zentralbank hat zu spät ihre Leitzinsen erhöht“, kritisierte Kooths. „Die Gasumlage ist besser als ihr Ruf und die Gaspreisbremse ist keine gute Lösung“, sagte Kooths weiter. Durch die Umlage wären tatsächlich Verbraucher angereizt worden, Gas zu sparen. Da Gas importiert werden muss, würden staatliche Subventionen nur die Verschuldung erhöhen und zugleich den Sparanreiz torpedieren, erläuterte er seine Kritik.

Die Gemeinschaftsdiagnose wird erarbeitet vom Ifo Institut in München, vom IfW in Kiel, vom IWH in Halle und vom RWI in Essen in Kooperation mit dem Institut für Höhere Studien Wien. Sie wird zweimal im Jahr im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) erstellt.

Die Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2022 steht im Internet bereit.

Donnerstag, 29.09.2022, 14:41 Uhr
Susanne Harmsen
Energie & Management > Studien - Wirtschaftsweise sehen Rezession wegen der Energiekrise
Quelle: JiSign, Fotolia
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Wirtschaftsweise sehen Rezession wegen der Energiekrise
Die Herbstprognose der Wirtschaftsinstitute sagt schwere Zeiten für das kommende Jahr voraus. Die im Zuge des Ukrainekrieges steigenden Energiepreise führen zu Inflation und Rezession.
Die deutsche Wirtschaft wird durch die stark gestiegenen Gaspreise und folgenden übrigen Energiekosten schwer belastet. So resümierten die führenden Wirtschaftsforscher in ihrer Herbstprognose 2022 am 29. September in Berlin. Die Folge sei ein massiver gesamtwirtschaftlicher Kaufkraftentzug. „Der russische Angriff auf die Ukraine und die daraus resultierende Krise auf den Energiemärkten führen zu einem spürbaren Einbruch der deutschen Wirtschaft“, sagte Klaus Weyerstraß vom Institut für Höhere Studien in Wien.

Daher mussten die „Wirtschaftsweisen“ ihre Prognose für das diesjährige Wirtschaftswachstum von ursprünglich 2,8 % auf 1,4 % reduzieren. Für 2023 erwarten die Institute für das Bruttoinlandsprodukt im Jahresdurchschnitt gar kein Wachstum sondern einen Rückgang um 0,4 %. Erst für das Jahr 2024 hoffen sie auf einen Anstieg um 1,9 %.
 
Die Wirtschaftsweisen bei der Vorstellung der Herbstprognose: v.li.: Klaus Weyerstraß (IfHS Wien), Torsten Schmidt (RWI Essen) und Stefan Kooths (IfW Kiel)
Quelle: BPK

Steigende Inflationsrate auf knapp 9 %

Auch die Inflationsrate dürfte sich in den kommenden Monaten weiter erhöhen. Jahresdurchschnittlich ergibt sich für das Jahr 2023 mit 8,8 % eine Teuerungsrate, die nochmals leicht über dem Wert des laufenden Jahres von 8,4 % liegt. Erst im Jahr 2024 werde die 2 %-Marke allmählich wieder erreicht. Damit könnten die Einkommen nicht Schritt halten, da tarifliche Steigerungen von nur 2,2 % für 2023 vorgesehen sind, sagte Torsten Schmidt, Konjunkturchef des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung.

„Die hohen Energie- und Lebensmittelpreise, die im kommenden Jahr weiter ansteigen dürften, sorgen für deutliche Kaufkraftverluste“, erläuterte er die Gemeinschaftsdiagnose. Sowohl einkommensschwache Haushalte als auch Unternehmen seien deshalb auf weitere Unterstützung der Politik angewiesen. „Bei den Unternehmen ist allerdings darauf zu achten, dass es nicht zu dauerhaften Subventionen kommt“, warnte Schmidt.

Immerhin zeige sich der Arbeitsmarkt stabil. Viele Unternehmen hätten wegen der vorangegangenen Corona-Pandemie und gestörter Lieferketten noch volle Auftragsbücher. „Aufgrund des Personalmangels in vielen Branchen ist trotz der Wirtschaftskrise keine erhöhte Arbeitslosigkeit zu erwarten“, so die Prognose.
 
Energiepreise als Haupttreiber der Inflation - Zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken. Quelle: GD Herbst 2022

Keine Gasmangellage erwartet

Der Grund für die Verschlechterung der konjunkturellen Aussichten sind vor allem die reduzierten Gaslieferungen aus Russland. Mit ihnen ist ein erheblicher Teil des Gasangebots weggefallen und auch das Risiko gestiegen, dass die verbleibenden Liefer- und Speichermengen im Winter nicht ausreichen werden, um die Nachfrage zu decken, heißt es im Gutachten. Wegen der hohen Preise hätten Unternehmen bereits damit begonnen, ihren Gasverbrauch spürbar einzuschränken. Die Institute rechnen für den kommenden Winter bei normalen Witterungsbedingungen mit keiner Gasmangellage.

Mittelfristig dürfte sich die Lage zwar etwas entspannen, dennoch würden die Gaspreise deutlich über Vorkrisenniveau liegen, so die Prognose. „Dies bedeutet für Deutschland einen permanenten Wohlstandsverlust“, schreiben die Wissenschaftler. Die finanziellen Entlastungen der Haushalte seien richtig, schwieriger sei es, für Unternehmen passende Lösungen zu finden. Die neuen Entlastungspakete ersetzten praktisch die auslaufenden Corona-Maßnahmen. Dennoch sei der Wohlstandsverlust für die deutsche Bevölkerung nicht komplett ausgleichbar.

Energieopolitik ohne russiches Gas neu ausrichten

Die Energiepolitik müsse das Angebot an Gas und Strom erhöhen, um die Preise zu senken. Die Wirtschaftsforscher empfehlen daher, auch Kernkraftwerke länger zu betreiben als bisher geplant. „Wir brauchen eine neue energiepolitische Ausrichtung, weil die Brücke des preiswerten russischen Erdgases für die Energiewende weggebrochen ist, forderte Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW) von der Bundesregierung.

Er sagte weiter, die Energiepreise seien die Hauptwelle, aber unterschwellig wirke auch die Finanzpolitik aus der Corona-Pandemie nach, die wegen niedriger Zinsen und verminderter Konsummöglichkeiten zu hohen Spareinlagen geführt habe. „Die Europäische Zentralbank hat zu spät ihre Leitzinsen erhöht“, kritisierte Kooths. „Die Gasumlage ist besser als ihr Ruf und die Gaspreisbremse ist keine gute Lösung“, sagte Kooths weiter. Durch die Umlage wären tatsächlich Verbraucher angereizt worden, Gas zu sparen. Da Gas importiert werden muss, würden staatliche Subventionen nur die Verschuldung erhöhen und zugleich den Sparanreiz torpedieren, erläuterte er seine Kritik.

Die Gemeinschaftsdiagnose wird erarbeitet vom Ifo Institut in München, vom IfW in Kiel, vom IWH in Halle und vom RWI in Essen in Kooperation mit dem Institut für Höhere Studien Wien. Sie wird zweimal im Jahr im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) erstellt.

Die Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2022 steht im Internet bereit.

Donnerstag, 29.09.2022, 14:41 Uhr
Susanne Harmsen

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