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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren -
Quelle: Shutterstock / Rido
E&M Vor 20 Jahren

"Wir wissen mehr als die meisten Kunden"

Im Herbst 2001 sorgte eine Beteiligung der Stadtwerke Hannover am Energiebroker Ampere für großes Aufsehen. Der Ansatz des Start-ups galt als Zukunftsmodell.
Im Zuge der Liberalisierung des Energiemarkts 1998 gründeten die Brüder Arndt und Claus Rottenbacher den Energiebroker Ampere. Die Ampere AG ist auch heute noch am Markt aktiv und wird von Arndt Rottenbacher geleitet. Sein Bruder Claus verlies 2003 das Unternehmen und ist heute Fotokünstler. Auch Dietmar Polster, ebenfalls Vorstand im Jahr 2001, ist nicht mehr an Bord, sondern Gesellschafter eines Dienstleisters für Arbeitsort-Flexibilisierung.

Im Oktober vor 20 Jahren erläuterten er und Claus Rottenbacher die Ziele ihrer Zusammenarbeit mit den Stadtwerken Hannover, die kurz zuvor eine Minderheitsbeteiligung an Ampere eingegangen waren. Am Gespräch mit E&M-Korrespondentin Cerstin Gammelin nahm auch Erich Deppe teil, der damalige Vorstandsvorsitzende der Stadtwerke Hannover. Hier ein Auszug aus dem Gespräch.
 
Dietmar Polster, Erich Deppe und Claus Rottenbacher (v.l.; Bild von 2001): Eine Beteiligung, die vor 20 Jahren für Aufsehen sorgte
Quelle: E&M

Die Stadtwerke Hannover, mit 1,4 Mrd. DM Jahresumsatz einer der großen Energieversorger Deutschlands, haben jüngst eine Minderheitsbeteiligung von knapp 22 % an dem vor drei Jahren gegründeten Berliner Strombroker Ampere AG erworben. Der makelt bundesweit für rund 10 500 Kunden immerhin rund 1,5 Mrd. kWh Strom im Jahr.

E&M: Herr Deppe, welches Ziel hat diese Minderheitsbeteiligung?
 
Deppe: Für uns ist die Beteiligung eine strategische Angelegenheit. Seitens unserer finanziellen Möglichkeiten wären wir auch zu einem größeren Engagement in der Lage gewesen. Wir sind aber auch jetzt zufrieden und können unseren Eignern dokumentieren, dass wir keine reine Finanzbeteiligung eingegangen sind.
 
E&M: Wie sieht die künftige strategische Kooperation aus? Bleibt die unternehmerische Selbständigkeit beider Partner erhalten?
 
Deppe: Auf jeden Fall bleiben alle unabhängig. Das ist vertraglich gesichert. Und unsere Vorlieferanten-Position ist ganz bewusst auf maximal 40 Prozent beschränkt.
 
E&M: Welchen Benefit werden Ihre Kunden haben?
 
Deppe: Es ergeben sich zwei Benefits: Einmal aus der unmittelbaren Beteiligung für unsere Gesellschafter. Das Investment muss sich rechnen. Darüber hinaus gibt es mittelbare Vorteile. Das ist ganz eindeutig der Erfahrungsaustausch. Wir haben mit der Beteiligung an der Ampere AG die Möglichkeit einer Kundenansprache auf neutralem Niveau. Denn wir als Stadtwerke werden von den Kunden ja vorrangig immer noch als konservativer Energieversorger identifiziert. Nun können wir zeigen, dass wir Energie und Dienstleistungen unabhängig, aber kombiniert verkaufen können.

"Möglichkeit einer Kundenansprache auf neutralem Niveau"


E&M: So richtig unabhängig ist das nicht.
 
Deppe: Ja doch. Wir haben die Beobachtung gemacht, dass immer dann Konzepte überzeugend sind, wenn Versicherungsmakler zum Beispiel nicht an ein einziges Haus gebunden sind. Insofern ist auch die Eingangsaussage zu verstehen, dass die Stadtwerke Hannover bis maximal 40 Prozent in die Vorlieferantenposition gehen werden.
 
E&M: Befürchten die Stadtwerke nicht Inhouse-Konkurrenz?
 
Deppe: Nein. Wir müssen uns einfach daran gewöhnen. Für VW ist es völlig normal, dass Skoda, Golf, Passat und Audi unter einem Dach fahren. Es geht ja um Kundenbedürfnisse.
 
E&M: Also zielt Ihre Ampere-Beteiligung auf eine bestimmte Klientel?
 
Deppe: Es werden im Wesentlichen Gewerbe- und Industriekunden sein. Wie bisher auch bei Ampere. Ich glaube, da haben wir dieselbe Erfahrung gemacht, dass die Akquisition von Privatkunden außerhalb unseres bisherigen Netzgebietes, außerordentlich schwierig ist. Und einen Aufwand wie Yello wollen wir im Moment nicht betreiben.
 
E&M: Was kann Ampere, was Sie nicht können?
 
Deppe: Ampere kann Kunden bundesweit ansprechen. Kunden, die offen, die experimentierfreudig und aufgeschlossen für neue Marktentwicklungen sind. Wenn wir als Stadtwerke Hannover bundesweit anbieten, werden wir immer regional zugeordnet. Obwohl wir inzwischen draußen 50 Prozent unseres Stromabsatzes machen, den wir bisher im Netzgebiet hatten. Nur, wir wissen, dass die meisten dieser auswärtigen Kunden irgendeinen Bezug zu Hannover haben, zum Beispiel eine Filiale.
 
E&M: In welchem Namen wird jetzt akquiriert?
 
Deppe: Völlig selbständig. Jeder für seinen Namen.
 
Rottenbacher: Wir agieren unabhängig. Auch, damit das Instrument der Ausschreibung glaubwürdig bleibt. Wir müssen ja weiter unsere Mengen am Markt platzieren. Wir erbringen weiterhin als Energiebroker für den Kunden und im Namen des Kunden die beste Dienstleistung. Wir suchen also weiterhin unabhängig den besten Lieferanten für den Kunden. Die Vorlieferantenrolle der Stadtwerke Hannover ist für uns nicht vorgeschrieben. Im Moment liegt sie bei 20 Prozent und konzentriert sich im Wesentlichen auf Mittelspannungskunden im Stadtgebiet Berlin.
 
Polster: Wir sind nicht der Juniorpartner der Stadtwerke, der deren Portfolio auffüllt. Wir agieren weiter selbständig. Auch in Bereichen, in denen den Stadtwerken ein Korsett angelegt ist.

"Ampere hat die Kontakte ins Ausland"


E&M: Jeder macht, was er will. Welchen Sinn haben dann Ihre Verträge?
 
Deppe: Wir hatten überlegt, bundesweit Vertriebsbüros aufzumachen. Aber wir haben natürlich die Restriktionen unserer Gemeindeordnung. Wir werden zwar relativ großzügig vom Innenministerium behandelt, aber nach Gemeindeordnung dürfen wir eigentlich nur in unseren Gebieten tätig sein. Und wir haben überlegt, dass wir Deutschland verlassen müssen. Unser Interessengebiet kann nicht an den deutschen Grenzen aufhören. Ampere hat die Kontakte ins Ausland und wir glauben, dass es für uns vor dem Hintergrund der Gemeindeordnung einfacher ist, mit einer Beteiligung an der Ampere AG europäisch zu wachsen. Außerdem denken wir, dass der Standort Berlin der richtige ist. Dazu kommt die Vorlieferantenposition. Und wir haben mit Ampere einen Beobachtungsposten am Markt, der uns frühzeitig Warnindikatoren bringen wird. Außerdem verfügt Ampere über eine ausgezeichnete Software, die besser als unsere ist. Wir prüfen gerade, ob diese für die Stadtwerke übertragbar und nutzbar ist.
 
E&M: Sie wollen geografisch wachsen, wollen Sie auch Ihr Portfolio erweitern?
 
Deppe: Nein, das brauchen wir nicht. Als klassisches Querverbundunternehmen decken wir mit Multi-Utility alles ab. Möglicherweise können wir die Produktpalette der Broker ergänzen.
 
E&M: Wird Multi Utility erfolgreich sein?
 
Deppe: Das kann ich noch nicht abschätzen. Ich stehe nach wie vor zu diesem Konzept. Weil ich glaube, dass der Kunde schon daran interessiert ist, Lieferungen aus einer Hand zu bekommen.
 
E&M: Woher nehmen Sie diesen Optimismus? Bisher vermeldet doch kaum eines der bundesdeutschen Multi Utilities Erfolge.
 
Deppe: Doch, wir haben Ergebnisse. Dass unsere Wechselquote nur 0,5 Prozent oder aber per Saldo 2,5 gegen 3 Prozent beträgt, ist doch möglicherweise darauf zurückzuführen, dass der Markt funktioniert. Vielleicht ist es ja gerade darauf zurückzuführen, dass der Kunde kapiert hat, dass Multi Utility oder Querverbundbedienung für ihn ein Vorteil ist. Warum soll er dann wechseln? Die Diskussion, dass der Markt nicht funktioniert, weil die Wechselquote so klein ist, finde ich absurd.

"Unser Argument heißt Marktkenntnis"

E&M: Braucht die Ampere AG überhaupt einen liberalisierten Markt?
 
Rottenbacher: Ja, aber wir können mit unserer Energiedienstleistung auch in Märkten operieren, die sich in einem sehr frühen Öffnungsstadium befinden. Das beste Beispiel ist Kärnten in Österreich, wo wir mit unserer Brokerdienstleistung bereits vor der Marktöffnung einen Marktanteil von 15 Prozent hatten.
 
E&M: Welchen Nutzen hat Ampere von der Partnerschaft mit den Stadtwerken Hannover?
 
Rottenbacher: Unser gemeinsamer Benefit liegt im Ausland. Ampere will mit seiner Dienstleistung in ausländische Märkte, die Stadtwerke auch.
 
Polster: Es gibt zwei weitere wichtige Gründe. Die Unbekümmertheit der Ampere AG, mit der sie an die Erschließung neuer Märkte heran geht. Und die internationalen Erfahrungen aller drei Vorstände der Ampere AG. Wir kennen Italien, Spanien, Österreich, wir können landessprachlich lokale Partner gewinnen.
 
E&M: Was dürfen die Stadtwerke Hannover künftig bei Ihnen mitentscheiden?
 
Rottenbacher: Wir haben die volle Freiheit, am Markt zu agieren. Die Mitbestimmung der Stadtwerke ist insofern sehr reduziert.
 
E&M: Was darf Ampere bei den Stadtwerken?
 
Deppe: Das ist nicht die richtige Frage. Es wird in gewissem Umfang zu Abstimmungen kommen, die sich aus dem Geschäftsablauf ergeben. Es geht beispielsweise um Bilanzkreismanagement und ähnlich komplexe Zusammenhänge, aus denen sich Abstimmungsbedarf und Synergien ergeben.
 
E&M: Sie wollen auch die Gasbündelung intensivieren?
 
Rottenbacher: Auch beim Gas haben wir bundesweit schon eine vierstellige Kundenzahl gewonnen. Weitere Verhandlungen laufen. Allerdings haben wir es noch nicht hinbekommen, für einen Kunden in Deutschland den Lieferanten zu wechseln. Aber unser Ziel ist Kostenminimierung. Bei einigen Kunden ist es uns gelungen, mit dem Lieferanten vor Ort geringere Preise auszuhandeln.
 
E&M: Mit welchen Argumenten überzeugen Sie die Gaslieferanten?
 
Rottenbacher: Unser Argument heißt Marktkenntnis. Wir wissen mehr als die meisten Kunden.
 
Claus Rottenbacher (Bild von 2001): "Wettbewerb bedeutet nicht zwangsläufig, den Lieferanten zu wechseln"
Quelle: E&M

Polster: Wir haben auch innovative Lösungen wie veränderte Preis- oder Indexkopplungen.
 
E&M: Ist denn genug Wettbewerb am bundesdeutschen Energiemarkt vorhanden?
 
Deppe: Da müssen wir Strom und Gas unterscheiden. Bei Strom ist der Markt zu 100 Prozent offen. Dort verstehe ich die ganze Diskussion nicht. Industrie und Gewerbe haben massive Preissenkungen bekommen. Gut, die Privatkunden nicht in dem gleichen Maße. Aber es sind auch Erwartungen geweckt worden, die so nicht eingehalten werden konnten.

E&M: Aber jetzt erhöhen alle Anbieter wieder ihre Preise.
 
Deppe: Ja, wir haben nun mal eine Marktwirtschaft. Preise allein sind nicht ausschlaggebend. Es geht um Dienstleitungen, Beratung, Komplettangebote. Wir beraten all unsere Kunden, die anrufen und eine Beratung wünschen. Haben die allerdings eine Yello-Nummer, sagen wir: Geh’ zu Yello und lass’ Dich dort beraten. Das muss erlaubt sein, das ist Wettbewerb und Qualitätsmanagement.
 
E&M: Sind Sie mit der Energiepolitik von Wirtschaftsminister Werner Müller zufrieden?
 
Deppe: Ja, die Verbändevereinbarung ist eine gute Lösung. Was Deutschland da international abgeliefert hat, ist besser, als es immer dargestellt wird.
 
Rottenbacher: Ich kann mich in Teilen dieser Meinung anschließen. Wettbewerb bedeutet nicht zwangsläufig den Lieferanten zu wechseln, sondern ein Wahlrecht zu haben. Die Auswahl ist da, allerdings sehen wir einen Nachholbedarf in der Frage der Transparenz. Stromvertrieb und Netz müssen nachvollziehbar getrennt sein. Die Kosten dafür werden aber in keiner Stromrechnung in Deutschland, die ich gesehen habe, getrennt aufgeführt. Es ist schwierig, Anbieter untereinander zu vergleichen.
 
E&M: Wie könnte für mehr Transparenz gesorgt werden?
 
Rottenbacher: Durch eine Regulierungsbehörde wie in Österreich. Dort wurden die Spielregeln im Vorfeld der Liberalisierung klarer formuliert. So konnten wir am Tage der Marktöffnung 3 500 Verträge kündigen.
 
Deppe: Ich möchte mal gerne eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung haben der Kosten der Verbändevereinbarung und der Kosten einer Regulierungsbehörde.

Freitag, 15.10.2021, 16:05 Uhr
Fritz Wilhelm
Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren -
Quelle: Shutterstock / Rido
E&M Vor 20 Jahren
"Wir wissen mehr als die meisten Kunden"
Im Herbst 2001 sorgte eine Beteiligung der Stadtwerke Hannover am Energiebroker Ampere für großes Aufsehen. Der Ansatz des Start-ups galt als Zukunftsmodell.
Im Zuge der Liberalisierung des Energiemarkts 1998 gründeten die Brüder Arndt und Claus Rottenbacher den Energiebroker Ampere. Die Ampere AG ist auch heute noch am Markt aktiv und wird von Arndt Rottenbacher geleitet. Sein Bruder Claus verlies 2003 das Unternehmen und ist heute Fotokünstler. Auch Dietmar Polster, ebenfalls Vorstand im Jahr 2001, ist nicht mehr an Bord, sondern Gesellschafter eines Dienstleisters für Arbeitsort-Flexibilisierung.

Im Oktober vor 20 Jahren erläuterten er und Claus Rottenbacher die Ziele ihrer Zusammenarbeit mit den Stadtwerken Hannover, die kurz zuvor eine Minderheitsbeteiligung an Ampere eingegangen waren. Am Gespräch mit E&M-Korrespondentin Cerstin Gammelin nahm auch Erich Deppe teil, der damalige Vorstandsvorsitzende der Stadtwerke Hannover. Hier ein Auszug aus dem Gespräch.
 
Dietmar Polster, Erich Deppe und Claus Rottenbacher (v.l.; Bild von 2001): Eine Beteiligung, die vor 20 Jahren für Aufsehen sorgte
Quelle: E&M

Die Stadtwerke Hannover, mit 1,4 Mrd. DM Jahresumsatz einer der großen Energieversorger Deutschlands, haben jüngst eine Minderheitsbeteiligung von knapp 22 % an dem vor drei Jahren gegründeten Berliner Strombroker Ampere AG erworben. Der makelt bundesweit für rund 10 500 Kunden immerhin rund 1,5 Mrd. kWh Strom im Jahr.

E&M: Herr Deppe, welches Ziel hat diese Minderheitsbeteiligung?
 
Deppe: Für uns ist die Beteiligung eine strategische Angelegenheit. Seitens unserer finanziellen Möglichkeiten wären wir auch zu einem größeren Engagement in der Lage gewesen. Wir sind aber auch jetzt zufrieden und können unseren Eignern dokumentieren, dass wir keine reine Finanzbeteiligung eingegangen sind.
 
E&M: Wie sieht die künftige strategische Kooperation aus? Bleibt die unternehmerische Selbständigkeit beider Partner erhalten?
 
Deppe: Auf jeden Fall bleiben alle unabhängig. Das ist vertraglich gesichert. Und unsere Vorlieferanten-Position ist ganz bewusst auf maximal 40 Prozent beschränkt.
 
E&M: Welchen Benefit werden Ihre Kunden haben?
 
Deppe: Es ergeben sich zwei Benefits: Einmal aus der unmittelbaren Beteiligung für unsere Gesellschafter. Das Investment muss sich rechnen. Darüber hinaus gibt es mittelbare Vorteile. Das ist ganz eindeutig der Erfahrungsaustausch. Wir haben mit der Beteiligung an der Ampere AG die Möglichkeit einer Kundenansprache auf neutralem Niveau. Denn wir als Stadtwerke werden von den Kunden ja vorrangig immer noch als konservativer Energieversorger identifiziert. Nun können wir zeigen, dass wir Energie und Dienstleistungen unabhängig, aber kombiniert verkaufen können.

"Möglichkeit einer Kundenansprache auf neutralem Niveau"


E&M: So richtig unabhängig ist das nicht.
 
Deppe: Ja doch. Wir haben die Beobachtung gemacht, dass immer dann Konzepte überzeugend sind, wenn Versicherungsmakler zum Beispiel nicht an ein einziges Haus gebunden sind. Insofern ist auch die Eingangsaussage zu verstehen, dass die Stadtwerke Hannover bis maximal 40 Prozent in die Vorlieferantenposition gehen werden.
 
E&M: Befürchten die Stadtwerke nicht Inhouse-Konkurrenz?
 
Deppe: Nein. Wir müssen uns einfach daran gewöhnen. Für VW ist es völlig normal, dass Skoda, Golf, Passat und Audi unter einem Dach fahren. Es geht ja um Kundenbedürfnisse.
 
E&M: Also zielt Ihre Ampere-Beteiligung auf eine bestimmte Klientel?
 
Deppe: Es werden im Wesentlichen Gewerbe- und Industriekunden sein. Wie bisher auch bei Ampere. Ich glaube, da haben wir dieselbe Erfahrung gemacht, dass die Akquisition von Privatkunden außerhalb unseres bisherigen Netzgebietes, außerordentlich schwierig ist. Und einen Aufwand wie Yello wollen wir im Moment nicht betreiben.
 
E&M: Was kann Ampere, was Sie nicht können?
 
Deppe: Ampere kann Kunden bundesweit ansprechen. Kunden, die offen, die experimentierfreudig und aufgeschlossen für neue Marktentwicklungen sind. Wenn wir als Stadtwerke Hannover bundesweit anbieten, werden wir immer regional zugeordnet. Obwohl wir inzwischen draußen 50 Prozent unseres Stromabsatzes machen, den wir bisher im Netzgebiet hatten. Nur, wir wissen, dass die meisten dieser auswärtigen Kunden irgendeinen Bezug zu Hannover haben, zum Beispiel eine Filiale.
 
E&M: In welchem Namen wird jetzt akquiriert?
 
Deppe: Völlig selbständig. Jeder für seinen Namen.
 
Rottenbacher: Wir agieren unabhängig. Auch, damit das Instrument der Ausschreibung glaubwürdig bleibt. Wir müssen ja weiter unsere Mengen am Markt platzieren. Wir erbringen weiterhin als Energiebroker für den Kunden und im Namen des Kunden die beste Dienstleistung. Wir suchen also weiterhin unabhängig den besten Lieferanten für den Kunden. Die Vorlieferantenrolle der Stadtwerke Hannover ist für uns nicht vorgeschrieben. Im Moment liegt sie bei 20 Prozent und konzentriert sich im Wesentlichen auf Mittelspannungskunden im Stadtgebiet Berlin.
 
Polster: Wir sind nicht der Juniorpartner der Stadtwerke, der deren Portfolio auffüllt. Wir agieren weiter selbständig. Auch in Bereichen, in denen den Stadtwerken ein Korsett angelegt ist.

"Ampere hat die Kontakte ins Ausland"


E&M: Jeder macht, was er will. Welchen Sinn haben dann Ihre Verträge?
 
Deppe: Wir hatten überlegt, bundesweit Vertriebsbüros aufzumachen. Aber wir haben natürlich die Restriktionen unserer Gemeindeordnung. Wir werden zwar relativ großzügig vom Innenministerium behandelt, aber nach Gemeindeordnung dürfen wir eigentlich nur in unseren Gebieten tätig sein. Und wir haben überlegt, dass wir Deutschland verlassen müssen. Unser Interessengebiet kann nicht an den deutschen Grenzen aufhören. Ampere hat die Kontakte ins Ausland und wir glauben, dass es für uns vor dem Hintergrund der Gemeindeordnung einfacher ist, mit einer Beteiligung an der Ampere AG europäisch zu wachsen. Außerdem denken wir, dass der Standort Berlin der richtige ist. Dazu kommt die Vorlieferantenposition. Und wir haben mit Ampere einen Beobachtungsposten am Markt, der uns frühzeitig Warnindikatoren bringen wird. Außerdem verfügt Ampere über eine ausgezeichnete Software, die besser als unsere ist. Wir prüfen gerade, ob diese für die Stadtwerke übertragbar und nutzbar ist.
 
E&M: Sie wollen geografisch wachsen, wollen Sie auch Ihr Portfolio erweitern?
 
Deppe: Nein, das brauchen wir nicht. Als klassisches Querverbundunternehmen decken wir mit Multi-Utility alles ab. Möglicherweise können wir die Produktpalette der Broker ergänzen.
 
E&M: Wird Multi Utility erfolgreich sein?
 
Deppe: Das kann ich noch nicht abschätzen. Ich stehe nach wie vor zu diesem Konzept. Weil ich glaube, dass der Kunde schon daran interessiert ist, Lieferungen aus einer Hand zu bekommen.
 
E&M: Woher nehmen Sie diesen Optimismus? Bisher vermeldet doch kaum eines der bundesdeutschen Multi Utilities Erfolge.
 
Deppe: Doch, wir haben Ergebnisse. Dass unsere Wechselquote nur 0,5 Prozent oder aber per Saldo 2,5 gegen 3 Prozent beträgt, ist doch möglicherweise darauf zurückzuführen, dass der Markt funktioniert. Vielleicht ist es ja gerade darauf zurückzuführen, dass der Kunde kapiert hat, dass Multi Utility oder Querverbundbedienung für ihn ein Vorteil ist. Warum soll er dann wechseln? Die Diskussion, dass der Markt nicht funktioniert, weil die Wechselquote so klein ist, finde ich absurd.

"Unser Argument heißt Marktkenntnis"

E&M: Braucht die Ampere AG überhaupt einen liberalisierten Markt?
 
Rottenbacher: Ja, aber wir können mit unserer Energiedienstleistung auch in Märkten operieren, die sich in einem sehr frühen Öffnungsstadium befinden. Das beste Beispiel ist Kärnten in Österreich, wo wir mit unserer Brokerdienstleistung bereits vor der Marktöffnung einen Marktanteil von 15 Prozent hatten.
 
E&M: Welchen Nutzen hat Ampere von der Partnerschaft mit den Stadtwerken Hannover?
 
Rottenbacher: Unser gemeinsamer Benefit liegt im Ausland. Ampere will mit seiner Dienstleistung in ausländische Märkte, die Stadtwerke auch.
 
Polster: Es gibt zwei weitere wichtige Gründe. Die Unbekümmertheit der Ampere AG, mit der sie an die Erschließung neuer Märkte heran geht. Und die internationalen Erfahrungen aller drei Vorstände der Ampere AG. Wir kennen Italien, Spanien, Österreich, wir können landessprachlich lokale Partner gewinnen.
 
E&M: Was dürfen die Stadtwerke Hannover künftig bei Ihnen mitentscheiden?
 
Rottenbacher: Wir haben die volle Freiheit, am Markt zu agieren. Die Mitbestimmung der Stadtwerke ist insofern sehr reduziert.
 
E&M: Was darf Ampere bei den Stadtwerken?
 
Deppe: Das ist nicht die richtige Frage. Es wird in gewissem Umfang zu Abstimmungen kommen, die sich aus dem Geschäftsablauf ergeben. Es geht beispielsweise um Bilanzkreismanagement und ähnlich komplexe Zusammenhänge, aus denen sich Abstimmungsbedarf und Synergien ergeben.
 
E&M: Sie wollen auch die Gasbündelung intensivieren?
 
Rottenbacher: Auch beim Gas haben wir bundesweit schon eine vierstellige Kundenzahl gewonnen. Weitere Verhandlungen laufen. Allerdings haben wir es noch nicht hinbekommen, für einen Kunden in Deutschland den Lieferanten zu wechseln. Aber unser Ziel ist Kostenminimierung. Bei einigen Kunden ist es uns gelungen, mit dem Lieferanten vor Ort geringere Preise auszuhandeln.
 
E&M: Mit welchen Argumenten überzeugen Sie die Gaslieferanten?
 
Rottenbacher: Unser Argument heißt Marktkenntnis. Wir wissen mehr als die meisten Kunden.
 
Claus Rottenbacher (Bild von 2001): "Wettbewerb bedeutet nicht zwangsläufig, den Lieferanten zu wechseln"
Quelle: E&M

Polster: Wir haben auch innovative Lösungen wie veränderte Preis- oder Indexkopplungen.
 
E&M: Ist denn genug Wettbewerb am bundesdeutschen Energiemarkt vorhanden?
 
Deppe: Da müssen wir Strom und Gas unterscheiden. Bei Strom ist der Markt zu 100 Prozent offen. Dort verstehe ich die ganze Diskussion nicht. Industrie und Gewerbe haben massive Preissenkungen bekommen. Gut, die Privatkunden nicht in dem gleichen Maße. Aber es sind auch Erwartungen geweckt worden, die so nicht eingehalten werden konnten.

E&M: Aber jetzt erhöhen alle Anbieter wieder ihre Preise.
 
Deppe: Ja, wir haben nun mal eine Marktwirtschaft. Preise allein sind nicht ausschlaggebend. Es geht um Dienstleitungen, Beratung, Komplettangebote. Wir beraten all unsere Kunden, die anrufen und eine Beratung wünschen. Haben die allerdings eine Yello-Nummer, sagen wir: Geh’ zu Yello und lass’ Dich dort beraten. Das muss erlaubt sein, das ist Wettbewerb und Qualitätsmanagement.
 
E&M: Sind Sie mit der Energiepolitik von Wirtschaftsminister Werner Müller zufrieden?
 
Deppe: Ja, die Verbändevereinbarung ist eine gute Lösung. Was Deutschland da international abgeliefert hat, ist besser, als es immer dargestellt wird.
 
Rottenbacher: Ich kann mich in Teilen dieser Meinung anschließen. Wettbewerb bedeutet nicht zwangsläufig den Lieferanten zu wechseln, sondern ein Wahlrecht zu haben. Die Auswahl ist da, allerdings sehen wir einen Nachholbedarf in der Frage der Transparenz. Stromvertrieb und Netz müssen nachvollziehbar getrennt sein. Die Kosten dafür werden aber in keiner Stromrechnung in Deutschland, die ich gesehen habe, getrennt aufgeführt. Es ist schwierig, Anbieter untereinander zu vergleichen.
 
E&M: Wie könnte für mehr Transparenz gesorgt werden?
 
Rottenbacher: Durch eine Regulierungsbehörde wie in Österreich. Dort wurden die Spielregeln im Vorfeld der Liberalisierung klarer formuliert. So konnten wir am Tage der Marktöffnung 3 500 Verträge kündigen.
 
Deppe: Ich möchte mal gerne eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung haben der Kosten der Verbändevereinbarung und der Kosten einer Regulierungsbehörde.

Freitag, 15.10.2021, 16:05 Uhr
Fritz Wilhelm

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