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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren -
Quelle: Fotolia / tomas
E&M Vor 20 Jahren

"Wir sind gut vorbereitet"

Mit prall gefüllten Kassen gingen Eon und RWE vor 20 Jahren gleichermaßen auf Einkaufstour. Beim Gas war RWE aber zunächst nur zweiter Sieger.
Die Übernahmepläne von Eon ließen 2002 die Alarmglocken schrillen – im Markt und bei den Kartellwächtern. Angesichts der drohenden Veränderungen gaben sich die Verantwortlichen beim Konkurrenten RWE allerdings demonstrativ selbstbewusst. Das konnte der damalige E&M-Chefredakteur und jetzige Herausgeber Helmut Sendner Anfang 2002 im Gespräch mit Manfred Scholle, dem damaligen Vorstandsvorsitzenden der RWE Gas AG, feststellen.
 
Manfred Scholle, Vorstandsvorsitzender der damaligen RWE Gas AG
(Bild von 2001)
Quelle: E&M


E&M: Herr Scholle, nachdem das Kartellamt die Übernahme der Ruhrgas durch Eon verweigert hat, droht jetzt eine Ministererlaubnis: Macht Sie das nervös?

Scholle: Der Entscheidungsprozess läuft ja weiter. Wir warten die Entwicklung ab und vertrauen natürlich auf das Bundeskartellamt und gegebenenfalls dann auch auf die Bundesregierung, dass der Wettbewerb bestehen bleibt und sich weiter entfalten kann.
 
E&M: Wenn man sich nur die Marktmacht von Eon und RWE ansieht, dann ist Wettbewerb schon ein relativer Begriff. Was erwarten Sie: Dass Eon die Thüga abgeben muss, dass Ruhrgas aus Verbundnetz Gas ausscheiden muss ...

Scholle: Da ist viel Hypothese dabei. Wenn das Kartellamt richtig steuert, dann gibt es bei solchen Veränderungsprozessen immer Risiken und auch Chancen. Ich gehe davon aus, dass Regelungen getroffen werden, die unsere Position auch stärken können, also auch Chancen eröffnen.

E&M: Verraten Sie uns doch, woran Sie denken.

Scholle: Ich sagte es Ihnen doch schon, dass da noch viel Hypothese dabei ist.

E&M: Was ist denn konkret in der weiteren strategischen Ausrichtung der RWE Gas?

Scholle: Wir sind schon heute ein voll integriertes Gasunternehmen, das den Endverbraucher als Kunden hat und auch Gas importiert. Wir haben auf allen Stufen eine hohe Kompetenz und mit „Naturgas“ in unserem Stammmarkt eine eigene Marke eingeführt. Auf kommende Veränderungen sind wir gut vorbereitet, Wir haben unseren Stadtwerke- und Industriekunden als wettbewerbsöffnende Maßnahmen freigestellt, 20 Prozent der von RWE Gas kontrahierten Menge von Dritten zu beziehen.

E&M: Und trotzdem haben Sie im Vergleich zu Eon Defizite.

Scholle: Im Vergleich zur Größe der Ruhrgas haben wir Nachholbedarf, aber nicht im Verhältnis zur Eon.

E&M: Was heißt das konkret?

Scholle: Wir haben als Gesellschaft das größte Verteilernetz und wir haben als RWE Gas das Direktkundengeschäft und sind Partner der Stadtwerke und Regionalversorgungsunternehmen. Von daher sind wir stark aufgestellt. Durch den Erwerb der tschechischen Transgas sind wir auf der Importstufe in Richtung Russland einen entscheidenden Schritt weitergekommen. In den Niederlanden haben wir uns verstärkt und sind dort das fünftstärkste Erdgasunternehmen. In der Slowakischen Republik sind wir an einer Speichergesellschaft beteiligt. Durch das dortige Transportnetz fließt ein großer Teil des in Westeuropa benötigten Erdgases, was für spätere Handelspunkte in Europa sehr wichtig sein wird. Innerhalb von zwölf Monaten hat sich RWE Gas zur Nummer vier im europäischen Gasmarkt entwickelt, und wir werden unser Geschäft systematisch weiter aufbauen und stärken.

E&M: Über Transgas haben Sie Zugang zum russischen Gas und müssen dann aber durch Wingas- und Ruhrgas-Leitungen, um damit auf dem deutschen Markt etwas anfangen zu können.

Scholle: Wir werden sehen, wie sich die Liberalisierung entwickelt. Sich auf den Wettbewerb vorzubereiten, heißt immer, sich auf alle möglichen Konstellationen vorzubereiten.

E&M: Welche Rolle spielt für Sie der Gasbezug aus Norwegen, wo es in Zukunft ja vielleicht mehrere Anbieter gibt?

Scholle: Thyssengas und Transgas beziehen aus Norwegen. Unsere Gruppe RWE Gas erhält Gas auch aus den Niederlanden, aus England und aus Russland.

E&M: Die BP will nach ihrem Abschied von der Ruhrgas selbst aktiv im Wettbewerb mitmischen: Müssen Sie da etwas befürchten?

Scholle: Im Wettbewerb muss man immer seine Chancen sehen. Ich weiß, das ist eine Platitude, aber im Vergleich zum Strom waren wir schon immer sehr viel wettbewerbsorientierter, das hat Spaß gemacht, und das wird weiter eine Herausforderung sein.

E&M: Wenn sich nun Shell aus ihrer 75-Prozent-Tochter Thyssengas zurückziehen würde und ebenso wie BP als neuer Wettbewerber am Markt auftritt, dann ist das auch immer noch Spaß?

Scholle: Jeder neue Marktteilnehmer ist eine Herausforderung. Es gibt immer Möglichkeiten, den eigenen Markt zu verteidigen oder zu erweitern und auch mit möglichen Wettbewerbern gemeinsame Dinge zu machen.

E&M: Wäre es Ihnen angenehm, wenn Shell aus der Thyssengas ginge?

Scholle: Es ist ein selbstverständlicher Wunsch, dass man an einem Unternehmen wie Thyssengas möglichst hundert Prozent hat.

E&M: Ein genauso selbstverständlicher Wunsch dürfte sein, sich an einem Unternehmen wie der Verbundnetz Gas zu beteiligen oder an der OMV in Österreich oder an der Wingas …

Scholle: Sie können mir jetzt alle möglichen Konstellationen nennen, und ich kann Ihnen nur sagen, dass wir unsere Interessen wahrnehmen werden.
 

Freitag, 4.02.2022, 13:59 Uhr
Fritz Wilhelm
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"Wir sind gut vorbereitet"
Mit prall gefüllten Kassen gingen Eon und RWE vor 20 Jahren gleichermaßen auf Einkaufstour. Beim Gas war RWE aber zunächst nur zweiter Sieger.
Die Übernahmepläne von Eon ließen 2002 die Alarmglocken schrillen – im Markt und bei den Kartellwächtern. Angesichts der drohenden Veränderungen gaben sich die Verantwortlichen beim Konkurrenten RWE allerdings demonstrativ selbstbewusst. Das konnte der damalige E&M-Chefredakteur und jetzige Herausgeber Helmut Sendner Anfang 2002 im Gespräch mit Manfred Scholle, dem damaligen Vorstandsvorsitzenden der RWE Gas AG, feststellen.
 
Manfred Scholle, Vorstandsvorsitzender der damaligen RWE Gas AG
(Bild von 2001)
Quelle: E&M


E&M: Herr Scholle, nachdem das Kartellamt die Übernahme der Ruhrgas durch Eon verweigert hat, droht jetzt eine Ministererlaubnis: Macht Sie das nervös?

Scholle: Der Entscheidungsprozess läuft ja weiter. Wir warten die Entwicklung ab und vertrauen natürlich auf das Bundeskartellamt und gegebenenfalls dann auch auf die Bundesregierung, dass der Wettbewerb bestehen bleibt und sich weiter entfalten kann.
 
E&M: Wenn man sich nur die Marktmacht von Eon und RWE ansieht, dann ist Wettbewerb schon ein relativer Begriff. Was erwarten Sie: Dass Eon die Thüga abgeben muss, dass Ruhrgas aus Verbundnetz Gas ausscheiden muss ...

Scholle: Da ist viel Hypothese dabei. Wenn das Kartellamt richtig steuert, dann gibt es bei solchen Veränderungsprozessen immer Risiken und auch Chancen. Ich gehe davon aus, dass Regelungen getroffen werden, die unsere Position auch stärken können, also auch Chancen eröffnen.

E&M: Verraten Sie uns doch, woran Sie denken.

Scholle: Ich sagte es Ihnen doch schon, dass da noch viel Hypothese dabei ist.

E&M: Was ist denn konkret in der weiteren strategischen Ausrichtung der RWE Gas?

Scholle: Wir sind schon heute ein voll integriertes Gasunternehmen, das den Endverbraucher als Kunden hat und auch Gas importiert. Wir haben auf allen Stufen eine hohe Kompetenz und mit „Naturgas“ in unserem Stammmarkt eine eigene Marke eingeführt. Auf kommende Veränderungen sind wir gut vorbereitet, Wir haben unseren Stadtwerke- und Industriekunden als wettbewerbsöffnende Maßnahmen freigestellt, 20 Prozent der von RWE Gas kontrahierten Menge von Dritten zu beziehen.

E&M: Und trotzdem haben Sie im Vergleich zu Eon Defizite.

Scholle: Im Vergleich zur Größe der Ruhrgas haben wir Nachholbedarf, aber nicht im Verhältnis zur Eon.

E&M: Was heißt das konkret?

Scholle: Wir haben als Gesellschaft das größte Verteilernetz und wir haben als RWE Gas das Direktkundengeschäft und sind Partner der Stadtwerke und Regionalversorgungsunternehmen. Von daher sind wir stark aufgestellt. Durch den Erwerb der tschechischen Transgas sind wir auf der Importstufe in Richtung Russland einen entscheidenden Schritt weitergekommen. In den Niederlanden haben wir uns verstärkt und sind dort das fünftstärkste Erdgasunternehmen. In der Slowakischen Republik sind wir an einer Speichergesellschaft beteiligt. Durch das dortige Transportnetz fließt ein großer Teil des in Westeuropa benötigten Erdgases, was für spätere Handelspunkte in Europa sehr wichtig sein wird. Innerhalb von zwölf Monaten hat sich RWE Gas zur Nummer vier im europäischen Gasmarkt entwickelt, und wir werden unser Geschäft systematisch weiter aufbauen und stärken.

E&M: Über Transgas haben Sie Zugang zum russischen Gas und müssen dann aber durch Wingas- und Ruhrgas-Leitungen, um damit auf dem deutschen Markt etwas anfangen zu können.

Scholle: Wir werden sehen, wie sich die Liberalisierung entwickelt. Sich auf den Wettbewerb vorzubereiten, heißt immer, sich auf alle möglichen Konstellationen vorzubereiten.

E&M: Welche Rolle spielt für Sie der Gasbezug aus Norwegen, wo es in Zukunft ja vielleicht mehrere Anbieter gibt?

Scholle: Thyssengas und Transgas beziehen aus Norwegen. Unsere Gruppe RWE Gas erhält Gas auch aus den Niederlanden, aus England und aus Russland.

E&M: Die BP will nach ihrem Abschied von der Ruhrgas selbst aktiv im Wettbewerb mitmischen: Müssen Sie da etwas befürchten?

Scholle: Im Wettbewerb muss man immer seine Chancen sehen. Ich weiß, das ist eine Platitude, aber im Vergleich zum Strom waren wir schon immer sehr viel wettbewerbsorientierter, das hat Spaß gemacht, und das wird weiter eine Herausforderung sein.

E&M: Wenn sich nun Shell aus ihrer 75-Prozent-Tochter Thyssengas zurückziehen würde und ebenso wie BP als neuer Wettbewerber am Markt auftritt, dann ist das auch immer noch Spaß?

Scholle: Jeder neue Marktteilnehmer ist eine Herausforderung. Es gibt immer Möglichkeiten, den eigenen Markt zu verteidigen oder zu erweitern und auch mit möglichen Wettbewerbern gemeinsame Dinge zu machen.

E&M: Wäre es Ihnen angenehm, wenn Shell aus der Thyssengas ginge?

Scholle: Es ist ein selbstverständlicher Wunsch, dass man an einem Unternehmen wie Thyssengas möglichst hundert Prozent hat.

E&M: Ein genauso selbstverständlicher Wunsch dürfte sein, sich an einem Unternehmen wie der Verbundnetz Gas zu beteiligen oder an der OMV in Österreich oder an der Wingas …

Scholle: Sie können mir jetzt alle möglichen Konstellationen nennen, und ich kann Ihnen nur sagen, dass wir unsere Interessen wahrnehmen werden.
 

Freitag, 4.02.2022, 13:59 Uhr
Fritz Wilhelm

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