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Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe

"Wir sehen uns als regeneratives Rückgrat"

Warum der BHKW-Hersteller 2G Energy gerade KWK-Anlagen als Ermöglicher der Energiewende sieht, erklärt Stefan Liesner im E&M-Gespräch.  

Zur Person

Stefan Liesner ist Head of Public Affairs and Public Relations bei der 2G Energy AG mit Sitz in Heek. Er wurde außerdem im September 2021 in das Präsidium des Bundesverbands Kraft-Wärme-Kopplung (B.KWK) gewählt.
 

E&M: Herr Liesner, was kann die KWK-Branche kurzfristig beitragen, um Deutschland aus dem Importdilemma aufgrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine herauszubringen?

Liesner: Durch die tragischen Vorgänge in der Ukraine wurde uns allen die Gefahr der Abhängigkeit fossiler Brennstoffe schmerzlich vor Augen geführt. Umso wichtiger ist es aktuell, dass wir das weiterhin benötigte Erdgas hocheffizient nutzen. Und da ist die dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung eben die Technologie, die den Brennstoff am effizientesten einsetzt. Aus Russland bezieht Deutschland rund 360 Terawattstunden für die Strom- und Wärmegewinnung, die oftmals in ungekoppelter Erzeugung genutzt werden.

E&M: Und hier könnte die KWK ihren Beitrag leisten?

Liesner: Genau. Allein die deutsche BHKW-Branche könnte jährlich mehrere Gigawatt flexibler, dezentraler Kraftwerkskapazität ans Netz bringen, die die zur Verfügung stehende Gasmenge hocheffizient nutzt. Der große Vorteil liegt vor allem darin, dass diese dezentralen KWK-Anlagen zügig das Problem abmildern, da sie schnell lieferbar und ohne großen Planungs- und Genehmigungsaufwand umzusetzen wären. Sie benötigen außerdem keine weitere Infrastruktur und sind auf Wasserstoff oder andere biogene Gase umrüstbar, sodass das mittelfristige Ziel der Klimaneutralität unterstützt und erst machbar wird. Ein Zielkonflikt ist speziell bei BHKW nicht existent − im Gegenteil.

E&M: Sie meinen das ambitionierte Ziel der Bundesregierung, die erneuerbaren Technologien massiv auszubauen?

Liesner: Ja. Es ist in der aktuellen Situation wichtig, Lösungen zu finden, die schnell Abhilfe schaffen hinsichtlich der sich auftuenden Stromlücke und der politischen Zielvorgabe, 50 Prozent des Wärmebedarfs grün abzudecken bis 2030. KWK-Anlagen sind Ermöglicher der Energiewende und führen dabei in keine Sackgasse beziehungsweise verursachen keine Stranded Investments. Selbst wenn die jährlichen Anlagenlaufzeiten infolge der aktuellen Situation kurzfristig höher wären, bleibt jedoch die Rolle oder besser die Zielrichtung der KWK als künftig regeneratives Rückgratkraftwerk unverändert.

E&M: Sie sprechen die Partnerrolle der KWK für die erneuerbaren Energien an …

Liesner: Richtig. Auch wenn der Weg Richtung Klimaneutralität nun anders oder im Idealfall schneller beschritten wird, bleibt die Rolle der KWK zur Sicherstellung einer regenerativen Residuallast bestehen. Selbstverständlich haben der Ausbau von Wind- und Sonnenenergie sowie die Steigerung der Energieeffizienz oberste Priorität. Zudem gilt es, die Elektrifizierung, insbesondere in der Mobilität und im Gebäudesektor, durch Wärmepumpen weiter voranzutreiben. Gleichzeitig besteht jedoch die Herausforderung, das Speicherproblem unter Zuhilfenahme von Wasserstoff zu lösen. KWK ist die Kraftwerksart, die eben den Wasserstoff, in dem Sonnen- und Windenergie eingespeichert ist, am effizientesten zurückumwandelt in Strom und Wärme nach Bedarf.

E&M: Ist das ein Grund, warum sich 2G Energy auch im Landesverband Erneuerbare Energien NRW als Mitglied engagiert?

Liesner: Nicht nur. Unter unseren Mitarbeitern verspüren wir generell eine sehr hohe Identifikation mit Themen wie Nachhaltigkeit oder Klimaschutz. Zudem sind wir ohnehin mit der Produktion von Biogas-BHKW groß geworden und haben damit unsere Wurzeln bei den erneuerbaren Energien, unter anderem sind wir auch seit vielen Jahren Mitglied im Fachverband Biogas. Aber zurück zum LEE NRW. Wir haben das Gefühl, dass man dort durchaus dankbar für die Expertise eines BHKW-Herstellers ist, da man Themen wie die Dekarbonisierung des Wärmemarkts oder Residuallastdeckung bislang eher weniger auf dem Zettel hatte. Auf der anderen Seite kommen wir als BHKW-Hersteller in lebhafte Diskussionen mit Vertretern anderer erneuerbaren Technologien und Institutionen, die uns wichtige Impulse etwa für die Produktentwicklung geben. Am Ende profitieren alle Seiten vom intensiven Austausch.

E&M: Apropos erneuerbar: Wo sehen Sie den Wassersoff realistisch sinnvoll verwendet und wann glauben Sie, wird es so weit sein?

Liesner: Das ist sehr schwierig zu sagen. Es wurde anfangs gesagt, dass Wasserstoff insbesondere für den Schwertransport und die Industrie wesentlich sein wird. In den letzten Monaten hat sich jedoch ein breiter Konsens in diversen Studien und politischen Aussagen entwickelt, dass Wasserstoff auch ein wichtiges Element bei der Rückverstromung sein kann. Jahreszahlen zu nennen, ist zwar schwierig, allerdings wird der Handlungsdruck in Bezug auf grünen Wasserstoff durch die aktuellen politischen Ereignisse sicherlich nicht weniger. Es gibt jedoch bereits einige positive Entwicklungen und Projekte.

E&M: Was zum Beispiel?

Liesner: Wir haben in Dubai gemeinsam mit Siemens eines unserer Wasserstoff-BHKW installiert. In diesem Land wird Wasserstoff bereits heute in großem Stil produziert. Dort wird er zu 100 Prozent aus Solarstrom gewonnen und da sind wir heute schon bei den Preisen von Erdgas. Das Projekt von Siemens besteht unter anderem aus einem großen Photovoltaikfeld plus eben unserem H2-BHKW. Überdies sind wir auch Mitglied des Konsortiums GET H2. Wir glauben, dass wir bereits 2025 durch das Projekt Nukleus über leitungsgebundenen Wasserstoff in unserem Gewerbegebiet verfügen. Es wäre an der Politik, zur Hochlaufphase zusätzliche Förderprogramme zu etablieren, um etwaige höhere Kosten im Vergleich zur Erdgasnutzung zu kompensieren.

E&M: Gibt es seitens der Hersteller noch technische Hürden?

Liesner: Wir garantieren unseren Kunden, dass die Anlagen flexibel betrieben werden können, auch was den Brennstoff angeht. Es ist unser Anspruch, dass wir eine verlässliche regenerative Residuallast bereitstellen. Das passiert aktuell bereits, etwa bei den Stadtwerken Haßfurt. Da steht ebenfalls eines unserer H2-BHKW und dort ist es heute schon so, wenn kein Wasserstoff da ist, läuft die Anlage mit Erdgas. Da wir das Thema H2-BHKW schon vor mehr als zehn Jahren vorangetrieben haben, ist die technische Machbarkeit keine Hürde mehr, und wir führen H2-BHKW inzwischen regulär in unserem Standardportfolio. Auf den Punkt gebracht: Wir stellen Wasserstoffkraftwerke her, die temporär auch mit Erdgas zu betreiben sind.

E&M: Noch mal zurück zum Erdgas. Denn dieser Brennstoff wird noch Jahre gebraucht werden. Welchen Einfluss hat die vor einigen Wochen veröffentliche EU-Taxonomie für Ihr Unternehmen? Immerhin wurde Erdgas als nachhaltig eingestuft.

Liesner: Damit ist eine gewisse Ruhe und Planungssicherheit bei den Investoren eingekehrt, wenn man die Turbulenzen aufgrund des Russland-Ukraine-Kriegs mal außen vor lässt. Auch wenn es sicherlich viele Details zu beachten gilt, sehen wir die EU-Taxonomie bezüglich der Klassifizierung von Erdgas als Übergangsmedium grundsätzlich als Vorteil. Aber was unsere Produkte sowie und die Ausrichtung angeht, hat sich nichts geändert.

E&M: Inwiefern?

Liesner: Wir sehen uns als BHKW-Hersteller und die gesamte KWK-Branche als künftiges regeneratives Rückgrat der Energiewende. Wir setzen auf biogene Gase wie Biogas oder eben auch auf Wasserstoff und würden bei entsprechender Verfügbarkeit auch heute schon alle unsere Anlagen regenerativ betreiben. Im Unterschied zur Atomkraft, die zwar CO2-arm Elektrizität generiert, jedoch sicher nicht als nachhaltig zu bezeichnen ist. Da habe ich Bauchschmerzen.

E&M: Warum die Bauschmerzen bei der Atomenergie?

Liesner: Der große Vorteil von Gas ist eben, dass die Herkunft der Moleküle in den kommenden Jahren stetig grüner wird und somit ein vorgezeichneter, verlässlicher Pfad für Investoren und die Gesellschaft besteht. Dieser schrittweise Übergang ist bei der Atomkraft nun mal nicht möglich, sondern endet in einer Sackgasse. Zudem stehen die Kosten in keinem Verhältnis. Neue Atomkraftwerke sind teuer und benötigen oft viele Jahre, um gebaut zu werden. Das jüngst in Finnland in Betrieb genommene AKW war 17 Jahre lang im Bau. Die geplanten Baukosten haben sich nahezu verdreifacht auf knapp 8,5 Milliarden Euro. In Frankreich befindet sich ein Atommeiler in Bau, dessen Kostenbudget ursprünglich mit 3,3 Milliarden veranschlagt war und inzwischen bereits 19,1 Milliarden verschlungen hat − und immer noch nicht am Netz ist. Ein Atomkraftwerk ist nicht versicherbar und die Endlagerung der radioaktiven Abfälle ist ungelöst. Ich verstehe den Begriff Nachhaltigkeit gänzlich anders.

E&M: Sie haben bereits erwähnt, dass 2G seine Strategie hin zu mehr regenerativen Gasen beibehält. Wie sieht die Strategie bei den Absatzmärkten aus?

Liesner: Wir hatten im vergangenen Jahr das erste Mal die Situation, dass das Deutschland-Geschäft nur noch knapp die Hälfte des Auftragseingangs ausmachte. Der Grund liegt im starken Wachstum im Ausland. Die USA, Italien, Großbritannien, Frankreich sowie Australien und Japan sind unsere Hauptmärkte. 2G profitiert von globalen langfristigen Trends, die effiziente und dezentrale Energielösungen immer wichtiger machen. Residuallast wird nicht nur in Deutschland benötigt.

E&M: Wird Deutschland für Sie an Bedeutung verlieren?

Liesner: Wir versuchen über die internationale Ausrichtung unabhängig zu werden von konjunkturellen Schwankungen einzelner Länder und Regionen, um die kontinuierliche Auslastung unserer Produktion in Deutschland abzusichern. Wir freuen uns, das Land mit der viertgrößten Volkswirtschaft als Heimatmarkt adressieren zu dürfen, jedoch sehen wir in den nächsten Jahren höhere Wachstumsraten des 2G-Geschäfts im Ausland. Unabhängig davon hoffen wir, dass Deutschland einen konsequenteren Weg geht, ob das nun die Stärkung von biogenen Gasen ist oder etwa der Ausbau von Fernwärmenetzen, wo letztlich auch KWK-Anlagen gebraucht werden. Darüber hinaus sind wir davon überzeugt, dass die Energiewende insgesamt auch für Deutschland eine Riesenchance beinhaltet.

E&M: Wie meinen Sie das?

Liesner: Deutschland ist das einzige Industrieland, das parallel aus Kohle- und Atomenergie aussteigt. Wenn wir es schaffen, zugleich die regenerative Versorgungssicherheit als Industrienation aufrechtzuerhalten, ist das eine große Chance für den Aufbau und den Export von energiewirtschaftlichem Know-how. Es geht in unserem Land nun darum, die Energiewende nicht mehr nur zu propagieren, sondern konsequenter denn je zu praktizieren.

 
Stefan Liesner von 2G Energy
Bild: 2G Energy

Mittwoch, 27.04.2022, 09:00 Uhr
Heidi Roider
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe -
Quelle: E&M
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"Wir sehen uns als regeneratives Rückgrat"
Warum der BHKW-Hersteller 2G Energy gerade KWK-Anlagen als Ermöglicher der Energiewende sieht, erklärt Stefan Liesner im E&M-Gespräch.  

Zur Person

Stefan Liesner ist Head of Public Affairs and Public Relations bei der 2G Energy AG mit Sitz in Heek. Er wurde außerdem im September 2021 in das Präsidium des Bundesverbands Kraft-Wärme-Kopplung (B.KWK) gewählt.
 

E&M: Herr Liesner, was kann die KWK-Branche kurzfristig beitragen, um Deutschland aus dem Importdilemma aufgrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine herauszubringen?

Liesner: Durch die tragischen Vorgänge in der Ukraine wurde uns allen die Gefahr der Abhängigkeit fossiler Brennstoffe schmerzlich vor Augen geführt. Umso wichtiger ist es aktuell, dass wir das weiterhin benötigte Erdgas hocheffizient nutzen. Und da ist die dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung eben die Technologie, die den Brennstoff am effizientesten einsetzt. Aus Russland bezieht Deutschland rund 360 Terawattstunden für die Strom- und Wärmegewinnung, die oftmals in ungekoppelter Erzeugung genutzt werden.

E&M: Und hier könnte die KWK ihren Beitrag leisten?

Liesner: Genau. Allein die deutsche BHKW-Branche könnte jährlich mehrere Gigawatt flexibler, dezentraler Kraftwerkskapazität ans Netz bringen, die die zur Verfügung stehende Gasmenge hocheffizient nutzt. Der große Vorteil liegt vor allem darin, dass diese dezentralen KWK-Anlagen zügig das Problem abmildern, da sie schnell lieferbar und ohne großen Planungs- und Genehmigungsaufwand umzusetzen wären. Sie benötigen außerdem keine weitere Infrastruktur und sind auf Wasserstoff oder andere biogene Gase umrüstbar, sodass das mittelfristige Ziel der Klimaneutralität unterstützt und erst machbar wird. Ein Zielkonflikt ist speziell bei BHKW nicht existent − im Gegenteil.

E&M: Sie meinen das ambitionierte Ziel der Bundesregierung, die erneuerbaren Technologien massiv auszubauen?

Liesner: Ja. Es ist in der aktuellen Situation wichtig, Lösungen zu finden, die schnell Abhilfe schaffen hinsichtlich der sich auftuenden Stromlücke und der politischen Zielvorgabe, 50 Prozent des Wärmebedarfs grün abzudecken bis 2030. KWK-Anlagen sind Ermöglicher der Energiewende und führen dabei in keine Sackgasse beziehungsweise verursachen keine Stranded Investments. Selbst wenn die jährlichen Anlagenlaufzeiten infolge der aktuellen Situation kurzfristig höher wären, bleibt jedoch die Rolle oder besser die Zielrichtung der KWK als künftig regeneratives Rückgratkraftwerk unverändert.

E&M: Sie sprechen die Partnerrolle der KWK für die erneuerbaren Energien an …

Liesner: Richtig. Auch wenn der Weg Richtung Klimaneutralität nun anders oder im Idealfall schneller beschritten wird, bleibt die Rolle der KWK zur Sicherstellung einer regenerativen Residuallast bestehen. Selbstverständlich haben der Ausbau von Wind- und Sonnenenergie sowie die Steigerung der Energieeffizienz oberste Priorität. Zudem gilt es, die Elektrifizierung, insbesondere in der Mobilität und im Gebäudesektor, durch Wärmepumpen weiter voranzutreiben. Gleichzeitig besteht jedoch die Herausforderung, das Speicherproblem unter Zuhilfenahme von Wasserstoff zu lösen. KWK ist die Kraftwerksart, die eben den Wasserstoff, in dem Sonnen- und Windenergie eingespeichert ist, am effizientesten zurückumwandelt in Strom und Wärme nach Bedarf.

E&M: Ist das ein Grund, warum sich 2G Energy auch im Landesverband Erneuerbare Energien NRW als Mitglied engagiert?

Liesner: Nicht nur. Unter unseren Mitarbeitern verspüren wir generell eine sehr hohe Identifikation mit Themen wie Nachhaltigkeit oder Klimaschutz. Zudem sind wir ohnehin mit der Produktion von Biogas-BHKW groß geworden und haben damit unsere Wurzeln bei den erneuerbaren Energien, unter anderem sind wir auch seit vielen Jahren Mitglied im Fachverband Biogas. Aber zurück zum LEE NRW. Wir haben das Gefühl, dass man dort durchaus dankbar für die Expertise eines BHKW-Herstellers ist, da man Themen wie die Dekarbonisierung des Wärmemarkts oder Residuallastdeckung bislang eher weniger auf dem Zettel hatte. Auf der anderen Seite kommen wir als BHKW-Hersteller in lebhafte Diskussionen mit Vertretern anderer erneuerbaren Technologien und Institutionen, die uns wichtige Impulse etwa für die Produktentwicklung geben. Am Ende profitieren alle Seiten vom intensiven Austausch.

E&M: Apropos erneuerbar: Wo sehen Sie den Wassersoff realistisch sinnvoll verwendet und wann glauben Sie, wird es so weit sein?

Liesner: Das ist sehr schwierig zu sagen. Es wurde anfangs gesagt, dass Wasserstoff insbesondere für den Schwertransport und die Industrie wesentlich sein wird. In den letzten Monaten hat sich jedoch ein breiter Konsens in diversen Studien und politischen Aussagen entwickelt, dass Wasserstoff auch ein wichtiges Element bei der Rückverstromung sein kann. Jahreszahlen zu nennen, ist zwar schwierig, allerdings wird der Handlungsdruck in Bezug auf grünen Wasserstoff durch die aktuellen politischen Ereignisse sicherlich nicht weniger. Es gibt jedoch bereits einige positive Entwicklungen und Projekte.

E&M: Was zum Beispiel?

Liesner: Wir haben in Dubai gemeinsam mit Siemens eines unserer Wasserstoff-BHKW installiert. In diesem Land wird Wasserstoff bereits heute in großem Stil produziert. Dort wird er zu 100 Prozent aus Solarstrom gewonnen und da sind wir heute schon bei den Preisen von Erdgas. Das Projekt von Siemens besteht unter anderem aus einem großen Photovoltaikfeld plus eben unserem H2-BHKW. Überdies sind wir auch Mitglied des Konsortiums GET H2. Wir glauben, dass wir bereits 2025 durch das Projekt Nukleus über leitungsgebundenen Wasserstoff in unserem Gewerbegebiet verfügen. Es wäre an der Politik, zur Hochlaufphase zusätzliche Förderprogramme zu etablieren, um etwaige höhere Kosten im Vergleich zur Erdgasnutzung zu kompensieren.

E&M: Gibt es seitens der Hersteller noch technische Hürden?

Liesner: Wir garantieren unseren Kunden, dass die Anlagen flexibel betrieben werden können, auch was den Brennstoff angeht. Es ist unser Anspruch, dass wir eine verlässliche regenerative Residuallast bereitstellen. Das passiert aktuell bereits, etwa bei den Stadtwerken Haßfurt. Da steht ebenfalls eines unserer H2-BHKW und dort ist es heute schon so, wenn kein Wasserstoff da ist, läuft die Anlage mit Erdgas. Da wir das Thema H2-BHKW schon vor mehr als zehn Jahren vorangetrieben haben, ist die technische Machbarkeit keine Hürde mehr, und wir führen H2-BHKW inzwischen regulär in unserem Standardportfolio. Auf den Punkt gebracht: Wir stellen Wasserstoffkraftwerke her, die temporär auch mit Erdgas zu betreiben sind.

E&M: Noch mal zurück zum Erdgas. Denn dieser Brennstoff wird noch Jahre gebraucht werden. Welchen Einfluss hat die vor einigen Wochen veröffentliche EU-Taxonomie für Ihr Unternehmen? Immerhin wurde Erdgas als nachhaltig eingestuft.

Liesner: Damit ist eine gewisse Ruhe und Planungssicherheit bei den Investoren eingekehrt, wenn man die Turbulenzen aufgrund des Russland-Ukraine-Kriegs mal außen vor lässt. Auch wenn es sicherlich viele Details zu beachten gilt, sehen wir die EU-Taxonomie bezüglich der Klassifizierung von Erdgas als Übergangsmedium grundsätzlich als Vorteil. Aber was unsere Produkte sowie und die Ausrichtung angeht, hat sich nichts geändert.

E&M: Inwiefern?

Liesner: Wir sehen uns als BHKW-Hersteller und die gesamte KWK-Branche als künftiges regeneratives Rückgrat der Energiewende. Wir setzen auf biogene Gase wie Biogas oder eben auch auf Wasserstoff und würden bei entsprechender Verfügbarkeit auch heute schon alle unsere Anlagen regenerativ betreiben. Im Unterschied zur Atomkraft, die zwar CO2-arm Elektrizität generiert, jedoch sicher nicht als nachhaltig zu bezeichnen ist. Da habe ich Bauchschmerzen.

E&M: Warum die Bauschmerzen bei der Atomenergie?

Liesner: Der große Vorteil von Gas ist eben, dass die Herkunft der Moleküle in den kommenden Jahren stetig grüner wird und somit ein vorgezeichneter, verlässlicher Pfad für Investoren und die Gesellschaft besteht. Dieser schrittweise Übergang ist bei der Atomkraft nun mal nicht möglich, sondern endet in einer Sackgasse. Zudem stehen die Kosten in keinem Verhältnis. Neue Atomkraftwerke sind teuer und benötigen oft viele Jahre, um gebaut zu werden. Das jüngst in Finnland in Betrieb genommene AKW war 17 Jahre lang im Bau. Die geplanten Baukosten haben sich nahezu verdreifacht auf knapp 8,5 Milliarden Euro. In Frankreich befindet sich ein Atommeiler in Bau, dessen Kostenbudget ursprünglich mit 3,3 Milliarden veranschlagt war und inzwischen bereits 19,1 Milliarden verschlungen hat − und immer noch nicht am Netz ist. Ein Atomkraftwerk ist nicht versicherbar und die Endlagerung der radioaktiven Abfälle ist ungelöst. Ich verstehe den Begriff Nachhaltigkeit gänzlich anders.

E&M: Sie haben bereits erwähnt, dass 2G seine Strategie hin zu mehr regenerativen Gasen beibehält. Wie sieht die Strategie bei den Absatzmärkten aus?

Liesner: Wir hatten im vergangenen Jahr das erste Mal die Situation, dass das Deutschland-Geschäft nur noch knapp die Hälfte des Auftragseingangs ausmachte. Der Grund liegt im starken Wachstum im Ausland. Die USA, Italien, Großbritannien, Frankreich sowie Australien und Japan sind unsere Hauptmärkte. 2G profitiert von globalen langfristigen Trends, die effiziente und dezentrale Energielösungen immer wichtiger machen. Residuallast wird nicht nur in Deutschland benötigt.

E&M: Wird Deutschland für Sie an Bedeutung verlieren?

Liesner: Wir versuchen über die internationale Ausrichtung unabhängig zu werden von konjunkturellen Schwankungen einzelner Länder und Regionen, um die kontinuierliche Auslastung unserer Produktion in Deutschland abzusichern. Wir freuen uns, das Land mit der viertgrößten Volkswirtschaft als Heimatmarkt adressieren zu dürfen, jedoch sehen wir in den nächsten Jahren höhere Wachstumsraten des 2G-Geschäfts im Ausland. Unabhängig davon hoffen wir, dass Deutschland einen konsequenteren Weg geht, ob das nun die Stärkung von biogenen Gasen ist oder etwa der Ausbau von Fernwärmenetzen, wo letztlich auch KWK-Anlagen gebraucht werden. Darüber hinaus sind wir davon überzeugt, dass die Energiewende insgesamt auch für Deutschland eine Riesenchance beinhaltet.

E&M: Wie meinen Sie das?

Liesner: Deutschland ist das einzige Industrieland, das parallel aus Kohle- und Atomenergie aussteigt. Wenn wir es schaffen, zugleich die regenerative Versorgungssicherheit als Industrienation aufrechtzuerhalten, ist das eine große Chance für den Aufbau und den Export von energiewirtschaftlichem Know-how. Es geht in unserem Land nun darum, die Energiewende nicht mehr nur zu propagieren, sondern konsequenter denn je zu praktizieren.

 
Stefan Liesner von 2G Energy
Bild: 2G Energy

Mittwoch, 27.04.2022, 09:00 Uhr
Heidi Roider

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