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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren -
Quelle: E&M / Jonas Rosenberger
E&M Vor 20 Jahren

"Wir haben eine paradoxe Situation"

Vor 20 Jahren stand der Markt für Regelenergie ganz am Anfang. Da es die Bundesnetzagentur noch nicht gab, hatte das Bundeskartellamt ein Auge auf die Ausschreibungen der Netzbetreiber.
Im Spätsommer des Jahres 2000 gab die neu gegründete RWE Netz AG bekannt, Regelenergie künftig öffentlich auszuschreiben. Wer sich bewerben wollte, musste ein Präqualifikations-Verfahren des Netzbetreibers durchlaufen. Etwa ein Jahr später suchte RWE Netz im Internet nach Minutenreserve, und die Eon Netz AG begann, Regelenergie auszuschreiben. Schon bald darauf wurde das Bundeskartellamt gegen eine Reihe anderer Netzbetreiber aktiv und leitete gegen die Berliner Bewag, die EnBW Transportnetz AG, die Hamburgischen Electricitäts-Werke sowie die Veag ein Missbrauchsverfahren wegen überhöhter Abrechnungen von Regelenergie ein. Das Verfahren gegen EnBW wurde im Februar 2002 wieder eingestellt. Für die anderen Gesellschaften, die später im Vattenfall-Konzern aufgingen, liefen sie weiter.

Kurz darauf meldete sich der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) zu Wort und legte Beschwerde gegen Eon Netz und die RWE Net beim Bundeskartellamt ein. Dem Verband hatte sich der Verdacht aufgedrängt, die derzeit noch wenigen Anbieter von Regelenergie nutzten ihre marktbeherrschende Stellung missbräuchlich aus. Der Anlass: Um rund 18 % hatte Eon die Netznutzungsentgelte in der Höchstspannungsebene zum 1.
 Februar erhöht. Eine Verteuerung um etwa 12 % hatte RWE zum 1. Mai angekündigt. Die Preise für Primär- und Sekundärregelleistung hätten sich innerhalb eines Jahres um 90 bis 150 % erhöht.

Die Regelenergie blieb 2002 ein Daueraufreger, zu dem auch Jörg Spicker Stellung nahm. E&M-Redakteur Fritz Wilhelm sprach mit dem damaligen Geschäftsführer von Aquila Energy und Vorstandsvorsitzenden des Händlerverbands Efet Deutschland.

 
Jörg Spicker (2003), Geschäftsführer von Aquila Energy und Vorstandsvorsitzender von Efet Deutschland
Quelle: E&M

E&M: Herr Spicker, von vielen der sogenannten „neuen Marktteilnehmer“ ist immer wieder zu hören, man könne erst von einem funktionierenden Wettbewerbsmarkt sprechen, wenn man auch von einem funktionierenden Regelenergiemarkt sprechen könne. Schließen Sie sich dieser Meinung an?

Spicker: Im Grunde ist es so. Es hat sich aber schon Einiges gebessert. Nachdem RWE damit begonnen hat, schreiben jetzt auch Eon und EnBW Regelenergie aus, und ich nehme an, dass Vattenfall nicht nachstehen wird. Es gibt aber auch eine Kehrseite der Medaille: RWE hat ihre Kunden angeschrieben und darauf hingewiesen, dass die Netzzugangstarife wegen des Regelenergiemarktes erhöht werden müssten. Eine paradoxe Situation haben wir deshalb: Im Zuge der Liberalisierung haben wir einen Regelenergiemarkt bekommen mit sinkenden Preisen. Im gleichen Atemzug fängt ein Netzbetreiber allerdings an, sich die Kosten, die vorher wahrscheinlich an einer anderen Stelle bilanziert wurden, über das Netz wieder zurückzuholen. Nach meiner Ansicht kann das auf keinen Fall auf Dauer funktionieren. Das Bundeskartellamt ist auf diese Praxis allerdings schon aufmerksam geworden.
 
„Das Bundeskartellamt hat sehr viel Druck gemacht“
 
E&M: Der Verband der Netzbetreiber betont, die Ausschreibungen fänden „in Abstimmung mit dem Bundeskartellamt“ statt. Das klingt wohl etwas euphemistisch.

Spicker: Das Bundeskartellamt hat beim Thema Regelenergie sehr viel Druck gemacht, nachdem es sich dessen Bedeutung durch viele Gespräche mit Marktteilnehmern bewusst geworden ist. Bei RWE und Eon war es eine Fusionsauflage, und EnBW hat sich auch nicht freiwillig entschlossen, nun auch ein ähnliches System einzuführen. HEW, Bewag und Veag befinden sich mitten im Fusionsprozess, da muss man sicherlich noch etwas Geduld haben. Es dürfte aber nur eine Frage der Zeit sein, wann auch die vierte Kraft auf den Pfad der anderen großen Netzbetreiber einschwenkt.

E&M: Könnte nicht auch der seit Anfang des Jahres mögliche Intra-Day-Handel die Funktion eines Regelenergiemarktes übernehmen?

Spicker: Der Intra-Day-Handel, wie er seit dem 1. Januar dieses Jahres jeweils innerhalb der deutschen Regelzonen praktiziert wird, ist kein fortlaufender Handel, sondern beschränkt sich auf drei Gate-Closure-Times. Das heißt, man kann täglich zu drei bestimmten Zeiten seinen Fahrplan ändern – an dem Tag, für den der Fahrplan abgegeben wurde. In den USA gibt es einen Intra-Hour-Handel, über den man dreimal innerhalb einer Stunde seinen Fahrplan wechseln kann. Außerdem kann man im gleichen Rhythmus Netzkapazitäten handeln. Für die Primär- und Sekundärregelung, wie wir sie kennen, ist aber selbst dieser Zyklus noch zu lang. Deshalb denke ich, dass zumindest für diese beiden Regelenergiearten langfristig kein Handel stattfinden wird.

E&M: Könnte die Minutenreserve langfristig den Netzbetreibern entzogen werden?

Spicker: Ich denke schon. Voraussetzung dafür sind allerdings IT-Systeme, die sehr schnelle Reaktionszeiten ermöglichen. Über den OTC-Markt, womöglich noch unter Einbeziehung eines Brokers, würde es zu lange dauern, die notwendige Energie zu beschaffen. Zunächst müsste man sich aber erst einmal überlegen, wo man handeln könnte. Die Minutenreserve muss über das ganze Netz verteilt sein. Denn obwohl Deutschland eine Kupferplatte ist, ist es physikalisch bedeutsam, an welcher Stelle des Netzes die Reserveleistung zur Verfügung steht. 

E&M: Wäre eine Regelzonen überschreitende Ausschreibung sinnvoll oder gar wünschenswert?

Spicker: Sie erfolgt bereits jetzt. Bis zur Hälfte der Ausschreibungen von Leistungsscheiben durch RWE liegen außerhalb der RWE-Regelzone. Dieser Anteil lässt sich aber zweifellos noch erhöhen.
 
„Die Netzbetreiber haben die konzerneigenen Kraftwerke im Auge“
 
E&M: Bisher ist der Kreis der potenziellen Regelenergielieferanten doch sehr eingeschränkt.

Spicker: Bei RWE wird derzeit zum Beispiel die Minutenreserve noch in 30-MW-Blöcken ausgeschrieben. Man kann an einer Hand abzählen, welche Kraftwerke dafür in Frage kommen, diese Leistung zusätzlich zum Normalbetrieb vorzuhalten. Deshalb müsste unbedingt die Leistungsgrenze gesenkt werden, damit der Markt etwas aufgegliedert werden könnte und zum Beispiel auch einige Stadtwerke mit ihren Kraftwerken zum Zuge kommen könnten. Ich denke aber, dass diese Maßnahme kurzfristig zu realisieren ist.

E&M: Meinen Sie, die Netzbetreiber sind zu einer Senkung der Leistungsgrenze bereit?

„Von einer Mindestgröße war nie die Rede“

Spicker: Die Netzbetreiber haben mit der hohen Leistungsgrenze natürlich die konzerneigenen Kraftwerke im Auge, die bisher schon die Regelleistung zur Verfügung gestellt haben. Da liegt natürlich die Vermutung nahe, dass an dieser Stelle kein Wettbewerb gewollt ist, was den Bemühungen des Bundeskartellamtes klar zuwiderläuft. Das Kartellamt verfolgt diese Entwicklung sehr aufmerksam, weil es nicht zulässt, dass Fusionsauflagen einfach unterlaufen werden. Von einer Mindestgröße der Leistungsscheiben war nie die Rede.

E&M: Auch wenn bisher nur konzerneigene Kraftwerke an den Ausschreibungen teilgenommen haben, sind die Preise für Regelenergie in den jeweiligen Regelzonen gesunken. Sind Sie mit dem erreichten Niveau zufrieden?

Spicker: Es ist jetzt nicht mehr so schmerzhaft, wenn es zu Fahrplanabweichungen kommt und man Regelenergie beziehen muss. Im Dezember des letzten Jahres lagen die Regelenergiepreise sogar unter den OTC-Preisen. Das ist ein Zeichen dafür, dass der Markt zumindest in seinen Grundzügen funktioniert. Die Preise würden aber noch weiter sinken, wenn die Leistungsgrenze gesenkt werden würde und so mehr Anbieter auftreten könnten. Anbieter beispielsweise, die im Rahmen ihrer Portfoliooptimierung den Regelenergiemarkt in ihre strategischen Überlegungen einbeziehen. Es darf aber auf keinen Fall versucht werden, wie es RWE gerade macht, die Einnahmenausfälle bei der Regelenergie durch Preiserhöhungen an anderen Stellen auszugleichen.

E&M: Im Rahmen der Verhandlungen zur Verbändevereinbarung II Strom wird von den Netzbetreibern das Ziel verfolgt, das Toleranzband abzuschaffen. Dann müssten die Händler mit ihren Fahrplänen immer Punktlandungen hinlegen.

Spicker: Ich hoffe nicht, dass es zu einer Abschaffung des Toleranzbandes kommt. Die Netzbetreiber könnten ohne Toleranzband zwar ihre Deckungsbeiträge erhöhen. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass in dieser Sache zurzeit besonders viel Druck von den Netzbetreibern gemacht wird. Irgendwann werden sie es wahrscheinlich wieder auf die Tagesordnung bringen, aber im Moment haben sie mit dem neuen Tarifsystem zum grenzüberschreitenden Stromtransport alle Hände voll zu tun.
 
 

Freitag, 13.05.2022, 17:36 Uhr
Fritz Wilhelm
Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren -
Quelle: E&M / Jonas Rosenberger
E&M Vor 20 Jahren
"Wir haben eine paradoxe Situation"
Vor 20 Jahren stand der Markt für Regelenergie ganz am Anfang. Da es die Bundesnetzagentur noch nicht gab, hatte das Bundeskartellamt ein Auge auf die Ausschreibungen der Netzbetreiber.
Im Spätsommer des Jahres 2000 gab die neu gegründete RWE Netz AG bekannt, Regelenergie künftig öffentlich auszuschreiben. Wer sich bewerben wollte, musste ein Präqualifikations-Verfahren des Netzbetreibers durchlaufen. Etwa ein Jahr später suchte RWE Netz im Internet nach Minutenreserve, und die Eon Netz AG begann, Regelenergie auszuschreiben. Schon bald darauf wurde das Bundeskartellamt gegen eine Reihe anderer Netzbetreiber aktiv und leitete gegen die Berliner Bewag, die EnBW Transportnetz AG, die Hamburgischen Electricitäts-Werke sowie die Veag ein Missbrauchsverfahren wegen überhöhter Abrechnungen von Regelenergie ein. Das Verfahren gegen EnBW wurde im Februar 2002 wieder eingestellt. Für die anderen Gesellschaften, die später im Vattenfall-Konzern aufgingen, liefen sie weiter.

Kurz darauf meldete sich der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) zu Wort und legte Beschwerde gegen Eon Netz und die RWE Net beim Bundeskartellamt ein. Dem Verband hatte sich der Verdacht aufgedrängt, die derzeit noch wenigen Anbieter von Regelenergie nutzten ihre marktbeherrschende Stellung missbräuchlich aus. Der Anlass: Um rund 18 % hatte Eon die Netznutzungsentgelte in der Höchstspannungsebene zum 1.
 Februar erhöht. Eine Verteuerung um etwa 12 % hatte RWE zum 1. Mai angekündigt. Die Preise für Primär- und Sekundärregelleistung hätten sich innerhalb eines Jahres um 90 bis 150 % erhöht.

Die Regelenergie blieb 2002 ein Daueraufreger, zu dem auch Jörg Spicker Stellung nahm. E&M-Redakteur Fritz Wilhelm sprach mit dem damaligen Geschäftsführer von Aquila Energy und Vorstandsvorsitzenden des Händlerverbands Efet Deutschland.

 
Jörg Spicker (2003), Geschäftsführer von Aquila Energy und Vorstandsvorsitzender von Efet Deutschland
Quelle: E&M

E&M: Herr Spicker, von vielen der sogenannten „neuen Marktteilnehmer“ ist immer wieder zu hören, man könne erst von einem funktionierenden Wettbewerbsmarkt sprechen, wenn man auch von einem funktionierenden Regelenergiemarkt sprechen könne. Schließen Sie sich dieser Meinung an?

Spicker: Im Grunde ist es so. Es hat sich aber schon Einiges gebessert. Nachdem RWE damit begonnen hat, schreiben jetzt auch Eon und EnBW Regelenergie aus, und ich nehme an, dass Vattenfall nicht nachstehen wird. Es gibt aber auch eine Kehrseite der Medaille: RWE hat ihre Kunden angeschrieben und darauf hingewiesen, dass die Netzzugangstarife wegen des Regelenergiemarktes erhöht werden müssten. Eine paradoxe Situation haben wir deshalb: Im Zuge der Liberalisierung haben wir einen Regelenergiemarkt bekommen mit sinkenden Preisen. Im gleichen Atemzug fängt ein Netzbetreiber allerdings an, sich die Kosten, die vorher wahrscheinlich an einer anderen Stelle bilanziert wurden, über das Netz wieder zurückzuholen. Nach meiner Ansicht kann das auf keinen Fall auf Dauer funktionieren. Das Bundeskartellamt ist auf diese Praxis allerdings schon aufmerksam geworden.
 
„Das Bundeskartellamt hat sehr viel Druck gemacht“
 
E&M: Der Verband der Netzbetreiber betont, die Ausschreibungen fänden „in Abstimmung mit dem Bundeskartellamt“ statt. Das klingt wohl etwas euphemistisch.

Spicker: Das Bundeskartellamt hat beim Thema Regelenergie sehr viel Druck gemacht, nachdem es sich dessen Bedeutung durch viele Gespräche mit Marktteilnehmern bewusst geworden ist. Bei RWE und Eon war es eine Fusionsauflage, und EnBW hat sich auch nicht freiwillig entschlossen, nun auch ein ähnliches System einzuführen. HEW, Bewag und Veag befinden sich mitten im Fusionsprozess, da muss man sicherlich noch etwas Geduld haben. Es dürfte aber nur eine Frage der Zeit sein, wann auch die vierte Kraft auf den Pfad der anderen großen Netzbetreiber einschwenkt.

E&M: Könnte nicht auch der seit Anfang des Jahres mögliche Intra-Day-Handel die Funktion eines Regelenergiemarktes übernehmen?

Spicker: Der Intra-Day-Handel, wie er seit dem 1. Januar dieses Jahres jeweils innerhalb der deutschen Regelzonen praktiziert wird, ist kein fortlaufender Handel, sondern beschränkt sich auf drei Gate-Closure-Times. Das heißt, man kann täglich zu drei bestimmten Zeiten seinen Fahrplan ändern – an dem Tag, für den der Fahrplan abgegeben wurde. In den USA gibt es einen Intra-Hour-Handel, über den man dreimal innerhalb einer Stunde seinen Fahrplan wechseln kann. Außerdem kann man im gleichen Rhythmus Netzkapazitäten handeln. Für die Primär- und Sekundärregelung, wie wir sie kennen, ist aber selbst dieser Zyklus noch zu lang. Deshalb denke ich, dass zumindest für diese beiden Regelenergiearten langfristig kein Handel stattfinden wird.

E&M: Könnte die Minutenreserve langfristig den Netzbetreibern entzogen werden?

Spicker: Ich denke schon. Voraussetzung dafür sind allerdings IT-Systeme, die sehr schnelle Reaktionszeiten ermöglichen. Über den OTC-Markt, womöglich noch unter Einbeziehung eines Brokers, würde es zu lange dauern, die notwendige Energie zu beschaffen. Zunächst müsste man sich aber erst einmal überlegen, wo man handeln könnte. Die Minutenreserve muss über das ganze Netz verteilt sein. Denn obwohl Deutschland eine Kupferplatte ist, ist es physikalisch bedeutsam, an welcher Stelle des Netzes die Reserveleistung zur Verfügung steht. 

E&M: Wäre eine Regelzonen überschreitende Ausschreibung sinnvoll oder gar wünschenswert?

Spicker: Sie erfolgt bereits jetzt. Bis zur Hälfte der Ausschreibungen von Leistungsscheiben durch RWE liegen außerhalb der RWE-Regelzone. Dieser Anteil lässt sich aber zweifellos noch erhöhen.
 
„Die Netzbetreiber haben die konzerneigenen Kraftwerke im Auge“
 
E&M: Bisher ist der Kreis der potenziellen Regelenergielieferanten doch sehr eingeschränkt.

Spicker: Bei RWE wird derzeit zum Beispiel die Minutenreserve noch in 30-MW-Blöcken ausgeschrieben. Man kann an einer Hand abzählen, welche Kraftwerke dafür in Frage kommen, diese Leistung zusätzlich zum Normalbetrieb vorzuhalten. Deshalb müsste unbedingt die Leistungsgrenze gesenkt werden, damit der Markt etwas aufgegliedert werden könnte und zum Beispiel auch einige Stadtwerke mit ihren Kraftwerken zum Zuge kommen könnten. Ich denke aber, dass diese Maßnahme kurzfristig zu realisieren ist.

E&M: Meinen Sie, die Netzbetreiber sind zu einer Senkung der Leistungsgrenze bereit?

„Von einer Mindestgröße war nie die Rede“

Spicker: Die Netzbetreiber haben mit der hohen Leistungsgrenze natürlich die konzerneigenen Kraftwerke im Auge, die bisher schon die Regelleistung zur Verfügung gestellt haben. Da liegt natürlich die Vermutung nahe, dass an dieser Stelle kein Wettbewerb gewollt ist, was den Bemühungen des Bundeskartellamtes klar zuwiderläuft. Das Kartellamt verfolgt diese Entwicklung sehr aufmerksam, weil es nicht zulässt, dass Fusionsauflagen einfach unterlaufen werden. Von einer Mindestgröße der Leistungsscheiben war nie die Rede.

E&M: Auch wenn bisher nur konzerneigene Kraftwerke an den Ausschreibungen teilgenommen haben, sind die Preise für Regelenergie in den jeweiligen Regelzonen gesunken. Sind Sie mit dem erreichten Niveau zufrieden?

Spicker: Es ist jetzt nicht mehr so schmerzhaft, wenn es zu Fahrplanabweichungen kommt und man Regelenergie beziehen muss. Im Dezember des letzten Jahres lagen die Regelenergiepreise sogar unter den OTC-Preisen. Das ist ein Zeichen dafür, dass der Markt zumindest in seinen Grundzügen funktioniert. Die Preise würden aber noch weiter sinken, wenn die Leistungsgrenze gesenkt werden würde und so mehr Anbieter auftreten könnten. Anbieter beispielsweise, die im Rahmen ihrer Portfoliooptimierung den Regelenergiemarkt in ihre strategischen Überlegungen einbeziehen. Es darf aber auf keinen Fall versucht werden, wie es RWE gerade macht, die Einnahmenausfälle bei der Regelenergie durch Preiserhöhungen an anderen Stellen auszugleichen.

E&M: Im Rahmen der Verhandlungen zur Verbändevereinbarung II Strom wird von den Netzbetreibern das Ziel verfolgt, das Toleranzband abzuschaffen. Dann müssten die Händler mit ihren Fahrplänen immer Punktlandungen hinlegen.

Spicker: Ich hoffe nicht, dass es zu einer Abschaffung des Toleranzbandes kommt. Die Netzbetreiber könnten ohne Toleranzband zwar ihre Deckungsbeiträge erhöhen. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass in dieser Sache zurzeit besonders viel Druck von den Netzbetreibern gemacht wird. Irgendwann werden sie es wahrscheinlich wieder auf die Tagesordnung bringen, aber im Moment haben sie mit dem neuen Tarifsystem zum grenzüberschreitenden Stromtransport alle Hände voll zu tun.
 
 

Freitag, 13.05.2022, 17:36 Uhr
Fritz Wilhelm

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