Die Windenergietage NRW 2023 finden in Bad Driburg statt. Quelle: Volker Stephan
Bürokratie empfinden Windmüller als großes Hindernis in ihren Aktivitäten. Wege aus dem Paragrafen-Dilemma suchten auch die Windenergietage der Branche in NRW.
Jahre, Kilometer, Nerven, Euro: In diesen „Währungen“ zahlt die Windkraftbranche regelmäßig, wenn sie in Deutschland neue Projekte umzusetzen gedenkt. Es kostet Zeit, Umwege, Geduld und Geld, alle Hindernisse bis zur aktiven Turbine aus dem Weg zu räumen. Die Windenergietage NRW packten einige dieser Themen an.
In Bad Driburg bittet der Landesverband Erneuerbare Energien Nordrhein-Westfalen (LEE NRW) die Branche regelmäßig zum Jahrestreffen, heuer bereits zum elften Mal. Neben den Chancen, die Bundes- und Landesregierung mit ihrer Windkraftausbau-Politik neuerdings eröffnen, stellte eine Reihe von Debattenbeiträgen die Herausforderungen in den Mittelpunkt.
Thema Transport. Für Enercon berichtete Benjamin Seifert, Leiter des Bereichs Zentral- und Nordeuropa, von teils grotesken Bedingungen. Für die nötigen Schwertransporte von Rotoren und Turmelementen dauere allein das Bearbeiten der Genehmigungsanträge durch die Straßenbehörden in Deutschland bis zu 16 Wochen, während es die Nachbarn in den Niederlanden in weniger als sieben Tagen schaffen.
Von Bremen nach Norden über Potsdam und RostockIst die drei Monate gültige Erlaubnis einmal erteilt, darf allerdings keine neue Baustelle auf der festgelegten Route entstehen. Geschieht dies, ist der Transport zum Turbinenstandort hinfällig. Ein Neuantrag muss her, verbunden mit einer Wartezeit von bis zu 14 Wochen. Kommt eine Baustelle sehr kurzfristig hinzu, verzögere dies die Anlieferung der nötigen Teile zusätzlich, so Benjamin Seifert.
Die Wege-Infrastruktur in Deutschland sorgt für bemerkenswerte Kapriolen. Die Enercon-Führungskraft berichtete von der Route, die die Einzelteile einer E-175 zu nehmen hatten. Eigentlich ist die kürzeste Straßenverbindung vom Startort, dem Hafen in Bremen, zum nördlich gelegenen Ziel Albersdorf etwa 200 Kilometer lang. Weil gewisse Straßen, Brücken oder Tunnel für die Schwertransporte nicht zur Verfügung standen, reisten die Teile zunächst ostwärts gen Hannover, Magdeburg, Potsdam, um dann über Rostock, Wismar und Lübeck Kurs auf den Bestimmungsort in Schleswig-Holstein zu nehmen. „Das hat uns insgesamt 140.000 Euro zusätzliche Transportkosten eingebracht“, so Benjamin Seifert.
Was den Teil behördlicher Genehmigungen angeht, hat Jörg Bogumil Schlüsse aus jahrelanger Forschung als Professor für vergleichende Stadt- und Regionalpolitik an der Ruhr-Universität Bochum gezogen. Auch in der Windkraft zeigten sich die drei am schwersten wiegenden Probleme der Bürokratie. Es gebe erstens zu viele und zu komplizierte Regelungen, die nicht nutzer- und anwendungsfreundlich gestaltet seien.
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Mit Wasserstoff-Ballonen sollen Rotoren auch die Bürokratie in Deutschland umkurven: Diese Idee skizzierten (v.l.) Windkraft-Pionier Johannes Lackmann (Westfalenwind), der Bremer Luftfahrttechnik-Hochschulprofessor Uwe Apel und Transportunternehmer Markus Frost (Universal Transport). Quelle: Volker Stephan |
Zweitens seien die Menschen in den öffentlichen Stellen zu sehr auf „Absicherungsdenken“ bedacht, also darauf, nur ja keinen Fehler im Genehmigungsverfahren zu begehen. Er hält es für „Irrsinn“, dass Mitarbeitende von Behörden keine Ermessensspielräume nutzen würden. Da sei es kein Wunder, dass beispielsweise eine Windturbine abgelehnt würde, wenn sie 40 Zentimeter zu nah an ein Schutzgebiet heranrage.
Komplizierte ZuständigkeitenUnd drittens erschwerten laut Jörg Bogumil komplizierte Zuständigkeiten von Entscheidungsinstanzen, auch durch den Föderalismus bedingt, schnellere Verfahren. Ergebnis: Allein die Dauer für immissionsschutzrechtliche Genehmigungen sei in den letzten Jahren auf 22,8 Monate gestiegen, zuvor waren es 13,4 Monate. Über alle Etappen – von der Vorprüfung zur Realisierung – gesehen warte ein Projektierer heute durchschnittlich acht Jahre auf die Inbetriebnahme, vor zehn Jahren seien es noch 60 Monate gewesen.
Die Anregung des Bochumer Professors an die Entscheider, „generell mehr zu experimentieren“ und so von eingefahrenen Mustern abzuweichen, wollte ein Unternehmer nicht auf Behörden beschränkt wissen. Johannes Lackmann, Gründungsgeschäftsführer des Paderborner Energieerzeugers „Westfalenwind“, präsentierte mit dem Bremer Luftfahrttechnik-Professor Uwe Apel eine ungewöhnliche Idee. Um Schwerlasttransporte von Rotoren und Türmen im wahrsten Sinne des Wortes zu erleichtern, schlug er den Einsatz von Ballonen vor. Die mit Wasserstoff gefüllten Ballone schweben in 50 Metern Höhe über den Lastwagen.
Die Ballone würden entscheidendes Gewicht von den Fahrzeugen nehmen, wodurch diese auch marode oder nicht so tragkräftige Brücken befahren könnten. Auch Hindernisse wie Querungen oder Stromleitungen stellten kein Problem dar, hieß es. Wenn mehrere Lkw hintereinander fahren, könnte die jeweilige Aufhängung der Ballone separat gelöst werden und hinter einer Leitung wieder einrasten. Das Prinzip sei keine Neuerfindung, Zeppeline habe es bereits gegeben. Johannes Lackmann regte ein Konsortium an, das die Projektidee weiter verfolgen solle.
Freitag, 24.11.2023, 15:04 Uhr
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