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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Wind erzwingt Netzausbau
Quelle: Shutterstock
E&M Vor 20 Jahren

Wind erzwingt Netzausbau

Wie sich die Themen gleichen: Schon vor 20 Jahren sorgte neben Erdgas der Netzausbau für große Diskussionen in der Energiewirtschaft und in der Politik.
Offshore-Windparks sind heute eine Säule der Stromversorgung mit erneuerbaren Energien und ihre Netzanbindung ist ein Dauerthema in der energiepolitischen Diskussion. Vor 20 Jahren war es noch kein Dauerthema, aber eines, das absehbar zum Streitthema werden konnte.

E&M-Chefreporter Ralf Köpke erfuhr im Frühjahr 2002, dass nur mit großen Anstrengungen beim Netzausbau der künftig in Offshore-Windparks erzeugte Strom auch in der Steckdose wird ankommen können.

Peter Weißpferdt wirkt auf Beobachter einfach gemütlich. Die wachen Augen hinter der kleinen runden Brille, der angegraute, wuchtige Schnäuzer und das nicht zu bändigende Haupthaar strahlen Ruhe und Zufriedenheit aus. Aber wenn dem Kieler Elektro-Ingenieur die Hutschnur platzt, dann richtig: „Wir kümmern uns bei den Offshore-Parks um Schweinswale, Important Bird Areas und alles Mögliche, nicht aber um das Wesentliche: die Netzanbindung.“

Auf einer jüngst von der Niedersächsischen Energie-Agentur in Cuxhaven organisierten Konferenz zum Thema Offshore-Windnutzung nahm Weißpferdt kein Blatt vor den Mund: „Ich will nicht unken; wenn Politik, Behörden und Netzbetreiber sich nicht ab sofort darum kümmern, wie künftig der auf See erzeugte Strom an Land kommen und dann abgeleitet werden soll, dann hat sich das Thema Offshore von selbst erledigt.“

Dabei hat die Bundesregierung mit den maritimen Windfarmen Großes vor. Das vom Bundesumweltministerium Ende Januar vorgestellte Strategiepapier, geht von einer Offshore-Kapazität von bis zu 25 000 MW bis zum Jahr 2030 aus. Diese Kraftwerke in Nord- und Ostsee sollen dann 15 Prozent des bundesweiten Strombedarfs decken.

Wenn die Elektronen bis dahin den Weg in die Steckdose finden: Dass es heute schon in einigen Regionen mit freien Netzkapazitäten eng aussieht, bekommen immer wieder Windmüller im Norden und Nordosten schmerzhaft zu spüren.
Und die Situation wird nicht besser: „Wir verbauen uns mit der zunehmenden Zahl von Windturbinen an Land die Netzkapazitäten, die wir für die Offshore-Parks brauchen“, sagt Stephan Kohler. Der Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur (Dena) rechnet bis zum Jahr 2010 mit 17.000 bis 18.000 MW Windleistung an Land. Dann soll es aber auch vor den deutschen Küsten mehrere Dutzend Propeller mit einer Gesamtleistung zwischen 2.000 und 3.000 MW geben.

Dena kündigt Netzgutachten an

Um Licht in den Tunnel zu bringen, kündigte Kohler in Cuxhaven ein Netzgutachten an. Mit dieser Expertise will die Dena auch auf eine seit längerem überfällige Bestandsaufnahme der Eon Netz GmbH reagieren, die die thermischen und dynamischen Grenzen des 380 kV-Netzes ausloten soll: „Wir werden uns das Gutachten genau angucken und dann schrittweise überlegen, welche Maßnahmen bei der Netzverstärkung und beim Netzausbau an Land notwendig sind.“

Keine Probleme sieht Kohler bei den ersten drei, vier kleineren Pilotparks für die Stromableitung: „Für diese Leistung gibt es im vorhandenen Netz genügend Kapazitäten. So ist die 380-kV-Trasse von Ostfriesland ins Ruhrgebiet nur mit einem Stromkreis ausgerüstet. Mit einem zweiten Stromkreis schaffen wir es, zusätzlich 600 bis 700 MW unterzubringen.“

Die gleiche Strategie verfolgt auch Horst Schörshusen, der in der Niedersächsischen Staatskanzlei für die Koordination in Sachen Windenergie zuständig ist: „Die beiden zu erwartenden Gutachten werden der Politik wohl unmissverständlich klar machen, dass im Netz ab 2005/6 nicht mehr viel geht.“ Die Konsequenz: die Suche und die Planung neuer Hochspannungstrassen müssen so schnell wie möglich beginnen. „Die notwendigen Raumordnungsverfahren können sich leicht zehn bis zwölf Jahren hinziehen“, gibt Schörshusen zu bedenken. Als Land, das wirtschaftlich immer stärker von der Windkraft profitiere, werde Niedersachsen aber seine „Hausaufgaben machen“.

Die Netzanbindung, das zeichnet sich heute schon ab, zwingt auch die Planer der maritimen Windfarmen zu einer stärkeren Kooperation. „Ich werde es nicht zulassen, dass wir für jedes Projekt ein Kabel durch den Nationalpark Wattenmeer ziehen müssen“, gab Niedersachsens Umwelt- und Energieminister Wolfgang Jüttner der Windszene in Cuxhaven deutliche Signale. In ähnlicher Weise hatte sich im vergangenen Jahr bereits Klaus Müller, der Umweltminister Schleswig-Holsteins, geäußert.

Und noch eine Entwicklung ist schon absehbar: „Das heutige Netz wird künftig ganz anders aussehen. Dabei ist fraglich, ob die Realisierung des Netzausbaus mit der Entwicklung der Windenergie Schritt halten kann“, so Matthias Luther, zuständig bei Eon Netz in Bayreuth für die Netzplanung. Und Schließlich dürfe man beim Netzausbau eine Frage nicht vergessen: Wer bezahlt all das? Ein Kilometer einer 380 kV-Leitung kostet heute rund 750.000 Euro. Und für die Offshore-Parks wird nicht nur ein Kilometer gebraucht.
 

Freitag, 1.04.2022, 15:05 Uhr
Ralf Köpke und Fritz Wilhelm
Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Wind erzwingt Netzausbau
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E&M Vor 20 Jahren
Wind erzwingt Netzausbau
Wie sich die Themen gleichen: Schon vor 20 Jahren sorgte neben Erdgas der Netzausbau für große Diskussionen in der Energiewirtschaft und in der Politik.
Offshore-Windparks sind heute eine Säule der Stromversorgung mit erneuerbaren Energien und ihre Netzanbindung ist ein Dauerthema in der energiepolitischen Diskussion. Vor 20 Jahren war es noch kein Dauerthema, aber eines, das absehbar zum Streitthema werden konnte.

E&M-Chefreporter Ralf Köpke erfuhr im Frühjahr 2002, dass nur mit großen Anstrengungen beim Netzausbau der künftig in Offshore-Windparks erzeugte Strom auch in der Steckdose wird ankommen können.

Peter Weißpferdt wirkt auf Beobachter einfach gemütlich. Die wachen Augen hinter der kleinen runden Brille, der angegraute, wuchtige Schnäuzer und das nicht zu bändigende Haupthaar strahlen Ruhe und Zufriedenheit aus. Aber wenn dem Kieler Elektro-Ingenieur die Hutschnur platzt, dann richtig: „Wir kümmern uns bei den Offshore-Parks um Schweinswale, Important Bird Areas und alles Mögliche, nicht aber um das Wesentliche: die Netzanbindung.“

Auf einer jüngst von der Niedersächsischen Energie-Agentur in Cuxhaven organisierten Konferenz zum Thema Offshore-Windnutzung nahm Weißpferdt kein Blatt vor den Mund: „Ich will nicht unken; wenn Politik, Behörden und Netzbetreiber sich nicht ab sofort darum kümmern, wie künftig der auf See erzeugte Strom an Land kommen und dann abgeleitet werden soll, dann hat sich das Thema Offshore von selbst erledigt.“

Dabei hat die Bundesregierung mit den maritimen Windfarmen Großes vor. Das vom Bundesumweltministerium Ende Januar vorgestellte Strategiepapier, geht von einer Offshore-Kapazität von bis zu 25 000 MW bis zum Jahr 2030 aus. Diese Kraftwerke in Nord- und Ostsee sollen dann 15 Prozent des bundesweiten Strombedarfs decken.

Wenn die Elektronen bis dahin den Weg in die Steckdose finden: Dass es heute schon in einigen Regionen mit freien Netzkapazitäten eng aussieht, bekommen immer wieder Windmüller im Norden und Nordosten schmerzhaft zu spüren.
Und die Situation wird nicht besser: „Wir verbauen uns mit der zunehmenden Zahl von Windturbinen an Land die Netzkapazitäten, die wir für die Offshore-Parks brauchen“, sagt Stephan Kohler. Der Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur (Dena) rechnet bis zum Jahr 2010 mit 17.000 bis 18.000 MW Windleistung an Land. Dann soll es aber auch vor den deutschen Küsten mehrere Dutzend Propeller mit einer Gesamtleistung zwischen 2.000 und 3.000 MW geben.

Dena kündigt Netzgutachten an

Um Licht in den Tunnel zu bringen, kündigte Kohler in Cuxhaven ein Netzgutachten an. Mit dieser Expertise will die Dena auch auf eine seit längerem überfällige Bestandsaufnahme der Eon Netz GmbH reagieren, die die thermischen und dynamischen Grenzen des 380 kV-Netzes ausloten soll: „Wir werden uns das Gutachten genau angucken und dann schrittweise überlegen, welche Maßnahmen bei der Netzverstärkung und beim Netzausbau an Land notwendig sind.“

Keine Probleme sieht Kohler bei den ersten drei, vier kleineren Pilotparks für die Stromableitung: „Für diese Leistung gibt es im vorhandenen Netz genügend Kapazitäten. So ist die 380-kV-Trasse von Ostfriesland ins Ruhrgebiet nur mit einem Stromkreis ausgerüstet. Mit einem zweiten Stromkreis schaffen wir es, zusätzlich 600 bis 700 MW unterzubringen.“

Die gleiche Strategie verfolgt auch Horst Schörshusen, der in der Niedersächsischen Staatskanzlei für die Koordination in Sachen Windenergie zuständig ist: „Die beiden zu erwartenden Gutachten werden der Politik wohl unmissverständlich klar machen, dass im Netz ab 2005/6 nicht mehr viel geht.“ Die Konsequenz: die Suche und die Planung neuer Hochspannungstrassen müssen so schnell wie möglich beginnen. „Die notwendigen Raumordnungsverfahren können sich leicht zehn bis zwölf Jahren hinziehen“, gibt Schörshusen zu bedenken. Als Land, das wirtschaftlich immer stärker von der Windkraft profitiere, werde Niedersachsen aber seine „Hausaufgaben machen“.

Die Netzanbindung, das zeichnet sich heute schon ab, zwingt auch die Planer der maritimen Windfarmen zu einer stärkeren Kooperation. „Ich werde es nicht zulassen, dass wir für jedes Projekt ein Kabel durch den Nationalpark Wattenmeer ziehen müssen“, gab Niedersachsens Umwelt- und Energieminister Wolfgang Jüttner der Windszene in Cuxhaven deutliche Signale. In ähnlicher Weise hatte sich im vergangenen Jahr bereits Klaus Müller, der Umweltminister Schleswig-Holsteins, geäußert.

Und noch eine Entwicklung ist schon absehbar: „Das heutige Netz wird künftig ganz anders aussehen. Dabei ist fraglich, ob die Realisierung des Netzausbaus mit der Entwicklung der Windenergie Schritt halten kann“, so Matthias Luther, zuständig bei Eon Netz in Bayreuth für die Netzplanung. Und Schließlich dürfe man beim Netzausbau eine Frage nicht vergessen: Wer bezahlt all das? Ein Kilometer einer 380 kV-Leitung kostet heute rund 750.000 Euro. Und für die Offshore-Parks wird nicht nur ein Kilometer gebraucht.
 

Freitag, 1.04.2022, 15:05 Uhr
Ralf Köpke und Fritz Wilhelm

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